Als der blaue Sand von Madrid zum Streitthema wurde
Eric Butorac erzählt, wie er die turbulente Abstimmung im ATP-Spielerrat mit Roger Federer, Novak Djokovic und Rafael Nadal erlebte.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
04.05.2016, 13:38 Uhr

Der ATP-Spielerrat mag eine wichtige Funktion für die Interessen der Profis haben, erscheint aber für den Außenstehenden erst mal eher wie ein spröder, bürokratischer Papiertiger. Dass es innerhalb der verschlossenen Türen der Vereinigung auch spannend und kontrovers zugehen kann, beweist eine amüsante Geschichte von Eric Butorac. Der US-amerikanische Doppelspezialist ist seit 2008 Mitglied der ATP-Spielergewerkschaft und steht dieser seit 2014 als Präsident vor. Für die US-Plattform „Universal Tennis“ erinnerte sich der 34-Jährige an eine besonders brisante Abstimmung. Während der US Open 2009 hatte sich der Rat in New York zusammengefunden, um über den Belagwechsel auf blauen Sand beim ATP-Masters-1000-Turnier in Madrid zu entscheiden. Neben Butorac saßen unter anderen Roger Federer, Novak Djokovic und Rafael Nadal am Tisch – dementsprechend eingeschüchtert war der vergleichsweise unerfahrene US-Boy: „Ich notierte alles, was sie sagten, brachte in den ersten Sitzungen aber kein Wort raus.“
Bei besagtem Treffen musste Butorac dann allerdings seine Meinung vertreten. Der damalige ATP-Chef Adam Helfant wollte wissen, was die zehn Spielervertreter vom Farbwechsel auf das blaue Geläuf halten. Der forsche New Yorker zeigte als erstes auf seinen Landsmann aus Minnesota. Butorac musste schlucken und murmelte mit zitternder Stimme: „Gut, in den Unterlagen stand, dass sich der Belag genauso spielt wie die rote Asche. Und wenn es stimmt, dass man den Ball im Fernsehen besser sehen kann, erkenne ich keinen Grund, den Untergrund nicht zu wechseln.“ Dann war Novak Djokovic an der Reihe und sagte: „Ich hatte die Möglichkeit, auf dem Testbelag während des Turniers zu spielen. Es war furchtbar, so rutschig – ich denke, es ist eine ganz schlechte Idee.“ Es folgte Rafael Nadal, der sehr energisch antwortete: „Sand sollte grundsätzlich rot sein! Es ist lächerlich, zu glauben, dass wir nur wenige Wochen vor Roland Garros auf blauen Sand spielen würden.“ Nadal war kaum zu bremsen und legte noch auf Spanisch nach, was mit einem verkürzten: „,Rafa’ stimmt mit Nein“ übersetzt wurde.
Federer: „Lasst Clowns und Elefanten in den Zirkus“
Dann war Roger Federer am Zug – Butorac erwartete auch die Aussagen des Eidgenossen mit Unbehagen, fühlte er sich doch immer isolierter – und eröffnete: „Ich denke, dass der blaue Sand eine großartige Idee ist.“ Butorac versuchte sein Lächeln zu unterdrücken, aber seine Augen leuchteten. Plötzlich fühlte er sich nicht mehr alleine mit seiner Meinung. Doch Federer legte nach: „Und dann können wir die Clowns und Elefanten hereinbitten, um einen schönen Zirkus auf dem Platz zu veranstalten.“ Der ganze Raum konnte sich kaum halten vor Lachen. „Ich wollte unter den Tisch kriechen und sterben.“ Die Abstimmung endete schließlich mit 9:1-Stimmen gegen den Wechsel auf blauen Sand. Der australische Doppelspezialist Ashley Fisher, der auch an der Befragung teilnahm, sagte Butorac später, dass er ursprünglich auch mit „Ja“ stimmen wollte, sich aber für „Nein“ entschied, als er die Meinung der „Big Three“ hörte. Im Jahr 2012 wurde dann doch der Belagwechsel in Madrid vorgenommen. Nach zahlreichen Beschwerden – Djokovic und Nadal drohten sogar mit dem Teilnahmeverzicht – wurde nach einem Jahr wieder auf roten Sand zurückgewechselt.
Trotz dieser unangenehmen Episode im Jahr 2009, spricht Butorac von „der besten Erfahrung seiner Karriere“, wenn es um die Mitgliedschaft im ATP-Spielerrat geht. Die ehemalige Nummer 17 der Doppel-Weltrangliste wurde selbstbewusster, stand für die eigene Meinung ein und lenkte sich durch die Arbeit von Negativerlebnissen auf dem Tennisplatz ab. „Ich denke, dass sich alle Profis ein zweites Standbein aufbauen sollten. So konnte ich auch bittere Niederlagen wie eine 16:18-Pleite im Match-Tiebreak besser verdauen, wo wir sieben Matchbälle vergaben“, erläuterte der vielseitig interessierte Nordamerikaner.
Im nächsten Monat endet Butoracs achtjährige Amtszeit im Spielerrat. Die Bilanz erfüllt ihn mit Stolz: „Wir haben bei den Grand-Slam-Turnieren für den größten Preisgeldanstieg der Geschichte gesorgt und den Pensionsfond der Spieler um 500 Prozent anwachsen lassen. Zudem arbeitete ich mit Spielern von sechs unterschiedlichen Kontinenten zusammen und trieb die Entwicklung der Tour enorm voran.“ Allerdings sei die spätere Entscheidung für den blauen Sand in Madrid nicht glücklich gewesen, gesteht Butorac ein. Zumindest hat er wohl vielen Außenstehenden gezeigt, dass Entscheidungen im ATP-Spielerrat keine langweiligen Pflichtdebatten sein müssen – wie die Abstimmung um den Belagwechsel in Madrid beweist.
Hier lest ihr die komplette Geschichte.