Boris Beckers Drama begann schon zu seinen aktiven Zeiten

So erfolgreich Boris Becker während seiner grandiosen Karriere auf dem Tennisplatz agiert hat, so schwierig wurde die Zeit für den dreimaligen Wimbledon-Champion danach. Ein Kommentar zum Urteil, das Becker am heutigen Freitag ereilt hat.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 29.04.2022, 18:40 Uhr

Boris Becker wurde am heutigen Freitag in London zu einer Haftstrafe verurteilt
© Getty Images
Boris Becker wurde am heutigen Freitag in London zu einer Haftstrafe verurteilt

Als Boris Becker am Morgen dieses 29. April 2022 erstmals von den Kameras erspäht wurde, hatte er eine Sporttasche geschultert und trug zum Anzug eine Wimbledon-Krawatte. Man hätte meinen können, der sechsmalige Grand Slam-Champion wäre zu einem Termin im All England Club unterwegs, jenem Ort im Südwesten der britischen Hauptstadt, an dem er vor knapp 37 Jahren seinen ersten großen Karrieretitel gewann. 

Aber Becker hatte in London ganz andere, eher bittere Verpflichtungen. Er musste vor Gericht erscheinen, um zu erfahren, welches Urteil nach schweren Verfehlungen in seinem Insolvenzverfahren gefällt wird. Nach stundenlangem Geduldsspiel war am Nachmittag klar, dass Becker den Gerichtssaal nicht als freier Mann verlassen wird – zweieinhalb Jahre Haft für Delikte wie Geldwäsche und Hinterziehung von Vermögenswerten als Schuldner brummte ihm Richterin Deborah Taylor auf. 

Dieser Gerichtstag in London ist für Becker so einschneidend wie der 7. Juli 1985, an dem er zum jüngsten Wimbledon-Sieger aller Zeiten wurde – und es bis heute geblieben ist. Denn für Becker endeten gestern auch krachend die selbstverschuldeten Turbulenzen, die ihn mehr als zwei Jahrzehnte nach seiner großen Tennis-Karriere zuverlässig begleiteten. Es war eine wildbewegte Achterbahnfahrt mit Abstürzen und Aufstiegen, ein immerfort andauerndes Drama. Becker verstrickte sich dabei so heillos in finanzielle Kalamitäten, dass er irgendwann die berühmten roten Linien überschritt. 

Becker hat im Business die wichtigen Punkte nicht erzielt

Sein Anwalt argumentierte vor Gericht, Beckers Lage sei Naivität und Überforderung geschuldet. Ums liebe Geld hätten sich treulose, wenig kompetente Berater gekümmert. Richterin Deborah Taylor schenkte dem keinen Glauben und urteilte, Becker habe in aller Not dennoch sehr wohl gewußt, was er tat. Was, ganz nebenbei, bei einem erwachsenen Mann jenseits der Fünfzig auch erwartet werden kann.

Beckers Drama begann schon zu seinen aktiven Zeiten, als er wichtige Wegbegleiter aus seiner Entourage verstieß, wenn sie ihm unbequem oder lästig wurden. Becker vertraute sich am liebsten selbst, während seiner professionellen Tenniszeit. Aber auch danach. Er hatte dabei nicht zuletzt die treuherzige Vorstellung, nach seinem Leben im Tourzirkus werde er auch im Business die wichtigen Punkte erzielen. Sein Scheitern als Unternehmer verklärte er gern mit der Behauptung, als Grüßaugust sei er eben nicht geboren worden. Er müsse eben auch Risiken eingehen. Doch diesen Risiken standen halt nicht mehr genügend Einnahmen gegenüber, stattdessen serienweise auch unerwartete Ausgaben – Unterhaltszahlungen für Ehefrauen, Kinder.

Forderungen von beinahe 60 Millionen Euro

Beckers erster Manager Ion Tiriac schüttelte unlängst mit dem Kopf, als er auf Beckers erhebliche Schwierigkeiten und den leidigen Gerichtsprozeß blickte. Nach der bescheidenen Meinung des rumänischen Geschäftemachers, der inzwischen in seiner Heimat zum Milliardär wurde, hätte Becker einer der reichsten Sportler überhaupt werden sollen, wenn nicht müssen. Aber so sehr Becker auf dem Tennisplatz noch hellsichtig taktierte, Regeln befolgte und seine Möglichkeiten eiskalt abschätzen konnte, so sehr verlor er nach dem Abschied vom Centre Court die Kontrolle, lebte über seine neuen Verhältnisse. Immerhin häuften sich die Forderungen seiner Gäubiger auf schließlich beinahe 60 Millionen Euro an.

Das Gerichtsverfahren 2003 in Deutschland, bei dem er mit einer zweijährigen Bewährungsstrafe wegen Steuerhinterziehung noch gerade der Haft entkam, hätte ein Warnschuß für ihn sein müssen. Aber besser wurde anschließend nichts für ihn, in keiner Beziehung. Nun droht ihm die härteste Zeit seines Lebens, als Mann, dem erst einmal die Freiheit genommen worden ist.

von Jörg Allmeroth

Freitag
29.04.2022, 18:50 Uhr
zuletzt bearbeitet: 29.04.2022, 18:40 Uhr