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"Jeder ist stolz auf den anderen"

Die Zverev-Brüder, Mischa und Alexander, sorgen auch in Wimbledon für Furore. Die tennisverrückte Familie kennt das Geschäft so gut wie kaum jemand anders.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 07.07.2017, 15:24 Uhr

Alexander und Mischa Zverev freuen sich füreinander

Von Jörg Allmeroth aus Wimbledon

Sie sind ein Herz und eine Seele. Auch wenn sie so verschieden sind wie Feuer und Eis. Eins jedenfalls sind sie aber zusammen, der heißblütige Alexander und der coole, abgeklärte Mischa Zverev: Das beste Brüderpaar der Tenniswelt. Dazu die deutsche Nummer 1 und 2 in diesem Sport. Und gerade auch noch das Familien-Phänomen in Wimbledon. "Es ist eine Wahnsinnsstory", sagt Amerikas ehemaliger Superstar John McEnroe über die beiden Hamburger, die herumziehen, um Siege und Pokale im Wanderzirkus zu erobern.

Im All England Lawn Tennis Club eröffnet sich dem Duo aktuell die prominenteste Schaubühne für seine Kunst, beide sind bisher auch auf Kurs, sogar in historischer Dimension. Als erste Brüder seit den Amerikanern Tim und Tom Gullikson im Jahr 1984 sind der 29-jährige Mischa und der 20-jährige Alexander in die dritte Runde der Internationalen Englischen Meisterschaften eingezogen, sie sind, wie auch zu Jahresbeginn in Melbourne, so etwas wie ein Phänomen der Nomadenbranche.

"Man kann nur staunen, dass und wie beide Zverevs in der Weltspitze mitspielen. Und was die Eltern bei dieser ganzen Aufbauarbeit geleistet haben", sagt der schwedische Fachbeobachter Mats Wilander, ehemals die Nummer 1 der Weltrangliste.

"Alles oder nichts"

Wie lange sie nun noch als Solisten zusammen im Wettbewerb um die begehrteste Trophäe im Tennis verbleiben, wird sich schon am Samstag klären. Während Alexander Zverev, zwischenzeitlich schon in die Top Ten aufgestiegen und zurzeit auf Platz 12 der Branchencharts, gegen den neuen österreichischen Wundermann Sebastian Ofner (ATP 217) klar favorisiert ins Rennen geht, hat der ältere Bruder Mischa ein ebenso reizvolles wie hochkompliziertes Rendezvous vor sich - gegen den Rekordchampion Roger Federer, den allseits verehrten Schweizer Maestro.

"Alles oder nichts - nur das kann die Devise sein", sagt der ruhige, bedächtige Profi, der schon einige Achterbahnfahrten in einer auch von schweren Verletzungen überschatteten Laufbahn erlebte. Vier Mal hat er bisher sein Glück gegen Federer versucht, vier Mal verloren, zuletzt auch im ostwestfälischen Halle bei den Gerry Weber Open. "Wenn du dein bestes Tennis spielst und auf einen richtig starken Federer triffst, hast du trotzdem keine Chance. So einfach ist das", sagt Zverev, der Ältere.

Inzwischen kommt es schon mal zu Terminsstress bei der tennisverrückten Familie, in der alle diesen Sport atmen wie die tägliche Luft. Früher nahmen Mutter Irina und Trainervater Alexander senior den jüngeren Spross mit auf die Reisen des Bruders Mischa, der Pimpf schaute sich das Treiben begehrlich an und wurde vom Kind des Tennis zu einem der größten Versprechen für die Zukunft des Tennis. Manchmal müssen sich die Eltern nun die Jobs aufteilen: Spiele und Spieler beobachten, Training leiten, die Reisen organiseren.

Pendelverkehr

Schwierig wird es wie jetzt in Wimbledon, wenn beide Brüder an einem Tag anzutreten haben. Vater Alexander pendelte am Donnerstag zwischen Trainingsübungen mit Alexander junior und dem frühen Match von Mischa hin und her, Mutter Irina hielt eisern die Wacht beim älteren Bruder, informierte ihren Mann über das Geschehen. "Es kann schon ganz schön stressig sein für Mama und Papa", sagt Mischa, "wir sind ihnen unheimlich dankbar für alles."

Die Eltern kennen den Tenniskosmos und die Akteure darin aus dem Effeff, ihnen kann niemand was vormachen. Auch nicht die beiden erwachsenen Söhne. Daddy Alexander spielte 26-mal für Russlands Davis-Cup-Team, bevor er sich aufs Trainergeschäft verlegte. Mutter Irina war sogar mal die Nummer 22 der Welt, obwohl sie nicht zu allen Turnieren reisen durfte, zu denen sie reisen wollte. Sie waren beide auch hellsichtig genug, im Verbund mit Manager Patricio Apey das Team Zverev kompetent zu erweitern - zuletzt mit einem renommiertem Physiotherapeuten und einem Spitzen-Fitnesscoach.

Die Brüder nutzen ihre Möglichkeiten und Potenziale inzwischen so stark aus wie nie zuvor, auch weil sie sich ständig gegenseitig mit Tipps, Tricks und Kniffen versorgen. Und einfach sportlich wechselseitig anstacheln, ganz freundschaftlich, komplett harmonisch. "Jeder ist auf den anderen stolz", sagt Mischa, der ältere der beiden Zverevs.

von Jörg Allmeroth

Freitag
07.07.2017, 15:24 Uhr