Wie sich Bernard Tomic in die Top 20 spielte

Das australische "Enfant terrible" scheint sich gefangen zu haben und arbeitet sich stetig in der Weltrangliste vorwärts.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 13.01.2016, 22:52 Uhr

Bernard Tomic

Rüpel. Bad Boy. Frech. Drei Begriffe, die einem spontan einfallen, wenn man an den Australier Bernard Tomic denkt. Das Blöde an der Sache? Leider haben diese drei Begriffe nichts mit seinem Beruf, Tennisspieler, zu tun. Überdurchschnittliche Leistungen erbrachte der dreifache Sieger des Orange Bowl zumeist an der Theke. Schlagzeilen mit seinem Namen hatten fast ausschließlich mit seinem ausschweifenden Privatleben zu tun. Doch nun, fast wie aus dem Nichts, findet sich sein Name unter den besten 20 Tennisspielern der Welt wieder. Aktuell rangiert Tomic auf Platz 17. Tendenz? Steigend!

Der lebende Beweis, wie wichtig die Einstellung zum Sport ist

Jeder Tennisprofi muss unzählige Entscheidungen treffen. Täglich. Geht man zum Training? Wenn ja, wie lange? Welche Intensität wird an den Tag gelegt? Wie lang wird diese Intensität hochgehalten? Welche Ziele verfolgt man? Hat man überhaupt welche? Was ist man bereit, zu geben? Was ist man bereit, zu opfern? Doch auf dem Platz ist die eine Sache. Die andere, wesentlich interessantere und größere Sache, ist die außerhalb des Platzes. Fernab von Journalisten, Kameras und Trainerteams. Lebt man auch dann als Profi, wenn mal niemand zuschaut? Wenn man einfach nur Mensch ist. Wenn man jung ist und mit seinen Kumpels was erleben will. Tomic hat in seiner noch jungen Karriere allen Tennisspielern gezeigt, dass Talent allein keinen Champion macht. Talent ist die Grundbasis für Erfolg - verspricht ihn aber nicht.

Tomic trumpfte bisher immer bei seinem Turnier, den Australian Open, auf. Im Jahr 2013 spielte er ein hochklassiges Match gegen Roger Federer in der dritten Runde. Night Session. Volles Haus. Der damals 20-jährige Tomic unterstrich mit diesem Match dick und mit Rotstift sein Talent - ließ in der Folgezeit aber wiederum andere Schlagzeilen sprechen. Trinkgelage hier. Festnahmen dort. Das alles passte nicht zu einem Tennisprofi, der mit seinen Fähigkeiten wesentlich mehr erreichen konnte. Das Zusammenspiel aus Tennisprofi auf dem Platz und dem dazugehörigen Leben. Das war es, was Tomic im Weg stand.

Weniger Schlagzeilen, mehr Siege

Je weniger man von Festnahmen des Bernard Tomic las, desto besser wurden seine Ergebnisse. Und seine Leistungen auf dem Platz. Er spielte ein relativ konstantes Jahr 2015. Bei den Australian Open spielte er sich bis in die vierte Runde vor und verlor dann gegen den Tschechen Tomas Berdych . In Indian Wells kam er bis ins Viertelfinale. Einzig die Sandplatz-Saison schien ihm nicht wirklich zu schmecken. Ansonsten, man kann es nicht anders sagen, spielte Tomic eine gute Saison 2015. Doch woran lag dies? Kam die Vorhand besser? Wurde die Quote beim ersten Aufschlag endlich aus dem Sumpf gezogen?

Wahrscheinlich. Doch wird dieser konstante Erfolg zu einer Besinnung zurückzuführen sein. Tomic hat es im letzten Jahr geschafft, das Leben auf und neben dem Tennisplatz unter einen Hut zu bringen. Fokus auf das Wesentliche, den Sport. Beispielhaft dafür war sein Auftritt in Brisbane. Gegen den Japaner Kei Nishikori zeigte der Australier eine Seite, welche man so von ihm noch nicht oft gesehen hatte. Ruhig. Abgeklärt. Fitter denn je. Seine Leistung auf dem Platz war ein Spiegelbild der Veränderung, die außerhalb der Tenniscourts dieser Welt stattgefunden hatte.

Das Talent formen - und das Bestmögliche daraus machen

Tomic besitzt eine außergewöhnliche Spielübersicht. Seine unspektakulären Bewegungsabläufe, welche sehr simpel gehalten sind, sind voller Geheimnisse. Er kann aus dem Nichts einen Stoppball spielen. Er ist in der Lage, jederzeit das Tempo zu wechseln - immer einen anderen Ball zu spielen. Tomic kann auf dem Tennisplatz hervorragend die Winkel bedienen, welche dem Gegner wehtun. Seine Beinarbeit und Fitness war in den vergangenen Jahren nicht auf dem absoluten Top-Level. Daran, so scheint es, hat er sehr gearbeitet. Nun erreicht er Bälle, zu welchen er vor zwei Jahren nicht einmal losgelaufen wäre. Auch dies spiegelt seine "neue" Einstellung dem Tennissport gegenüber wider.

Voller Spannung darf man das Jahr 2016 abwarten. Die Tenniswelt wirft stets mit den üblichen Namen um sich, wenn es um die nächste Generation im Tennis geht. Geht er den nun eingeschlagenen Weg weiter, kann Tomic eine echte Überraschung für alle werden. Vorausgesetzt, er hält die Quote an negativen Schlagzeilen weiterhin gering. Und die seines ersten Aufschlages hoch.

Eine Analyse von Marco Kühn ( tennis-insider.de ).

von tennisnet.com

Mittwoch
13.01.2016, 22:52 Uhr