Kerber: "Habe mich schon lange nicht mehr so gut gefühlt"
Neun Matches, neun Siege - und die Krone von Sydney: Angelique Kerber hat sich mit ihrem furiosen Saisonstart in den Favoritenkreis der Australian Open gespielt. Doch die 29-Jährige will sich bewusst keinen Druck machen.
von Ulrike Weinrich
zuletzt bearbeitet:
14.01.2018, 13:32 Uhr
Von Ulrike Weinrich aus Melbourne
Als Angelique Kerber am frühen Sonntagabend Ortszeit erstmals seit knapp einem Jahr wieder am Ort ihres ersten Grand-Slam-Triumphes trainierte, strahlte die Sonne über dem Melbourne Park. Und das nach den zuletzt so verregneten Tagen in der City am Yarra River. Ein besseres Omen für ihre Australian-Open-Mission hätte es für die so bärenstark in die Saison gestartete Kielerin kaum geben können.
Kerber jedenfalls war ihr gewonnenes Selbstvertrauen bei der rund 60-minütigen Einheit mit ihrem neuen Coach Wim Fissette deutlich anzumerken. Egal ob Volleys oder Aufschlag - "Angie" erlaubte sich beim flotten Schlagabtausch mit dem Belgier in der futuristisch anmutenden Hisense Arena so gut wie keine Fehler. Komfortzone Happy Slam - sozusagen. Ihre Analyse kam dann auch nicht überraschend: "Ich habe mich schon lange nicht mehr so gut auf dem Platz gefühlt", betonte sie.
Die Momente mit dem Pokal? "Das hat sich so richtig gut angefühlt"
Wesentlich defensiver präsentierte sich die Nummer 16 der Welt einen Tag nach ihrem Coup von Sydney beim Thema Titelchancen. "Für mich fängt hier ein neues Turnier an, es geht komplett bei Null los. Und ich weiß, dass ich von Anfang an mein bestes Tennis zeigen muss", sagte Kerber bei der Pressekonferenz im Medienraum 3. Zu viel Druck will sie sich nicht machen. Die Linkshänderin hat gelernt aus dem letzten Jahr, in dessen Verlauf sie vom Tennis-Thron bis auf Platz 21 im WTA-Ranking abstürzte.
Umso erlösender wirkte der perfekte Start in die Saison 2018, in der sie nach neun Matches noch ungeschlagen ist. "Dass es direkt beim ersten Turnier mit dem Sieg klappt, damit habe ich nicht gerechnet", verriet Kerber. Und die Momente mit dem gläsernen Pokal? "Das", betonte sie lächelnd, "hat sich wieder so richtig gut angefühlt. Auch weil ich weiß, was ich auf dem Platz zu tun habe."
"Wir sehen gegenüber 2016 noch eine verbesserte Angie"
Der Hauptgrund dafür heißt Wim Fissette. Zusammen mit dem Analytiker hat Kerber gleich beim ersten Trainingslager auf Lanzarote einen Plan entworfen, wie sie an alte Erfolge anknüpfen kann. "Es hat sich von Anfang an gut angefühlt. Es sind konkrete Sachen, die ich jetzt auf dem Platz umsetze", berichtete die zweimalige Major-Siegerin. Auch Barbara Rittner lobte im tennisnet-Interview den Belgier: "Wim hat ganze Arbeit geleistet. Mit dem Selbstvertrauen der gewonnenen Matches im Rücken spielt sie gleich zu Anfang des Jahres wieder aggressiver. Und das gepaart mit ihrem perfekten Konterspiel sehen wir gegenüber 2016 noch eine verbesserte Angie - aber mit dem gleichen Ausdruck von damals."
Vor allen Dingen am Service seines Schützlings feilte Fissette intensiv. "Ich weiß, dass der Aufschlag das Defizit in den letzten Jahren war. Er ist jetzt schon sicherer", stellte Kerber fest. Sie zieht das linke Bein nicht mehr ran und steht deshalb nicht mehr so frontal. Dazu serviert die zweimalige Gewinnerin des Porsche Grand Prix ein bisschen mehr von der Einstandseite nach außen.
Wiedererstarkte Kerber macht sich keinen Druck
Doch Kerber sieht ungeachtet des Traumstarts in 2018 noch viel Potenzial im jetzt schon harmonischen Zusammenspiel mit Fissette. "Ich glaube, es braucht noch Zeit. Und ich lasse mir Zeit, mache mir da keinen Druck." Am Dienstag wartet in der ersten Runde von Melbourne Anna-Lena Friedsam auf die Australian-Open-Gewinnerin von 2016. Die letzte Saison hat Kerber abgehakt - wie auch den Triumph in Sydney. "Alles geht bei Null los". Man nimmt ihr das Motto ohne weiteres ab.