Benjamin Becker - Der zweite deutsche Tennis-Becker krönt sein Comeback
„Das ist ein sehr großer Moment für mich", freute sich Benjamin Becker nach seinem Drittrunden-Einzug bei den Australian Open.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
22.01.2015, 15:48 Uhr

Von Jörg Allmeroth
33 Jahre alt musste er werden, um diese magische Nacht von Melbourne zu erleben. Diese Nacht, in der Benjamin Becker als Tenniskämpfer erstmals in seiner Karriere über die volle Distanz von fünf Sätzen triumphierte, diese Nacht, in der er gegen den legendären FighterLleyton Hewittdie Courage und den unbeugsamen Willen besaß, ein verlorengeglaubtes Match in einer wilden Australian-Open-Achterbahnfahrt noch 2:6, 1:6, 6:3, 6:4 und 6:3 umzubiegen. Diese Nacht, die sein großes Comeback nach jahrelangen Verletzungssorgen und quälenden Gedanken an ein frühzeitiges Karrierende schließlich in einem Drama auf prominenter Grand-Slam-Bühne krönte.
„Das ist ein großer, ein sehr großer Moment für mich“, sagte Becker nach einem Spiel, mit dem er irgendwie auch die Zeit zurückdrehte. Zurück zu seinem ersten wirklichen Moment des Ruhms, zurück ins Jahr 2006, als er bei den US Open Andre Agassi in den Ruhestand verabschiedet hatte. Er hoffe, sagte der tüchtige Saarländer später augenzwinkernd, „dass Lleyton noch ein bisschen weiter macht. Sonst kriege ich noch mal jahrelang die Fragen nach diesem Match hier gestellt, so wie bei Agassi.“
Becker: „Ich bin schon ein wenig stolz auf mich“
Dabei hat der letzte deutsche Mohikaner bei den Australian Open selbst eine großartige Geschichte zu bieten – abseits seiner kuriosen, vom Schicksal herbeigeführten Spezialrolle als Spiel- und Spaßverderber für pensionsreife Superstars. Denn Beckers auch erster Drittrunden-Einzug bei einem der Major-Wettbewerbe seit September 2006 war auch ein symbolbehaftetes Erfolgserlebnis – ein Sieg der Beharrungskraft und der ungebrochenen Moral eines Mannes, der eigentlich schon fast in den Ruhestand getreten wäre. „Ich bin schon ein wenig stolz auf mich“, sagte der unprätentiöse Professional, der sich nach einer fatalen Verletzungsserie und einem Absturz bis auf Platz 304 der Weltrangliste noch einmal in einer bemerkenswerten Anstrengung in die erweiterte Weltspitze zurückgekämpft hatte.
Fast hätten ihn sogar schon die Tennis-Insider vergessen, den Berufsspieler, der einst mit der Gnade einer Namensähnlichkeit und etwas Losglück zu erstaunlicher Berühmtheit gelangt war. Benjamin Becker, 33 Jahre alt, aus Orscholz im Saarland, war es ja, der vor siebeneinhalb Jahren als „der Kerl, der Bambi erschoss“ (Andy Roddick), Schlagzeilen machte, eben nach diesem unvergesslichen Sieg gegen Agassi. Becker machte fortan aber nicht nur Schlagzeilen wegen berühmter Gegner und wegen des Namens auf der Anzeigetafel, bei dessen Anblick man immer ein seltsames Gefühl hatte: B. Becker. 2007 rückte der Saarländer bis auf Platz 38 der Weltrangliste auf, er gehörte damals zum Davis-Cup-Team, und ganz nebenbei war der hellwache Deutsche auch mit seinem Toureinstieg über ein College-Studium in den USA ein Modellfall für viele jüngere Landsleute.
„Irgendwann wird man mürbe“
Beckers Siege jetzt, auch sein Aufstieg in der Weltrangliste unter die Top 50 – all das hat einen so hohen Wert, weil auch er zu jener Gruppe von Spielern gehörte, die sich in der Tour-Tretmühle in den letzten Jahren mit hartnäckigen Verletzungen herumplagten. Gleich zwei Mal war Becker 2011 am Ellenbogen operiert worden, und vorübergehend dachte er ziemlich ernsthaft darüber nach, mit dem Kampf um Ranglistenpunkte und der Herumreiserei Schluss zu machen. „Irgendwann wird man mürbe. Und stellt sich die Frage, ob der Ertrag noch den ganzen Aufwand lohnt.“ Vor allem, wenn man wie Becker Woche für Woche beim eigenen Abrutschen in der Weltrangliste zusehen musste, beim Absturz bis unter die 300er-Marke.
Becker ist freilich ein harter Bursche, der schon in den ersten schweren Jahren seiner Laufbahn das Kämpfen gelernt hat. „So leicht“ schmeiße den Benni Becker nichts um, hat einmal der frühere Davis-Cup-Kapitän Patrik Kühnen gesagt. Vor dem unbeugsamen Saarländer haben sie alle in der deutschen Tennisgemeinde ihren Respekt, vor einem, der ja auch 2008 schon einmal eine längere, die Karriere gefährdende Verletzungspause wegen der Probleme im rechten Schlagarm hatte überstehen müssen.
Noch ein „dickes Ding“ gegen Milos Raonic?
Nun hat er tatsächlich noch einmal alles geschafft, was er sich 2012 beim Start in sein zweites Tennisleben vorgenommen hatte – die Rückkehr in die Top 100, regelmäßig gute Turnierergebnisse. Und auch noch mal ein „dickes Ding“ gegen einen großen Namen, einen Auftritt wie damals gegen Agassi. Er, der zweite deutsche Tennis-Becker, müsste nun eigentlich auch eine Chance aufs Comeback im deutschen Davis-Cup-Team bekommen, in einem Moment, wo sich die Jüngeren und ganz Jungen in Melbourne allesamt glück- und erfolglos ganz früh verabschiedeten. Am Samstag will er das nächste Mal sein Glück bei den Australian Open versuchen: Der große Kämpfer Becker, der dann gegen die Nummer acht der Welt antreten wird, gegenMilos Raonicaus Kanada.
Hier die Ergebnisse von den Australian Open:Einzel,Doppel,Einzel-Qualifikation.