"Das Schönste ist der Spirit, der hier herrscht"
Der Chef der "Schüttler Waske Tennis-University" im Gespräch mit tennisnet.com über Teamgeist und Spaß am Job, das Comeback von Tommy Haas, die Entwicklung von Angelique Kerber und den Tag in seiner Karriere, den er bis heute bereut.
von Florian Goosmann
zuletzt bearbeitet:
29.12.2016, 09:19 Uhr
Alexander Waske, 41, kommt aus Frankfurt am Main und hat über das amerikanische College-Tennis den Weg zum Profi eingeschlagen - mit erst 25 Jahren. Waske wurde vor allem durch seine Davis-Cup-Doppel-Einsätze zum Publikumsliebling und schaffte es in der Weltrangliste bis auf Rang 16 im Doppel und Rang 89 im Einzel. 2005 feierte er seinen bekanntesten Sieg mit dem Triumph über Rafael Nadal in Halle, der ihn zum "French-Open-Sieger-Besieger" machte. 2010 gründete er mit Rainer Schüttler die "Schüttler Waske Tennis-University" in Offenbach.
tennisnet: Herr Waske, das Doppel im Davis-Cup-Halbfinale gegen Russland 2007, wie oft verfolgt Sie das noch im Schlaf?
Alexander Waske: Dieses Match hat meine Karriere beendet. Ich hatte im Anschluss vier Operationen. Alles, was ich danach gespielt habe, war Welten entfernt von dem, was ich davor gespielt habe.
tennisnet: Sie haben das Doppel trotz eines Muskelbündelrisses zu Ende gespielt.
Waske: Das war ein großer Fehler. Ich habe damals mein bestes Tennis gespielt, stand Top 100 im Einzel und Top 16 im Doppel. Ich hatte das Olympia-Outfit zu Hause liegen - und habe mir den Einmarsch dann mit dem Gipsarm vorm Fernseher angeschaut. Klar, es war das Davis-Cup-Halbfinale, aber im Nachhinein interessiert das keine Sau. Ein paar Monate später haben mich Leute vom DTB angesprochen und gefragt, wie es bei mir läuft. Ich habe gesagt, dass ich verletzt bin. Wieso, was ich denn hätte, kam zurück. Die Welt ist so schnelllebig.
tennisnet: Geben Sie diese harte Erfahrung weiter?
Waske: In meinem jetzigen Job hilft sie mir, weil ich viele Spieler habe, die Mittwoch eine Erkältung haben, Donnerstag eigentlich nicht trainieren können, Freitag aber unbedingt zum Turnier wollen. Da zeige ich meinen Ellenbogen und sage: Ist das dieses Turnier wert? Oder haben wir nicht gesagt, dass wir nur spielen, wenn wir fit sind? Aber jeder Mensch macht Fehler und lernt daraus. Wenn ich allen Spielern beibringen kann, wann man besser Schluss macht und regenerieren muss, dann hat mir meine eigene Erfahrung geholfen.
tennisnet: In der Zeit zwischen dieser Verletzung und Ihren vielen Comebacks ist die "Schüttler Waske Tennis-University" entstanden.
Waske: Die tragende Kraft war mein damaliger Headcoach Benjamin Ebrahimzadeh. Er sagte: "Dein Name, deine Connections - und ich mache die Arbeit." Das war der Gedanke, so haben wir angefangen. Er hat in der Zeit hervorragende Arbeit geleistet. Es wurde dann immer größer. Das war auch ein Grund, meine Karriere 2012 zu beenden, sonst hätte ich vielleicht noch ein paar Jahre gespielt. Aber die Arbeit mit den Profis und den Nachwuchsspielern ist zu wichtig geworden.
tennisnet: Wie wichtig es den Spielern ist, hat man auch beim X-mas-Battle erlebt, oder?
