Boris Becker - Harsche Kritik an ARD und ZDF
Der dreifache Wimbledon-Sieger sieht eine Mitschuld beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen, dass in Deutschland trotz großer Erfolge ein Tennisboom ausbleibt.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
05.04.2019, 16:16 Uhr
Angelique Kerber ist dreifache Major-Siegerin, Alexander Zverev hat im vergangenen Jahr das ATP-Finale in London gewonnen. Eigentlich sind die Voraussetzungen für einen neuen Boom in Deutschland gegeben. Wäre da nicht die Situation bei den TV-Rechten. So zumindest die Einschätzung von Boris Becker.
„So lange im öffentlich-rechtlichen Fernsehen lieber ein Drittligaspiel im Fußball als ein Wimbledon-Finale live übertragen wird – so lange wird sich daran wenig ändern. Da hat keine andere Sportart eine Chance“, erklärte Becker in einem Interview mit den Stuttgarter Nachrichten.
TV-Rechte bei Sky und Discovery
Tatsächlich liegen die TV-Rechte für Wimbledon seit einigen Jahren bei Sky, jene für die drei anderen Grand-Slam-Turniere bei Discovery, zu deren Senderfamilie Eurosport zählt - und wo Boris Becker auch als Experte fungiert.
Im vergangenen Jahr hatte sich das ZDF die Sub-Lizenzen für das Wimbledon-Finale zwischen Angelique Kerber und Serena Williams gesichert - stand aber dann vor einem ganz tennisspezifischen Problem: Durch die Fortsetzung des Herren-Halbfinals zwischen Rafael Nadal und Novak Djokovic am Samstag mussten Kerber und Williams warten, konnten nicht zur avisierten Beginnzeit starten. Die TV-Zuschauer wussten also nicht, wann das Endspiel beginnen würde.
Unbedeutender Fußball schlägt großes Tennis
2,28 Millionen Fans verfolgten dann doch den größten Erfolg in der Karriere von Angelique Kerber. Was allerdings nur etwas mehr als ein Viertel der Quote des gleichzeitig stattfindenden, wiewohl unbedeutenden Spiels um Platz drei zwischen England und Belgien bei der Fußball WM in Russland war.
Die schwierige Planbarkeit im Tennis und die fehlenden Sendeplätze in den TV-Vollprogrammen sind wohl die Hauptargumente, warum der weiße Sport in Spartensendern wie Sky und Eurosport oder in Streaming-Portalen wie DAZN besser aufgehoben ist. Bestes Beispiel? Das eben abgeschlossenen Turnier in Miami, bei dem das Wetter Verantwortlichen wie auch Spielern einen Strick durch die Rechnung machte. das Halbfinale zwischen Ashleigh Barty und Anett Kontaveit zog sich über mehr als sechs Stunden hin, auch wenn am Ende ein schnödes 6:3 und 6:3 für die spätere Siegerin Barty stand. DAZN war vom ersten bis letzten Ballwechsel dabei. Dasselbe Theater bei den Herren, wo sich die Sendezeiten bei Sky gegenüber den Planungen deutlich ausgeweitet haben. Im öffentlich-rechtlichen Fernsehen undenkbar.
RTL-Nachmittage mit Boris Becker
Nachdem es mit Ausnahme von Paris bei allen Grand-Slam-Turnieren mittlerweile überdachte Courts gibt, wäre immerhin der Faktor Wetter nicht mehr entscheidend. Zumindest in der späten Phase der Majors.
Aber die Zeiten, in denen RTL ganze Nachmittage für Boris Becker in Wimbledon freigeräumt haben, werden so schnell nicht wiederkommen. Zu genau müssen die Privatsender mittlerweile auf ihre Einnahmen schauen, ein mehrstündiges Wimbledon-Match wie jenes zwischen Nadal und Djokovic 2018, das sich noch dazu über zwei Tage hingezogen hat, würde den gesamten Programmplan über den Haufen schmeißen. In Österreich immerhin wird ServusTV einige Spitzenspiele von Dominic Thiem während der Sandplatzsaison übertragen.