Challenger Marbella: Interview mit Turnierdirektor Florian Leitgeb - "Das alles mache ich zu Ehren meines Vaters"
Nach dem überraschenden Tod seines Papas Ronald sprang Florian Leitgeb kurzerhand als Turnierdirektor in Marbella ein. Im Interview mit tennisnet.com spricht der Eventmanager über das Vermächtnis seines Vaters, die Verpflichtung von Dominic Thiem und Herausforderungen im Damentennis.
von Nikolaus Fink aus Marbella
zuletzt bearbeitet:
29.03.2022, 10:47 Uhr
Herr Leitgeb, seit Donnerstag ist bekannt, dass Dominic Thiem in Marbella an den Start gehen wird. Wie waren die vergangenen Tagen nach dieser Ankündigung für Sie?
Ich muss ein bisschen ausholen. Ich habe vor drei Wochen mehr oder weniger bei null angefangen. Es gab nur ein paar E-Mails und den einen oder anderen Vertrag, den ich gefunden habe. Ich bin so schnell wie möglich hierher gereist und habe erst da mein Team kennengelernt. Das Team besteht aus vier bis fünf Leuten und ich habe zuvor - bis auf ein paar Telefonate - keinen gekannt. Erschwerend kommt hinzu, dass wir hier ein Combined Event haben. Als ich auf der Anlage war, habe ich dann den Domi gesehen und bin mit ihm ins Gespräch gekommen. Er hat gesagt, dass er ein paar Matches benötigt und überlegt, ob er hier antreten soll. Ich habe ihm dann mehr oder weniger bis zur Auslosung Zeit gegeben, weil ich mit der Wildcard sowieso warten wollte, was in Miami passiert. Ich habe dann einen Anruf von ihm bekommen und seitdem laufen die Telefone heiß. Alle sind glücklich. Für die Sponsoren ist das natürlich ein Traum. Wawrinka war schon länger im Gespräch. Im Endeffekt ist es jetzt so, dass wir beim Challenger in Marbella vier Grand Slams haben.
Wie ist die Kommunikation mit Stan Wawrinka abgelaufen?
Die Absprachen mit ihm haben zwischen Weihnachten und Neujahr begonnen. Ab da hat man mitbekommen, dass es Interesse des Wawrinka-Teams gibt. In dem Fall war es ein relativ langwieriger Prozess, weil natürlich viele Forderungen kommen, damit er hier spielt. Man darf nie vergessen, dass es für Spieler wie Thiem und Wawrinka nicht so leicht ist, einen Challenger zu spielen. Allein vom Kopf her. Wenn du so ein talentierter Spieler wie die beiden bist, spielst du mit 17 oder 18 keine Challenger mehr. Da bist du schon auf einem anderen Level. Dich dann in puncto Selbstwertgefühl und Motivation selbst dazu zu bringen, diesen Schritt zurück zu machen, ist mental extrem schwierig. Viele Spieler versuchen, sich über Wünsche dieses Selbstwertgefühl wiederzuholen. Ich denke beispielsweise an das Wohnen in einer Villa. Bei Dominic hat es das überhaupt nicht gegeben - ganz im Gegenteil. Er ist sehr dankbar dafür, dass er die Chance bekommt, hier zu spielen. Er hat keine übermäßigen Forderungen gestellt und wollte sogar im offiziellen Hotel wohnen. Da habe ich dann gesagt, dass ich das nicht möchte. Denn Dominic ist der Star des Turniers und so muss man Stars auch behandeln. Er war aber nie herabschauend und hat nie Extrawünsche eingefordert.
Was bedeutet Ihnen der Umstand, dass zwei Topstars der Szene hier aufschlagen?
Für mich wäre einer schon unglaublich gewesen. Wir haben zwar auch das ATP-250-Turnier in Lyon, aber ich komme von den Challengern. Ich habe im vergangenen Jahr das Challenger-Turnier in Tulln gemacht und werde das auch heuer wieder machen. Im Mai findet dann auch ein Challenger in Mauthausen statt. Es ist undenkbar, dass einer aus dieser Kategorie dort spielen würde. Es sagt viel darüber aus, wie sehr das auch die Spieler bewegt hat, was mein Papa hier aufgebaut hat. Im Vorjahr hat er sogar ein 250er-Turnier nach Marbella gebracht. Es hat schon einen Grund, warum die Spieler hierher kommen.