Waske: Das Schönste ist der Spirit, der hier herrscht. Ein Profi ist extra aus Indien eingeflogen. Ebenso Spieler aus Berlin, Hannover, aus München, aus der Schweiz. Alle sind nur wegen des X-mas-Battles gekommen. Bei uns steht neben dem Leistungsaspekt die Menschlichkeit ganz vorne an. Alle Spieler sagen: "Die haben sich unheimlich viel Mühe gegeben - und ich komme gerne wieder!" Wir wollen unsere Spieler weiterbringen auf dem Court und neben dem Court. Dafür stehen wir und darum mache ich das alles hier.
tennisnet: Sie haben selbst auch mitgespielt, und wenn man Sie bei den Mini-Spielen erlebt hat, konnte man meinen, hier ginge es um einen Grand-Slam-Titel.
Waske: Diese Ambition versuche ich auch weiterzugeben. Ich bin voll dabei, will nicht verlieren, so war ich schon immer.
tennisnet: Weil's eine Teamgeschichte ist? Sie waren auch zu aktiven Zeiten der Teamspieler überhaupt.
Waske: Im Team habe ich immer besser gespielt...
tennisnet: ... womit Tennis, größtenteils ein Einzelsport, vielleicht der falsche Sport für Sie war?
Waske: Absolut, trotzdem schaffen wir es an der University, den Teamgedanken umzusetzen. Die Spieler gehen zusammen auf Tour. Denen ist es nicht egal, was der andere macht. Die Spieler unterstützen sich gegenseitig. Wenn einer sein Spiel absolviert hat, feuert er den nächsten an. Wir hatten schon Trips mit neun Spielern und drei Trainern zu einem Future-Turnier. Da gibt es Momente, an denen elf Mann auf der Tribüne sitzen und den verbliebenen Spieler anfeuern und unterstützen. Ich glaube auch, dass es für die menschliche Entwicklung ganz wichtig ist, diesen Teamgedanken zu leben. Die Spieler, die diesen Teamspirit haben, kommen hier auch am besten zurecht. Die lieben die Tennis University und tragen das Logo mit großem Stolz.
tennisnet: Worauf kommt es Ihnen sonst noch an?
Waske: Mittwochs haben wir immer Spiele-Tag. Es ist mir wichtig, dass die Spieler sich überlegen, wie man taktisch etwas aufbauen kann, sich immer an neue Begebenheiten anzupassen. Der Gedanke für das X-mas-Battle kam daher, dass wir genau das fördern wollten. Der Tennisplatz ist zwar überall gleich groß, aber die Bedingungen sind bei jedem Turnier unterschiedlich. Jeder Bodenbelag ist anders. Der eine ist hoch, der andere tief, der eine trocken, beim einen Match ist hohe Luftfeuchtigkeit, dazu unterschiedliche Bälle... Ich muss mich jede Woche neu justieren.
tennisnet: Ist es Ihnen auch wichtig, den Spielern einen respektvollen Umgang mit den Fans mitzugeben? Sie hatten immer eine enge Beziehung zu Ihren Fans, wurden sehr geschätzt.
Waske: Ich war ja jahrelang selbst Fan. Bis 25 war ich kein Profi, sondern Student, da habe ich Turniere im Fernsehen geschaut. Einen Tommy Haas hatte ich bis dahin in meinem Leben nie live gesehen. Daher kommt das.
tennisnet: Stichwort Tommy Haas: Sie waren vor seiner Verletzung als Coach mit ihm unterwegs. Ist das weiterhin geplant, wenn er zurückkommt?
Waske: Im Moment nicht. Wir stehen aber in Kontakt. Er ist ja zweifacher Familienvater, jetzt noch Turnierdirektor in Indian Wells. Christian Groh, der viele Jahre mit ihm gearbeitet hat, wohnt dort. Das ist für ihn einfach zu nutzen. Wir haben nicht über nächstes Jahr gesprochen. Ich drück ihm natürlich die Daumen und hoffe, dass er bekommt, worüber wir oft gesprochen haben: seinen Abschluss. Dass er selbst noch gut spielend vom Platz gehen kann und nicht getragen werden muss.
tennisnet: Wie sieht Ihre Arbeit in Offenbach konkret aus, wie viel stehen Sie selbst auf dem Platz?
