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Barbara Schett über Zusammenlegung von WTA- und ATP-Tour: "Den Männern wird sicher nichts weggenommen"

Roger Federer hat in der vergangenen Woche mit einem Tweet die Tennis-Szene aufgewirbelt. Der Schweizer dachte laut über eine Zusammenlegung der WTA- und ATP-Tour nach. Barbara Schett begrüßt die Idee und sieht darin eine große Chance.

von Lukas Zahrer
zuletzt bearbeitet: 26.04.2020, 12:58 Uhr

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„Natürlich würde ich es gutheißen. Ich habe mich schon vor 20 Jahren gefragt, warum es drei verschiedene Organisationen geben muss“, sagt Schett im Gespräch mit tennisnet über Federers Vorschlag.

Neben ATP und WTA gibt es mit der ITF einen dritten Player, der internationale Profi-Turniere austrägt. „Wenn man an einem Strang zieht, wäre das Tennis viel stärker. Es gäbe ein größeres Produkt, das man vermarkten kann. Der Schritt würde auch den Männern helfen“, hält Schett fest. Es wäre einfacher, Sponsoren zu finden.

„Es wird etwas wachsen. Das wäre der nächste Schritt. Es ist ein Umdenken gefragt, denn möglicherweise gibt es bis zum nächsten Jahr keine Turniere mehr“, sagt Schett. „Dann könnten wir einen Neustart wagen und mit einem neuen Produkt an die Öffentlichkeit gehen. Das finde ich spannend, ich unterstütze die Idee gerne.“

Barbara Schett: "Mussten um Gleichberechtigung kämpfen"

Während ihrer aktiven Karriere habe es nie ernsthaft eine Diskussion gegeben, den Frauen-Verband mit jenem der Männer zu vereinigen. Schett selbst spielte nur bei den vier Major-Turnieren sowie in Miami und in Indian Wells parallel zu einem Herren-Event.

„Wir haben mehr dafür gekämpft, bei Grand Slams das gleiche Preisgeld zu bekommen. Wir Damen mussten zuerst um die Gleichberechtigung kämpfen“, sagt die 44-Jährige. Heute gäbe es deutlich mehr Combined Events. „Da hat sich etwas getan.“

Eine Vereinigung der Touren beider Geschlechter würde vermehrt zu gemeinsamen Turnieren führen, glaubt die gebürtige Tirolerin. Dafür müsse an vereinzelten Standorten die Infrastruktur vergrößert werden. „Ich habe oft erlebt, dass Männer nur dann genervt waren, wenn Spielerinnen ihnen den Platz zum Trainieren weggenommen haben“, erklärte Schett.

Und weiter: „Ich bin gespannt, wer diese Krise übersteht. Einige kleinere Turniere werden das finanziell nicht überleben. Auch einige Spielerinnen wird es treffen.“ Ein Hilfsfonds soll zumindest den schlechter gereihten Spielerinnen unter die Arme greifen und eine finanzielle Stütze während der spielfreien Zeit sein.

In Zukunft gäbe es dann eine größere Chance, hoch dotierte Turniere auch für Frauen zu veranstalten. Diese sind nämlich anders als auf der ATP-Tour bei der WTA Mangelware. „Viele Menschen kritisieren, dass Frauen bei Grand Slams dasselbe Preisgeld bekommen. Die meisten würden sich den Sport aber nicht leisten können. Eine Nummer 40 der Welt könnte ohne Grand Slams nicht überleben“, sagt Schett, und hält fest: „Den Männern wird aber sicher nichts weggenommen.“

Roger Federer bringt Stein ins Rollen

Den Stein des Anstoßes lieferte Federer, der vor allem auf Twitter eine offene Diskussion über eine mögliche Zusammenlegung der Touren startete. „Es muss solch eine Krise kommen, damit man erst einmal darüber nachdenkt. Und die Idee muss von Roger Federer kommen. Hätte es eine Frau vorgeschlagen, wären die kritischen Stimmen bestimmt lauter“, sagte Schett.

Für Federer kommt der Schritt möglicherweise gar nicht uneigensinnig. Mit seiner Agentur Team8 veranstaltet er den Laver Cup, der unabhängig von ATP, WTA und ITF ausgetragen wird. Sollten ATP und WTA gemeinsame Sache machen, wäre möglicherweise mehr Platz für einen weiteren Player auf dem Tennis-Weltmarkt.

„Es ist für viele Zuschauer sehr verwirrend“, sagt Schett mit einem Blick auf die unterschiedlichen Formate im Tennis-Kalender. „Etwa beim ATP Cup gibt es Punkte, beim Laver Cup aber nicht. Beides sind aber Team-Events. Da braucht es klare Linien. In Zukunft wird es mehr Veranstaltungen geben, die nichts mit ATP oder WTA zu tun haben. Beim Laver Cup sehen wir ja, dass es funktioniert.“

Schett hoffe stark, dass es zu einer gemeinsamen Tour für Frauen und Männer kommt. „Der neue ATP-CEO Andrea Gaudenzi ist sehr motiviert, Dinge zu ändern. Es wäre aus WTA-Sicht ja fast blöd, wenn die Chance nicht genutzt würde Jetzt ist es an der Zeit, sich an einen Tisch zu setzen und darüber zu reden“, meint Schett.

Barbara Haas, Österreichs aktuell beste Tennisspielerin, wollte sich zu dem Thema auf tennisnet-Anfrage nicht äußern. Sandra Reichel, Turnierdirektorin der Upper Austria Ladies Linz, dem größten Frauen-Turnier Österreichs, war in den vergangenen Tagen nicht erreichbar.

von Lukas Zahrer

Sonntag
26.04.2020, 12:43 Uhr
zuletzt bearbeitet: 26.04.2020, 12:58 Uhr