Jeder Tennisfan in Österreich weiß, wie mein Vater an Dinge herangegangen ist.
Florian Leitgeb über die Arbeitseinstellung seines Papas.
Gibt es Bestrebungen, wieder eine 250er-Lizenz zu erwerben?
Ehrlicherweise habe ich darüber noch keine Sekunde nachgedacht, was nach dem Turnier hier passiert. Das ist zeittechnisch nicht möglich. Wir stehen alle in der Früh auf und arbeiten bis tief in die Nacht für den nächsten Tag. Jetzt rollt der Zug eh schon halbwegs, aber bis der ins Rollen gekommen ist, war das eine große Aufgabe.
Welche zusätzlichen Herausforderungen gibt es dadurch, dass in Marbella ein Combined Event stattfindet?
Der Hauptpunkt ist, dass wir unfassbar viele Plätze brauchen. Jeder Matchcourt ist mit Kosten verbunden. Man muss Werbung platzieren, man benötigt mehr Schiedsrichter, zusätzliche Ballkinder und so weiter. Wir sind hier in einem unfassbar schönen und großen Club, aber man ist immer beschränkt. Wir sind nicht die French Open und haben daher nicht 20 Matchcourts und eigene Trainingsplätze. Die Räumlichkeiten sind ein weiterer Punkt. Man braucht alles doppelt. Normalerweise hat man zwei ATP-Physios, jetzt hat man zwei ATP-Physios und zwei WTA-Physios. Sie können natürlich nicht gemeinsam arbeiten und so potenziert sich das alles. Das größte Problem, das es zu lösen galt, war aber der Platzmangel.
Welche Lösung haben Sie dafür gefunden?
Wir haben geschaut, dass wir jeden Raum im Club und im Umfeld irgendwie nutzen. Unsere Büros liegen gar nicht mehr direkt im Tennisclub. So hat jeder Arzt, jeder Physio und jeder Masseur seinen Platz auf der Anlage. Denn sie sind sehr wichtig für die Spieler. Am Ende des Tages sind Probleme nur so lange Probleme, bis man sie gelöst hat. Wenn das erledigt ist, kann man eh darüber lachen.
Ihr Arbeitsalltag hört sich durchaus anstrengend an. Was ist der Grund, warum Sie all das auf sich nehmen?
Das ist in einem Satz beantwortet: Das alles mache ich zu Ehren meines Vaters. Ich will dieses Turnier so gut wie möglich über die Bühne bringen. Jeder Tennisfan in Österreich weiß, wie mein Vater an Dinge herangegangen ist und wie er angepackt hat. Er hat keine halben Sachen gemacht und ihm zu Ehren geben wir alle unser Bestes, damit wir ein super Turnier haben.
Dementsprechend war für Sie sofort klar, dass Sie das Turnier übernehmen?
Ja. Für mich war das nie eine Frage. Es war von Anfang an klar, dass das Turnier weitergehen muss und auch soll. Wir planen auch, das Turnier in Zukunft weiterzuführen.
Welchen Stellenwert nimmt der günstige Termin aus Ihrer Sicht ein?
Das Wichtigste bei einem kleinen Turnier ist immer der Termin. Man muss schauen, dass man die Chance hat, gute Spieler zu verpflichten. In der zweiten Woche eines Grand-Slam-Turniers und eines 1000ers ist das immer gegeben. Das war auch immer die Überlegung meines Vaters. Denn es bringt nichts, in Marbella einen Challenger in der ersten Woche der French Open zu machen. Da hat jeder gute Sandplatzspieler etwas anderes zu tun. Der Termin ist daher sehr gut durchdacht - auch in Bezug auf das Starterfeld. Spieler wie Dominic Thiem, Stan Wawrinka und Philipp Kohlschreiber sind froh, ein paar Matches in den Beinen zu haben, bevor die Sandplatzsaison dann so richtig losgeht.
Wie sehen Ihre Tipps für den Turniersieg aus?
Emotional wäre es für mich unfassbar, wenn Dominic hier gewinnt. Er hat seinen ersten ATP-Titel in Nizza unter unserer Lizenz gewonnen und daher wäre es hochemotional für mich, wenn er - auch nachdem, was mit meinem Papa passiert ist - hier ebenfalls triumphieren würde. Das wäre natürlich unfassbar. Es wird aber sicher nicht leicht für ihn, weil er ja doch schon lange kein Match mehr gespielt hat. Es ist immer schwierig, sich mental diesem Druck hinzugeben. Ich glaube aber nicht, dass er damit ein Problem haben wird. Darum bleibe ich auch aus sportlicher Sicht bei Dominic.