Waske: Ich gehöre diesem Laden und der Laden gehört mir. Ich bin jeden Tag hier, wenn ich nicht mit einem Spieler auf Tour bin. Nächstes Jahr werde ich viel mit Tatsuma Ito arbeiten, der will unter die Top 50 kommen. Er stand schon mal unter den ersten 60, war dann aber verletzt. Wir haben hier 30 Profis und 20 Jugendliche, und mit allen habe ich schon auf dem Platz gestanden. Jeder Spieler kann mich sofort ansprechen, wenn er ein Problem hat. Dennoch bauen wir momentan unsere professionellen Strukturen innerhalb des Teams weiter aus, um für die Zukunft gut aufgestellt zu sein.
tennisnet: Wie sehen Sie die Zukunft der TU?
Waske: Wir wollen unsere Kapazität vergrößern, da wir die meisten Wochen des Jahres komplett voll sind, zum Teil Spieler ablehnen müssen und noch gebündelter mit allen Teilen der TU arbeiten wollen. Außerdem wollen wir das Team und die Infrastruktur weiter auf höchstem Niveau verbessern. Unser Anteil an Vollprofis ist im Vergleich zu vielen anderen Akademien sehr hoch, aber wir wollen diese Profis auch selbst ausbilden. Das heißt: junge Spieler früh bekommen und ihnen früh unsere Werte beibringen, saubere Technik, Stabilisationstraining, Prophylaxe. Damit der Körper auf hohe Belastungen vorbereitet wird, um später Verletzungen zu vermeiden. Wir wollen in ein paar Jahren Spieler als Aushängeschild haben, die wir mit 8, 12 oder 14 bekommen haben und die dann zum erfolgreichen Profi werden.
tennisnet: Eine Geschichte, die Ihre TU bekannt gemacht hat, war die um Angelique Kerber, die 2011 hierhergekommen ist.
Waske: Die Angie hat damals sehr schlecht gespielt. In Wimbledon haben wir sie uns angeschaut. Das war anfangs schwierig, weil sie lieber viele Turniere spielen wollte. Genau das war aber der Punkt: Sie war nicht austrainiert, nicht fit. Gleichzeitig wollte sie ihren Ranglistenplatz nicht aufs Spiel setzen und wollte darum ITF-Turniere spielen. Wir haben immer gesagt: "Bleib hier!" Das ging Woche für Woche so. Nach der dritten Woche hat sie gesagt: "Okay, wir machen das so." Dann hat sie von Wimbledon bis kurz vor den US Open hier trainiert. Mit großem Erfolg. In Flushing Meadows hat sie direkt das Halbfinale erreicht. Nach diesem Trip war alles anders. Da hat sie Blut geleckt und gesagt: "Wenn das so gut funktioniert, will ich noch mehr davon!"
tennisnet: Ist es nicht kurios, dass sie gerade im Fitnessbereich große Probleme hatte und heute die fitteste Spielerin der Tour ist?
Waske: Das hat sie sich - großen Respekt dafür - über viele Jahre erarbeitet. Sie hat weitergemacht und versteht ihren Körper immer besser. Sie ist ans Limit gegangen. 2011 hat sie am 9. November mit der Vorbereitung begonnen und hat sieben Wochen lang gebolzt. 2012 war sie topfit und hat sich auf Platz fünf gespielt. Sie hat nicht nachgelassen und sich professionalisiert. Gerade Angie, die ein sehr emotionaler Typ ist, hat es dann geschafft, das Gejammere und die Abwinkerei abzustellen. Sie ist verdammt tough geworden. Sie ist ein tolles Beispiel dafür, wie man mit harter Arbeit und Talent nach ganz oben kommt.