ATP-Coach Jan de Witt: „Ein 1000er in Saudi-Arabien wird den Tennissport nicht umbringen“

Jan de Witt geht mit seinem Schützling Otto Virtanen gerade in die Saison-Vorbereitung für 2025. In einem Interview bei sportradio360 nimmt der renommierte deutsche Coach aber auch zum Kalender der ATP-Tour und dem Davis Cup in Österreich Stellung.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 11.12.2024, 10:58 Uhr

Jan de Witt arbeitet aktuell mit Otto Virtanen zusammen
© Jürgen Hasenkopf
Jan de Witt arbeitet aktuell mit Otto Virtanen zusammen

Jan de Witt hat die kurze Offseason genutzt, um mal wieder beim SV Werder Bremen vorbeizuschauen, jenem Bundesliga-Club, dem der deutsche Tenniscoach eine Zeit lang beratend zur Seite gestanden ist. Aber natürlich gilt der Fokus dem Tennissport. Und so hat de Witt in einem Interview bei sportradio360 zu ein paar aktuellen Fragen Stellung genommen. Und zwar … 

… ob es schon jetzt zu viel Tennis in Saudi-Arabien gibt? 

So viel Tennis findet ja nicht in Saudi-Arabien statt. Dieser Drei-Tage-Schaukampf ist für mich eine Unsinn-Veranstaltung wie auch so gut wie alle Exhibition. Das hat mit ernsthaftem Sport nichts zu tun. Das interessiert mich überhaupt nicht. Wenn sich die Topspieler die Taschen noch einmal voll machen soll und bereit sind, dafür dort hinzufahren, dann sollen sie das tun. Das NextGen Masters ist ganz nett, aber da entscheidet sich nichts für den Tennissport. Bei den Frauen bin ich zu wenig im Thema, ob die WTA Finals nun ein Erfolg waren.

… die nahe und mittelfristige Zukunft …

Wenn man sieht, was im Golf passiert ist, dann wird das im Tennis aber schon besser gehandhabt. Wir werden ein 1000er in Saudi-Arabien bekommen. Ich denke, dass es 2027 so weit sein wird. Hinter den Kulissen wird diskutiert, ob das eher in den ersten beiden Wochen der Saison passieren soll, also vor den Australian Open. Oder danach mit Doha und Dubai, um eine Art „Arabischen Swing“ zu kreieren. Wenn man als Tennis-Traditionalist da rangeht, heben beide Optionen ein großes Minus: Denn entweder wird der gut funktionierende Kalender schon dadurch kaputt gemacht, dass der sehr gut funktionierende Australian Summer of Tennis damit stirbt. Der United Cup wäre dann auch im Eimer - was ich persönlich nicht stören würde, weil das auch eine Unsinns-Veranstaltung ist. Diese Veranstaltung hat keine Relevanz für den Tennissport.

Bei der anderen Option hätte man drei Masters-Turniere in Folge: Saudi-Arabien, Indian Wells und Miami. Und hätte damit sowohl den Südamerika-Swing auf Sand getötet wie auch die europäischen Hallenturniere, die in diesem Zeitraum stattfinden. Wie auch Dallas und Delray Beach. Wobei mir nicht ganz klar ist, warum man jetzt Delray zum 500er macht, wenn man das anschließend vielleicht zumachen möchte. Und dennoch sind diese Probleme zu dem, was wir im Golf erlebt haben, viel geringer. Wenn allerdings so viel Geld in den Tennissport reinkommt, muss man sich damit beschäftigen, ob eine der beiden Alternativen sinnvoll ist. Und: Ein zweiwöchiges Masters-1000-Turnier in Saudi-Arabien wird den Tennissport nicht umbringen.

… die aktuelle Zusammenarbeit mit Otto Virtanen …

Otto hat die Saison bei seinem Heimturnier in Helsinki beendet, das war ihm ein Anliegen. Ich bin auch kein Freund der zu langen Saison. Wenn man nicht beim Masters oder im Davis-Cup-Finale spielt, dann reicht die Offseason ja auch. Da muss sich jeder entscheiden, ob er dann nach New York zu einem Schaukampf fliegt oder doch Urlaub macht. Tennis ist in Finnland gerade angesagt, wird ziemlich gehypet. Es wäre tragisch gewesen, wenn neben Emil Ruusuvuori auch das zweite Zugpferd ausgefallen wäre. Otto hat drei Matche gewonnen, obwohl kein Benzin mehr im Tank war. Nach einem zweiwöchigen Urlaub hat er jetzt mit seinem Fitnesscoach ein ziemlich hartes Programm durchgezogen, immer noch mit wenig Tennis. Und nun geht es mit intensivem Tennisspielen los. 

… den Auftritt der Finnen Ende Januar in Wien-Schwechat im Davis Cup in Österreich …

Otto hat ja Dominic Thiem auf Sand geschlagen, auf einem großen Platz, und dort auch ziemlich überzeugend gespielt. Das Match gegen Filip Misolic muss er auch gewinnen. Dann hat er einen Moment nicht aufgepasst, was ihm immer noch sehr weh tut. Aber wir haben eine Menge daraus gelernt. Otto wird zu der Zeit, wo kein Mensch auf Sand spielt, gleich ready wie die Österreicher sein. Ich als Coach halte das für eine absolut bescheidene Entscheidung, weil es kostet uns drei Wochen. Man muss sich eine Woche vorbereiten und danach kann man auch nicht direkt spielen, wenn man nicht nach Südamerika fliegen will. Aber so sind die Regeln. Wenn die Österreicher das Gefühl haben, sie haben auf Sand größere Chancen und wollen für alle den Kalender kaputt machen, dann werden die Jungs da motiviert auflaufen und versuchen zu zeigen, dass sie auf Sand auch gewinnen können.

von tennisnet.com

Mittwoch
11.12.2024, 12:15 Uhr
zuletzt bearbeitet: 11.12.2024, 10:58 Uhr