Siegerehrung nach Gutsherrenart
Nach dem Eklat beim Fed Cup gegen Großbritannien wurde Ilie Nastase das Gastrecht in Paris und Wimbledon entzogen. Sein Auftritt in Madrid wirft Fragen auf.
von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet:
15.05.2017, 18:00 Uhr
Nein, selbstverständlich hatte sich niemand verguckt am Samstagabend, bei der Siegerzeremonie des Frauenturniers der Madrid Open. Da stand er stolz und ungerührt, ohne größeres Schuldbewusstsein: Ilie Nastase, Exzentriker, Skandalnudel - und gerade so etwas wie persona non grata im globalen Wanderzirkus nach seinen Beschimpfungstiraden im Fed Cup-Match Rumäniens gegen Großbritannien. Dass er in der ersten Reihe der Madrider Ehrengäste saß während des Finals zwischen Simona Halep und Kristina Mladenovic, hatte schon einen bitteren Beigeschmack. Dass er dann aber auch noch zu den Ehrengästen der offiziellen Zeremonien auf dem Centre Court gehörte, darf man getrost als einen der größten sportpolitischen Affronts der letzten Jahre im Tennis bezeichnen.
Aber wer kann schon einem Ion Tiriac, dem Milliardär und Super-Impresario, etwas anhaben, er regiert und verfährt in etwa so wie der große Unberechenbare im Weißen Haus, wie Donald Trump: Je lauter mich alle kritisieren, verdammen, beschimpfen, umso mehr gefallen mir meine Provokationen. Tiriac lebt in einer eigenen Machtsphäre, er kann bei seinen Events durchregieren wie er will. So wie auch in seinen Firmenimperium, das ihn zu einem der reichsten Männer seines Heimatlandes hat aufsteigen lassen. Um Moral hat er sich noch nie geschert, der eiskalte Transsylvanier, das ändert sich auch jetzt nicht, wo er weit jenseits der Siebzig energisch den Taktstock bei Turnieren schwingt.
Nach Gutsherrenart
Die WTA kann noch so empört reagieren und sich in offiziellen Statements über die Unverantwortlichkeit des Vorgangs mokieren - sie hat keine Eingreifautorität gegen Big Boss Tiriac, zumal da sein Madrider Spektakel ein kombiniertes ATP/WTA-Turnier ist. Niemand wird Tiriac attackieren und ihm einen Lizenzentzug oder Ähnliches androhen, und Tiriac weiß das. Er kann nach Gutsherrenart agieren, er nimmt sich auch genau das heraus.
Immerhin: Nastase, die Person im Zentrum der Streitigkeiten, hat anderswo sein Gastrecht verwirkt. Auch dort, wo es ihm weh tut. Auf der Ehrentribüne von Roland Garros oder Wimbledon wird er nicht sitzen in diesem Jahr, in Paris war er gerne oder oft Gast in Tiriacs Loge. So weit reicht Tiriacs Einfluß denn aber doch nicht, als dass er den alten Weggefährten auch bei einem Major wie in Paris quasi amnestieren könnte.
Stiller Bann
Interessant war im übrigen noch ein Nebenaspekt in der WTA-Mitteilung zur Madrider Causa Nastase. Denn dort wurde erwähnt, dass Nastase bei allen WTA-Veranstaltungen vorläufig unter einem Akkreditierungsverbot stünde - dies öffentlich und offiziell mitzuteilen, hatte die Spielerinnen-Organisation bisher nicht für nötig gehalten. Aus welcher Rücksichtnahme eigentlich?
Die aktuelle WTA-Weltrangliste