Nummer drei: Favoritensterben in Wimbledon beschert Angie Kerber neue Rolle
Bereits sechs Spielerinnen aus den Top 10 der Weltrangliste sind in Wimbledon nach der zweiten Runde ausgeschieden. Das Favoritinnensterben hat verschiedene Gründe - und öffnet beispielsweise für Angelique Kerber viele Möglichkeiten.
von U.W./SID
zuletzt bearbeitet:
06.07.2018, 14:24 Uhr
Das krachende Aus von Titelverteidigerin Garbine Muguruza am Donnerstagabend wird auch Angelique Kerber in ihrem angemieteten Haus im Südwesten Londons ganz genau registriert haben. Schließlich hatte sie, angesprochen auf das denkwürdige Favoritinnensterben in Wimbledon, schon mehrere Stunden zuvor nach ihrem knappen Erfolg gegen US-Teenagerin Claire Liu offen zugegeben, dass man dies "natürlich" mitbekomme. Beeinflussen lassen will sich Kerber davon aber trotzdem nicht. "Ich gehe meinen Weg und versuche, nicht links oder recht zu schauen", sagte sie, die es eher mag, unter dem Radar zu fliegen.
Auch Topfavoritin Kvitova sowie Wozniacki, Svitolina & Co. sind draußen
Dabei nimmt die Pleitenserie für Topspielerinnen langsam bedenkliche Ausmaße an. Die an Nummer drei gesetzte Muguruza war durch ihre am Ende herbe 7:5, 2:6, 1:6-Niederlage gegen die Belgierin Alison van Uytvanck schon die sechste Spielerin aus den Top 10 der Weltrangliste, die nach der zweiten Runde ausgeschieden ist.
An den Tagen zuvor hatte es zudem bereits Caroline Wozniacki (Dänemark/Nr. 2), Elena Svitolina (Ukraine/Nr. 4), Sloane Stephens (USA/Nr. 5), Caroline Garcia (Frankreich/Nr. 6) und die zweimalige Titelträgerin Petra Kvitova (Tschechien/Nr. 8) erwischt.
Indiz für Ausgeglichenheit in Frauen-Weltspitze
Die Gründe für diese in den exakt 50 Jahren der Open-Ära einmaligen Serie sind vielfältig und außerdem zumindest teilweise individuell zu betrachten. Muguruza zum Beispiel war im zweiten Satz auf dem Weg ans Netz übel ausgerutscht und wirkte anschließend leicht angeschlagen. Stephens und Garcia kamen dagegen bereits in der Vergangenheit nicht wirklich gut auf Rasen zurecht und Switolina hat bei Grand-Slam-Turnieren schon häufiger eine mentale Blockade offenbart.
Gleichzeitig sind die vielen Überraschungen von London allerdings auch ein weiteres Indiz dafür, wie ausgeglichen die Weltspitze im Frauentennis derzeit ist. Einzig die rumänische Weltranglistenerste und frischgebackene French-Open-Siegerin Simona Halep schafft es im Moment, wirklich konstant ihr Topniveau abzurufen. Aber auch sie hat immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen. Dahinter ist das Rennen so offen wie selten zuvor, Garantien gibt es keine.
Sharapova: "Der Wechsel von Sand auf Gras ist sehr hart"
Zuletzt kommt hinzu, dass die extrem kurze Rasensaison seit jeher ihre ganz eigenen Tücken bereit hält. Gerade die Spitzenspielerinnen reisen oftmals ohne lange Vorbereitung auf dem eigenwilligen Untergrund zum Höhepunkt nach Wimbledon. Ex-Champion Maria Sharapova etwa, selbst ebenfalls überraschend in Runde eins gescheitert, erklärte: "Der Wechsel von Sand auf Gras ist sehr hart. Vielleicht ist es entscheidend, wie viele Matches man vorher hatte." Sie selbst spielte vor Wimbledon kein einziges offizielles Rasen-Event.
Die Weltranglistenzehnte Kerber rutscht durch die vielen Abschiede der anderen Top-10-Spielerinnen nun jedenfalls schon vor ihrem Drittrundenmatch am Samstag gegen Naomi Osaka (Japan/Nr. 18) in eine neue Rolle. Nach Halep und Karolina Pliskova (Tschechien/Nr. 7) ist sie inzwischen die am höchsten notierte Spielerin im Feld. Einfacher wird es dadurch nicht. Denn dass die Favoritenrolle nicht unbedingt von Vorteil ist, haben die ersten Tage ja bereits zur Genüge gezeigt.