„Bei den Spielern ist vieles Kopfsache“

Welche Besaitung spielen Roger Federer und Novak Djokovic? Und worauf sollte man beim Besaiten achten? Gunther Strähle hat es uns verraten.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 27.04.2016, 11:03 Uhr

Gunther Strähle ist der bekannteste deutsche Besaiter auf der Tennis-Tour und seit Jahren verantwortlich für das deutsche Davis-Cup- und Fed-Cup-Team. Der Porsche Tennis Grand Prix in Stuttgart war für den Waiblinger ein Heimspiel: Hier war er in der vergangenen Woche im Dauereinsatz.

Herr Strähle, welche Saitenkombination ist aktuell die beliebteste unter den Profis?

Es werden sehr viele monofile Saiten, also Polyestersaiten, gespielt. Aber auch viel Hybrid. Diese Kombination aus Naturdarm und monofiler Saite kommt in der Weltspitze immer mehr. Die einen verwenden Naturdarm als Längssaite und die monofile Saite quer, die anderen umgekehrt. Spieler wieNovak Djokovic,Roger Federer,Serena WilliamsoderMaria Sharapovaspielen alle die Darmsaite längs und die monofile Saite quer.

Was sind die Vorteile dieser Bespannungsart?

Der Vorteil, die Darmsaite längs zu spannen, ist, dass der Schläger etwas lebendiger wirkt, schneller. Und insgesamt gefühlvoller.

Aber die Besaitung reißt so auch schneller, oder?

Das kann man nicht allgemein sagen. Aber der Ball geht einfach leichter weg. Andersherum, also mit der Polyestersaite längs und der Natursaite quer, bekommt man mehr Spin auf den Ball und mehr Kontrolle. Spieler, die mit monofilen Saiten groß geworden sind, können eigentlich gar nicht mit der Darmsaite längs spielen.Sabine Lisickizum Beispiel spielt ebenfalls quer eine Natursaite, auchAlexander Zverev. Der könnte mit Darm auf der Längssaite nicht spielen.

Polyester-Saiten haben in den letzten Jahren das Spiel verändert und werden immer weiterentwickelt, sind mittlerweile auch armschonender geworden. Was ist das Besondere daran und wohin geht die Entwicklung?

Man kann vor allem immer dünnere Saiten spielen. Die früheren Synthetiksaiten, wie die Prince Nylon, waren 1,3 bis 1,35 Millimeter dick. Bei Polyester kann man einen dünneren Durchmesser spielen. Die Saite greift besser in den Ball – und der kriegt somit mehr Rotation, mehr Drall.

Wie ist das mit Polyester-Saiten und Tennisarm? Früher gingen Polys heftig auf den Arm, heute werden immer neuere Stoffe beigemischt, um sie elastischer zu machen.

Es gibt inzwischen weichere Poly-Saiten, aber auch härtere. Generell gilt: Von der Prävention her ist nach wie vor keine Saite so gut wie Darm. Man muss die Schläger unbedingt frisch bespannt lassen, dann ist die Gefahr nicht so groß. Wenn man eine monofile Saite sechs Monate lang spielt, ist das Risiko viel höher.

Gibt es unter den Profis noch jemanden, der ausschließlich eine Natursaite spielt?

Ganz wenige. Unter den Doppelspielern gibt es noch welche. Cara Black gehörte zuletzt noch dazu, auch Max Mirnyi. Aber es ist sehr selten geworden.

Wo liegen die Spieler inzwischen, was das Gewicht angeht? So hohe Werte, wie sie zum Beispiel Thomas Muster oder Tommy Haas aufgezogen haben, mit angeblich 39 Kilo, sind ja Vergangenheit.

Es kommt immer darauf an, wie die Leute spielen, welche Technik sie haben. Spieler, die viel mit Spin spielen oder extreme Griffe haben, bespannen eher etwas weicher.Rafael Nadalzum Beispiel.

Wie hart oder weich bespannt er?

Meist mit 25 Kilo. Serena Williams oder Maria Sharapova bespannen eher hart. Die Damen spielen sowieso flacher, gerader. Eine wieCarla Suarez Navarro, die extremes Topspin-Tennis spielt, bildet die Ausnahme. Sie bespannt zum Beispiel nur mit 24 Kilo. Aber das ist bei den Damen sehr selten.

Welche genaue Saitenkombination spielen Novak Djokovic und Roger Federer?

Federer und Djokovic spielen die klassische Kombination: Naturdarm längs, die Babolat VS mit einem Durchmesser von 1,25 Millimeter. Und quer die Luxilon Alu Power Rough, ebenfalls 1,25 Millimeter. Das ist die meistgespielte Saite, auch als Einzelsaite. Wilson bietet die Kombination sogar als Hybrid-Set an, da Roger Federer sie spielt – der Name ist „Champions Choice”. Die kaufen die Darmsaite bei Babolat und nennen sie Wilson Natural. Sie wird allerdings mit einem Durchmesser von 1,30 Millimeter im Handel verkauft.

Welchen Sinn hat es, längs und quer unterschiedlich hart zu bespannen, auch bei gleichartigen Saiten?

Das ist wieder von Spieler zu Spieler unterschiedlich. Wenn man gleich hart bespannt, hat man bessere Kontrolle. Bei einem Unterschied von einem oder zwei Kilo, zum Beispiel längs mit 24 und quer mit 22 Kilo, kriegt man etwas mehr Spin rein.

Wie empfindlich sind die Spieler wirklich? Welchen Unterschied würden sie merken, wenn an der Saite etwas nicht stimmt?

Da ist vieles Kopfsache. Ein Kilo merken die meisten schon, ein halbes Kilo sehr wenige – wenn die Schläger von der gleichen Person bespannt worden sind. Wenn aber ich einen Schläger bespanne und ein Kollege den nächsten, vielleicht noch an einer anderen Maschine – das würden einige spüren. Weil jeder Bespanner etwas anders arbeitet, beim Saitenausrichten zum Beispiel. Auch die Maschine könnte eine kleine Toleranz haben.

Etwas, das unter Hobbyspielern oft falsch gemacht wird, ist, dass sie quer von unten nach oben bespannen. Warum ist es wichtig, vom Kopf in Richtung Herz zu gehen?

Wegen der Verformung des Schlägers. Oben ist die schwächste Stelle des Schlägers. Wenn man also von unten nach oben bespannen würde, ginge der Druck nach oben, da kann eine Verformung stattfinden. Fängt man hingegen oben an, geht der Druck nach unten, wo der Schläger am stabilsten ist. Und man bekommt die Quersaiten besser rein.

Sollte man insofern auch beim Längsbesaiten darauf achten, nicht zu einseitig zu bespannen?

Ja, wir arbeiten immer mit vier Saiten, dann auf der anderen Seite sechs – und dann ganz rüber. Damit der Druck sauber aus der Mitte kommt.

Was sind die drei wichtigsten Tipps, die Sie Hobby-Besaitern geben können?

Ich empfehle immer eine Vier-Knoten-Bespannung. So kann man stets von oben beginnen. Und: Die Bespannung entscheidet sich bei der Querbespannung. Wichtig ist also, dass man die Quersaite immer mit einer Richt-Ahle gerade schiebt und dann erst die Zange setzt. Also Gewicht drauf, dann gerade schieben. Ich bin zudem Hybrid-Verfechter. Naturdarm längs und eine monofile Saite quer – das sollte jeder mal ausprobieren. Diese Kombination ist auch für Hobbyspieler ein Gedicht.

Das Gespräch führte Florian Goosmann.

von tennisnet.com

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