Alexander Zverev steht sich weiter selbst im Weg
Alexander Zverev hat beim zweiten Ultimate Tennis Showdown sportlich überzeugt - außerhalb des Platzes aber weiterhin keine Pluspunkte gesammelt.
von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet:
03.08.2020, 13:31 Uhr
Als Alexander Zverev vor knapp einem Jahr als neuer Klient der Vermarktungsagentur Team8 präsentiert wurde, hätte der Deal auch eine Zeitenwende einleiten können. Zverev, der deutsche Tennisprofi mit Champions-League-Potenzial, kämpfte seit seinem steilen Aufstieg in die Weltklasse regelmäßig mit Imageproblemen, an Kontroversen um ihn und seine Abenteuer im Wanderzirkus bestand nie ein Mangel. Die Liasion mit Team8, der Firma, die Roger Federer und sein Manager Tony Godsick einst gegründet hatten, sollte auch Zverevs Wirken und Handeln in ruhigeres Fahrwasser bringen, bestmöglich in und auf den Spuren des entspannten Schweizer Maestro. „Jetzt betrete ich eine neue Phase meiner Karriere“, sagte Zverev damals. Wobei: Das Damals ist erst zwölf Monate her.
Im August 2020 ist die Bilanz freilich eher ernüchternd. Für Zverev, den umstrittenen Starspieler. Aber auch für Team8 und Topmanager Godsick, einen der einflussreichsten Köpfe im Tennis-Vermarktungsgeschäft, den Miterfinder des Laver Cup. Am vergangenen Wochenende war wieder einmal zu beobachten, auf welch unterschiedlichen Wegen die diversen Hauptdarsteller dieser prominenten Partnerschaft auch und gerade in diesen herausfordernden Zeiten unterwegs sind. Federer, der Teilhaber von Team8 und gelegentliche Zverev-Protege, trat in einem Videoclip eines Sponsors auf - er überraschte dabei zwei italienische Teenagerinnen in ihrer Heimat, die während des Lockdowns zu Internet-Berühmtheit gelangt waren, weil sie sich über zwei Dachbalkone hinweg die Tennisbälle zugespielt hatten. Es war einer der ganz raren Auftritte des verletzten Federers in den letzten Monaten, gut getimt allerdings, mit dem selbstverständlichen Sympathie-Prädikat versehen.
Zverev läuft vor den Problemen weg
Und Zverev? Er hätte in diesen ersten August-Tagen auch Pluspunkte sammeln können. Und zwar, indem er sich am Rande eines Showturniers in Südfrankreich hingestellt und sich zu seinen Fehlern in den Monaten der Corona-Krise bekannt hätte – erst bei der zuweilen zügellosen Adria-Tour von Novak Djokovic, danach noch einmal als Brecher einer selbsterklärten Quarantäne in seiner Wahlheimat Monte Carlo. Aber Zverev tat genau das Gegenteil. Als beim sogenannten „Ultimate Tennis Showdown“ das Frage-und-Antwort-Spielchen mit ein paar Pressevertretern auf die Verfehlungen des jungen Deutschen zusteuerte, lief der buchstäblich vor den Problemen weg – und verlängerte damit nur die Serie seiner irritierenden, unreifen Auftritte. Er bleibt vorerst ein Verlierer der Pandemie-Zeit.
Mit der Entschuldigung auf kleiner Bühne hätte sich Zverev, der frühere ATP-Weltmeister, viel Ärger ersparen können, wenn er demnächst mutmaßlich bei den Turnieren in den USA antreten wird. Dort, bei den US Open und dem vorbereitenden Masters-Wettbewerb, wird Zverev neben Djokovic nun noch mehr im Zentrum anklagender Fragen stehen. Vieles, worüber Zverev viel lieber sprechen würde, nicht zuletzt auch seine Verpflichtung des ehemaligen Topmannes David Ferrer (Spanien) in seinen Trainerstab, wird eher in den Hintergrund geraten.
Zverev lässt Team8 nicht gut aussehen
Das dürfte auch Godsick, dem Agentur-Boss und Federer-Vertrauten, nicht gefallen. Denn Zverevs Disziplinlosigkeiten, seine zweifelhafte Rolle als sehr frei herumschwebender Artist, fallen auch auf den geradlinigen, energischen Amerikaner zurück. Wie immer man Zverevs Kooperation mit seinen namhaften Vermarktern auch betrachtet, es sieht nicht wirklich angenehm für Team8 aus: Entweder hat die Truppe um Frontmann Godsick sowieso keinen nachhaltigen Einfluss auf den 23-jährigen Hamburger. Oder Zverev hält sich nicht an die Direktiven oder Ansagen seines Managements, mit dem er eigentlich vor einem Jahr angetreten war, in eine strahlende Zukunft aufzubrechen.
Wenn sich Godsick und Zverev später in diesem August erstmals seit Monaten wieder Auge in Auge gegenüberstehen werden, vorausgesetzt, die Turniere in Amerika gehen tatsächlich über die Bühne, könnte es nach der Wiedersehensfreude auch um die Perspektiven der Partnerschaft gehen. Nicht zu vergessen: Godsick amtiert quasi auch noch als Nachlassverwalter der Geschäftsbeziehung von Zverev zu Ex-Manager Patricio Apey, es geht dabei beispielsweise um eine horrende Millionenforderung des früheren Handlungsbevollmächtigten.
Zverev und Ferrer: Spannende Zeiten
Zverevs Personal-Rochade hin zum Fleißarbeiter David Ferrer hat einen Überraschungs-Charme. Denn Ferrer steht für Tugenden, die man bisher nicht immer und nicht zwingend mit dem Deutschen in Verbindung gebracht hatte: Äußerste Disziplin, unbedingter Kampfeswille und Leidenschaft in jeder Sekunde eines großen Matches, Beharrlichkeit in einer steinigen, aber unbeirrt verfolgten Karriere. „Wunderbar“ passe es mit Ferrer zusammen, gab Zverev zu Protokoll, nachdem man jüngst eine zweiwöchige Testphase in Monte Carlo absolviert hatte.
Allerdings hatte es ähnlich geklungen, als Zverev einst einen weiteren spanischen Großmeister verpflichtet hatte, den Ex-Weltranglistenersten Juan Carlos Ferrero. Doch die Zweisamkeit war schnell vorüber, später beharkten sich beide Parteien dann hartnäckig mit Vorwürfen. Zverev monierte, Ferrero habe aus ihm einen ruhigen, balancierten Spieler machen wollen, „der ich nie sein kann und werde.“ Und Ferrero brachte seinen Unmut nachträglich so auf den Punkt: „Zverev war drei Stunden auf dem Platz, aber er konnte kein qualitativ hochwertiges Training leisten. Es gab Proteste, Ablenkungen, Unterbrechungen, Telefonate. Ein bisschen mehr Disziplin hätte ihm gut getan.“