"Ich werde jede Minute genießen"

Anna-Lena Grönefeld hat ihr spätes Karriere-Glück als Doppelspezialistin gefunden. Eine Karriere mit Brüchen und enttäuschten Hoffnungen, die eine versöhnliche Wende nahm.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 25.10.2017, 11:05 Uhr

Anna-Lena Grönefeld (r.) ist die Vorfreude deutlich anzusehen

Auf ihre späten Tage als Tennis-Weltenbummlerin wird Anna-Lena Grönefeld nun tatsächlich noch mal etwas ganz Neues erleben. Bei der WTA-Weltmeisterschaft in Singapur in dieser Woche ist keine der Spielerinnen dabei, die in den letzten Jahren für die großen Titel und die großen deutschen Schlagzeilen sorgten. Nicht Sabine Lisicki, nicht Andrea Petkovic, nicht Julia Görges. Und auch nicht Angelique Kerber, im letzten Jahr noch die Nummer eins der Einzelkämpferinnen auf dem Centre Court und Singapur-Finalistin.

Doch wenn am Donnerstag der Pärchenwettbewerb im südostasiatischen Stadtstaat beginnt, der Kampf um die WM-Krone im Doppel, dann wird Deutschland doch noch eine Tennis-Botschafterin bei diesem Championat haben - eben jene 32-jährige Grönefeld, die selbst einmal die national Beste war und die strahlende Zukunftshoffnung des deutschen Frauentennis. "Es ist ein Traum, dass ich es zum ersten Mal zur WM geschafft habe. Ich werde jede einzelne Minute genießen", sagt Grönefeld, die zusammen mit ihrer tschechischen Freundin Kveta Peschke an den Start geht.

Anders als in der Einzelkonkurrenz, die im Gruppenformat ausgetragen wird, können sich Grönefeld und Peschke keine Ausrutscher erlauben - eine Niederlage bedeutet das Aus im Titelfight. Gut gemeint hat es die Auslosung nicht mit den beiden: Gleich zum Auftakt geht es gegen das topgesetzte Duo Martina Hingis/Chan-Yung Jan.

Keine Gedanken ans Gestern

In einem anderen Tennisleben, in einer anderen Zeit war Grönefeld einmal als Nachfolgerin von Steffi Graf und Anke Huber gehandelt worden - als potentielle Weltklasseathletin mit Zugriff auf die schönsten Siege, bei Grand Slams oder auch dem Frauen-Masters. Verwegen war das nicht, schließlich rangierte die Nordhornerin einst auf Platz eins der Juniorinnen-Weltrangliste sowohl im Einzel wie im Doppel. Als sie 2003 den Nachwuchs-Titel bei den French Open gewann, rissen sich Sponsoren und Managementfirmen um die deutsche Teenagerin. Sie denke "nicht mehr ans Gestern, an verpasste Chancen", sagt Grönefeld heute. Es ist wahrscheinlich richtig und besser so, zuviel lief in ihrer Karriere schief.

Vor allem vertraute sie zu oft und zu lange den falschen Beratern und falschen Trainern. Der Spanier Rafael Font de Mara zwang sie gar in ein System völliger Abhängigkeit, geprägt von Trainingsdrill und von Befehl und Gehorsam. Als Grönefeld die Erwartungen des berüchtigten Schleifers nicht erfüllte, trennte sich Font de Mara 2007 von ihr und rief ihr noch bitterböse Worte nach: Sie sei wie ein Esel, der nicht selbstständig funktionieren könne. Es war ein Moment, sagt Grönefeld, "in dem die Welt wie ein Trümmerhaufen da lag."

Lange brauchte Grönefeld, um sich wieder vom Horror-Regime des früheren Trainers zu erholen. Jedenfalls teilweise, denn die ganz großen Erwartungen im Einzel erfüllten sich nie mehr - der Anschluss an die Weltspitze war in der Schreckenszeit unter Font de Mara verloren gegangen. 2011 vollzog die Nordhornerin einen radikalen Schritt, sie beendete kurzentschlossen ihre Einzellaufbahn, konzentrierte sich fortan nur noch auf ihr Doppelspiel. "Ich habe die Entscheidung nie bereut", sagt Grönefeld, "ich habe einfach nur noch das gemacht, woran ich Spaß habe."

Zuverlässige Stimmungskanone

Wie gesagt: Andere standen in den letzten Jahren in Deutschland im Rampenlicht, mit Titeln und Trophäen und herausragenden Weltranglisten-Platzierungen. Wenn vom deutschen Fräuleinwunder die Rede war, wurde Grönefeld nicht mehr erwähnt, auch wenn man sie durchaus noch dieser Generation von Spielerinnen zurechnen kann. Grönefeld hat sich nie über ihren Status in der zweiten Reihe beklagt, sie selbst weiß ja, "dass das Doppel ziemlich stark unter dem Radar durchläuft." Andererseits war sie gerade im deutschen Fed-Cup-Team über Jahre eine zuverlässige Größe, sie gewann wichtige Punkte mit wechselnden Partnerinnen und war zudem die "Stimmungskanone im Team" (DTB-Frauenchefin Barbara Rittner).

Für ihr unkompliziertes Naturell und ihre Flexibilität wird sie auch im Nomadenbetrieb der Profis geschätzt. Grönefeld kann sich mühelos auf neue Mitspielerinnen und herausfordernde Situationen einstellen. Mit neun verschiedenen Kolleginnen gewann sie insgesamt fünfzehn Titel, darunter war auch Martina Navratilova. Ihre beiden größten Erfolge landete sie freilich in der nur bei Grand Slams angebotenen Mixed-Konkurrenz, 2009 gewann sie bei den French Open mit Jean-Julien Rojer (Niederlande) und 2014 in Wimbledon mit Mark Knowles (Bahamas).

Kommt jetzt noch ein WM-Titel dazu? "Wir sind nicht die Topfavoritinnen. Aber unmöglich ist nichts", sagt Grönefeld. Mit Peschke hat sie immerhin schon vier Doppeltitel eingesammelt und in der laufenden Saison regelmäßig stark aufgespielt. "Es wird in jedem Fall eine tolle Erfahrung", sagt Grönefeld. Etwas ganz Neues, nach all den aufreibenden und aufregenden Achterbahn-Jahren im Wanderzirkus.

von Jörg Allmeroth

Mittwoch
25.10.2017, 11:05 Uhr