Alexander Zverev vor den French Open: "Gehe mit Entschlossenheit in dieses Turnier"
Alexander Zverev hat sich vor allem dank seines Turniersiegs in Madrid ist eine Mitfavoritenstellung in Roland Garros gebracht. Kann er "das ganz große Dong" schon gewinnen?
von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet:
29.05.2021, 13:05 Uhr
Alexander Zverev war schon wieder daheim in Monte Carlo, als er Mitte Mai noch einmal vor Augen geführt bekam, was ihn und alle anderen Kollegen demnächst bei den French Open erwartet. Zverev betrachtete aus der Ferne das Finale des Masters-Turnier von Rom, den Zweikampf der Titanen zwischen Rafael Nadal und Novak Djokovic, und er sah schließlich, wie die unvergleichliche Wucht und Leidenschaft des mallorquinischen Matadors Nadal zum zehnten Titel in der „Ewigen Stadt“ führte.
Auch Zverev hatte in Rom gegen Nadal verloren, in der Runde der letzten Acht, er hatte sich gut geschlagen gegen den Sandplatzkönig, aber doch recht klar verloren. „An Rafa musst du vorbei, wenn du in Paris gewinnen willst“, sagt Zverev, „und das ist die schwerste Aufgabe, die es im Tennis gibt. Mit Abstand.“
Immerhin stehen Zverevs Chancen, in den Titelkampf im Stadion Roland Garros ernsthaft eingreifen zu können, so gut wie noch nie. Zverev hat seine Verletzungsprobleme am Ellenbogen in den Griff bekommen, jene Schmerzen, die ihm im Frühling oft heftig zusetzten und für manche sportliche Enttäuschung mitverantwortlich waren. Und er kann auf zwei bemerkenswerte Pokalerfolge in dieser Saison verweisen, zuerst auf den Erfolg in Acapulco Mitte März. Aber mehr noch auf den Sieg beim Masters in Madrid, in der schon heißeren Vorbereitungsphase auf den Sandplatz-Höhepunkt in Paris. In Spaniens Hauptstadt triumphierte der 24-jährige Deutsche mit Selbstbewusstsein und Souveränität, dazu mit jenem Mumm und Biß, den es braucht für die ausdauernden Rutschübungen in der Tennis-Spezialdisziplin auf Sand. „Wirklich beeindruckt“ habe ihn Zverev, befand schließlich Madrids Turnierimpresario Ion Tiriac, „das war sehr, sehr gut von ihm.“
Alexander Zverev der Erfolgreichste unter den U25-Jährigen
Vor allem, weil Zverev bei diesem Topwettbewerb in Madrids Höhenluft reihenweise Topspieler schlug. Und zwar auch Nadal, der traditionell einige Probleme in Spaniens Kapitale hat, gleichwohl auch dort ein überragend starker Gegner ist. Doch der gebürtige Hamburger schlug den Lokalmatador in der Runde der letzten Acht genau so wie Österreichs Ass Dominic Thiem im Halbfinale und den aufstrebenden Italiener Matteo Berrettini im Endspiel. Drei Top Ten-Gegner auf der Zielgeraden ausgeschaltet – es war kein Glücksspiel, keine günstige Auslosung, die Zverev erstmals seit drei Jahren wieder bei einer Masters-Festivität gewinnen ließen. Sondern seine Klasse, das Ausspielen des Potenzials, das er besitzt. In diesem Jahr, merkte Altmeister Boris Becker an, könne Zverev absolut den nächsten Schritt gehen und „einen Grand-Slam-Titel holen.“ Nur wo? Etwa schon in Paris?
Auf jeden Fall lohnte in diesem Frühjahr ein Blick auf Zverev und seine Mitstreiter in der sogenannten NextGen, der nachrückenden Tennis-Generation. Denn mögen auch die Russen Daniil Medvedev (Australian-Open-Finalist 2021 und ATP-Weltmeister) oder Andrey Rublev mächtig gehypt werden, mögen auch Medien und Fans über die Kreativität und Improvisationsgabe eines Mannes wie Stefanos Tsitsipas (Griechenland) schwärmen – Zverev ist der mit Abstand erfolgreichste Spieler der U25-Fraktion im globalen Wanderzirkus. Mit dem Masters-Coup in Madrid kommt er nun auf 15 Titel, dahinter folgen mit signifikantem Abstand Medwedew (10) und Rublev (8). Unter den aktiven Spielern aller Altersklassen hat Zverev nach den Superstars Djokovic, Nadal, Federer und Murray jetzt die meisten Masters-Titel, vier an der Zahl. Was ihm noch fehlt zum vorläufigen Glück, zur Befriedigung des eigenen Ehrgeizes, das ist ein Grand-Slam-Titel.
Zverev hat US Open 2020 mittlerweile abgehakt
Zverev, schon in sehr jungen Teenagerjahren ins professionelle Tennis eingestiegen, verfügt inzwischen über einige Erfahrung bei den Major-Wettbewerben – also jenen Leistungsmessen, die den Wert und die Bedeutung eines Berufsspielers entscheidend taxieren. Der Hamburger hat im Best of-Five-Modus besser gelernt, mit seinen Kräften und Energien hauszuhalten, ohne in Schlendrian zu verfallen. Zuletzt war er nicht immer, aber immer öfter dabei, wenn es in die alles entscheidenden Phase eines Grand Slam ging: In New York, im denkwürdigen Finale 2020 gegen Kumpel Dominic Thiem, lag er zwischenzeitlich sogar mit 2:0-Sätzen in Front, hatte auch im fünften und letzten Satz alle Vorteile, bevor er das Drama noch verlor. „Tausend Mal“ habe er danach an diese Partie denken müssen, an die „paar Punkte, die nur fehlten“, sagt Zverev, „aber es steckt mir jetzt nicht mehr in den Knochen.“
In Paris hat Zverev bisher am eindringlichsten zu spüren bekommen, was passiert, wenn man in den ersten Runden zu viel Substanz verliert. 2018, als er mit viel Selbstbewusstsein und auch der Empfehlung eines Masters-Sieges in Madrid zu den French Open reiste, rackerte er in den Runden zwei bis vier jeweils über fünf Sätze, bevor er entkräftet im Viertelfinale von Thiem deklassiert wurde. „Ich war völlig platt, ohne Power“, erinnert sich Zverev, „ich wusste: So kann ich hier nie gewinnen.“ 2019 scheiterte er wieder im Viertelfinale, gegen den Weltranglisten-Ersten Djokovic war aber auch in anständiger Verfassung nichts zu holen.
Zverev muss auch auf ein wenig Fortune bei der Zuteilung der Gegner hoffen. Auf ein nicht zu frühes Aufeinandertreffen mit Nadal oder Djokovic. Aber früher oder später wird er sich den Grand-Slam-Seriensiegern dann doch stellen müssen, um das „ganz große Ding zu gewinnen“, wie er selbst sagt. Und er fügt hinzu: „Ich fühle mich gerüstet für diesen Moment. Ich gehe da schon mit Entschlossenheit und Mut rein.“
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