Entspannte Görges genießt "Urlaubsgefühl" beim Happy Slam
Julia Görges und Melbourne - das passt: Die formstarke Seriensiegerin möchte bei ihrem Lieblings-Major so weit kommen wie noch nie. Ihre Mission begann erfolgreich.
von Ulrike Weinrich
zuletzt bearbeitet:
15.01.2018, 11:31 Uhr
Von Ulrike Weinrich aus Melbourne
Julia Görges fühlt sich in diesen Tagen sichtlich wohl bei ihrem Happy Slam. Was nicht nur an ihrer traumhaften Bilanz von 15 saisonübergreifenden Siegen in Folge liegt. "Das ist nur eine Zahl", meinte sie nach dem überzeugenden 6:4, 6:4 in der ersten Runde gegen US-Teenie Sofia Kenin.
Die Erfolge der letzten Monate gepaart mit dem Flair von Melbourne bieten Görges in der Stadt am Yarra River ihre ganz persönliche Sommer-Wohlfühloase. "Die Australian Open sind mit Abstand das schönste der Grand-Slam-Turniere. Es ist dort einfach am entspanntesten. Viele Leute kommen bemalt und mit Flaggen hierher", betonte die 29-Jährige und fasste die spezielle Atmosphäre in einem Satz zusammen: "Die Leute sorgen für Urlaubsfeeling."
"Jede einzelne kann das Turnier hier gewinnen"
Doch zum Ausflug mit der Staßenbahn an den nahen St. Kilda Beach bleibt Görges trotz des immer heißer werdenden Wetters natürlich keine Zeit. Die Wahl-Regensburgerin hat Down Under eine ganz andere Mission. Nicht nur für Boris Becker ist sie eine der ganz heißen Titelfavoriten. Eine aus der zweiten Reihen zwar, aber deshalb beim Major-Start 2018 nicht weniger ernst zu nehmen. Und die Weltranglistenzwölfte wurde der neuen Rolle als "Dark Horse" in ihrer keineswegs leichten Auftaktpartie vollauf gerecht.
"Ich kann mich über meine Form wirklich nicht beschweren. Jede einzelne Spielerin im Feld hat die Chance, hier zu gewinnen. Das macht es diesmal so aufregend und ist für uns alle eine zusätzliche Motivation", sagte Görges nach dem Härtetest über knapp 80 Minuten. Mit ihrer 19 Jahre alten Kontrahentin aus Florida hatte "Jule" zuletzt am Rande des Tournaments in Auckland trainiert, das Görges am Ende gewann. Schon dort konnte sie sich vom Talent der gebürtigen Moskauerin Kenin überzeugen - und war beeindruckt vom Potenzial des Teenies.
Görges stellt Aufschlagstärke unter Beweis
Nächste Gegnerin von Görges ist bei ihrer zehnten Happy-Slam-Teilnahme am Mittwoch Alizé Cornet (WTA-Nr. 42). Mit der Französin hat sie schon etliche Male trainiert - die Matchbilanz von 5:0-Siegen spricht eindeutig für die deutsche Nummer eins. "Das ist aber keine Garantie, dass es wieder klappt", mahnte sie zur Vorsicht. Görges wartet noch auf ihren ersten Viertelfinaleinzug bei einem der vier Majors. Sie war schon einige Male dicht dran. Doch nach einem Lauf von zuletzt drei Turniercoups in Serie standen die Chancen auf den erstmaligen Sprung in den elitären Klub der letzten Acht wohl noch nie so gut.
Allein im ersten Durchgang gelangen Görges in der futuristisch anmutenden Hisense Arena neun ihrer insgesamt 14 Asse. "Der Aufschlag ist eine meiner größten Waffen." Wenn das erste Service kam, machte sie in 91 Prozent der Fälle auch den Punkt. Nachdem Görges beim Stand von 3:3 das Racket gewechselt hatte, gelangen ihr gleich zwei Vorhand-Winner nacheinander - und wenig später war das ersehnte erste Break perfekt.
Becker: "Görges kann es ganz nach oben treiben"
Kenin, die Nummer 102 im Ranking, ließ auch nach dem Verlust des ersten Satzes kaum nach und lieferte Görges lange Zeit einen harten Schlagabtausch. In der engen Phase zu Beginn des zweiten Durchgangs konnte sie sich aber auch auf ihre Aufschlagstärke verlassen. Drei Breakchancen von Kenin wehrte die Fed-Cup-Spielerin in dieser Phase ab und stellte die Weichen mit souveränen Punktgewinnen auf Erfolg. Das Selbstvertrauen nach dem Traumlauf der letzten Monate war Görges, die bei den Grand Slams 2018 auf einen Start im Doppel verzichtet, deutlich anzumerken. Mit ihrem insgesamt 34. Gewinner besiegelte sie den perfekten Auftakt.
Auch Becker, der die Australian Open zweimal gewinnen konnte, traut Görges Down Under eine Menge zu. "Vieles hängt von der Tages- und Wochenform ab. Wer in der zweiten Turnierwoche eine gute Form erwischt, kann den Titel gewinnen. Wie Angelique Kerber vor zwei Jahren, als sie in Melbourne gewann, kann es Görges ganz nach oben treiben", sagte der 50-Jährige in der Süddeutschen Zeitung. Apropos Kerber. Görges hob den Einfluss der zweimaligen Grand-Slam-Siegerin auf ihre Entwicklung hervor. "Ich habe von dem profitiert, was Angie alles erreicht hat", sagte sie über Kerber.