Und bei den Damen?
Damentennis ist für mich etwas ganz Besonderes, weil ich absolut keine Ahnung davon habe und es für mich unberechenbar ist. Das beste Beispiel hierfür ist der Rücktritt von Ashleigh Barty. Ich weiß nicht, ob es das bei den Herren schon einmal gegeben hat, dass eine so junge Nummer eins die Karriere beendet. Für mich ist das auch aus WTA-Sicht ein bisschen schwierig, weil imagetechnisch ein Loch bleibt. Die Leute denken sich vielleicht, was es da hat. Lustig würde ich es finden, wenn Kiki Mladenovic gewinnt. Da könnten wir ein Champions Dinner organisieren (lacht). Im Ernst: Ich habe gerade ein paar Punkte von Frau Schmiedlova gesehen ... Das könnte ein heißer Tipp sein.
Djokovic, Nadal, Federer und auch Murray sind natürlich viel einfacher zu vermarkten.
Florian Leitgeb über Herausforderungen im Damentennis.
Während es bei den Herren mit Djokovic, Nadal und Federer bei den Grand Slams in den vergangenen Jahren oft die gleichen Sieger gab, fehlte bei vielen Frauen ein wenig die Konstanz. Wie sehen Sie die Entwicklung des Damentennis?
Djokovic, Nadal, Federer und auch Murray sind natürlich viel einfacher zu vermarkten. Man hat die vergangenen 15 Jahre über sie gesprochen und kann das natürlich ganz anders vermarkten, als wenn es alle drei Wochen eine neue Nummer eins gibt. Diese Konstanz gab es bei den Damen eine Zeit lang mit den Williams-Schwestern. Aktuell vermisse ich diese Konstanz ein bisschen. Ich wünsche mir zwar nicht, dass es in den nächsten zehn Jahren die gleiche Nummer eins der Welt gibt, aber etwas Konstanz, dass bei jedem Grand Slam mit den gleichen zwei, drei oder vier Damen zu rechnen ist, wäre schön Das sehe ich nicht. Ich möchte nicht sagen, dass das ein Problem für die Spielerinnen ist. Ich glaube überhaupt nicht, dass es fehlende Vorbilder gibt, aber aus vermarktungstechnischer Sicht ist es leichter, drei oder vier Spieler zu haben, die sich das ganz oben ausmachen. Ob es für die Zuschauer spannender ist, am Montag überhaupt keinen Plan zu haben, wer das gewinnen könnte, ist ein anderer Aspekt, der vielleicht positiv zu erwähnen ist.
Ich möchte mit Ihnen noch kurz einen Blick auf das Challenger-Turnier in Mauthausen werfen. Was dürfen sich die österreichischen Tennisfans erwarten?
Über das Starterfeld kann ich aktuell noch nicht viel sagen, weil da noch alles offen ist. Es ist aber wirklich beeindruckend, was die handelnden Personen in puncto Infrastruktur dort geschaffen haben. Es gibt ein super Gym, Phsysioräume, eine tolle Hardcourthalle, die Plätze draußen sind perfekt. Wir haben auch eine schöne VIP-Terrasse. Man sollte hinkommen und sich das anschauen!
Jurij Rodionov hat am Sonntag in Biel einen Challenger-Titel geholt. Ist mit seinem Antreten zu rechnen?
Ich hoffe es. Ich würde mich natürlich über alle Österreicher freuen. Das war auch die Intention, diesen Challenger zu machen. Als Jürgen (Melzer, Anm.) Sportdirektor geworden ist, haben wir uns irgendwann zusammengesetzt und uns angesehen, was in Italien los ist. In Italien kann man als junger Spieler über drei Monate hinweg in jeder Woche einen Challenger spielen. Die müssen nicht nach Südkorea oder so fliegen, sondern können alle zuhause bleiben. Als Jürgen Sportdirektor geworden ist, gab es in Österreich keinen Challenger. Deswegen hoffen wir auf all unsere Österreicher, damit sie sie auch zuhause präsentieren können. In Wien und Kitzbühel gibt es natürlich ein anderes Teilnehmerfeld und es ist daher viel schwieriger, Punkte zu holen.