Christopher Kas im Interview: „Justin Engel ist ready für die ATP-Tour“

Christopher Kas wird sich in der kommenden Saison als Coach um den Polen Kamil Majchrzak kümmern. Im Interview mit tennisnet streift der Ex-Profi aber auch andere aktuelle Aspekte.

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 12.12.2024, 17:27 Uhr

Christopher Kas zeigt sich für das deutsche Tennis optimistisch
© Jürgen Hasenkopf
Christopher Kas zeigt sich für das deutsche Tennis optimistisch

Tennisnet: Herr Kas. Allerorten finden Schaukämpfe statt, die Frauen spielt gerade ein 125er-Turnier in Limoges. Gibt es denn für einen Tenniscoach wenigstens so etwas wie eine Off-Season?

Christopher Kas: Für mich ist dieses Jahr der Dezember in der Tat ein etwas ruhigerer Monat. Ich war ein paar Tage in Warschau, weil mein Spieler Kamil Majchzrak dort trainiert. Das teile ich mir mit dem polnischen Trainer Maciej Domka. Die beiden machen die Pre-Season gemeinsam, da war es wichtig, auch für mal dabei zu sein, gute Absprachen zu finden, ich mit mit Maciej und Kamil auszutauschen. Damit wir beim United Cup und bei den Australian Open, wo ich ihn unterstützen werde, einen perfekten Start hinlegen können.

Tennisnet: Was bringt der United Cup Spielern wie Kamil Majchrzak, was bringt er Spielern wie Alexander Zverev, der ja für Deutschland spielen wird?

Kas: Bei Sascha ist es ganz klar: Er ist im letzten Jahr mit dem United Cup rein gestartet, war da sehr erfolgreich. Er bekommt garantierte Matches, kann dort gut trainieren, kann seine Pre-Season um die Zeit des United Cups verlängern. Weil die Top-Priorität haben für einen Sascha Zverev natürlich die Australian Open. Polen wird mit Hubert Hurkacz und Iga Swiatek antreten. Kamil kommt als Nummer zwei, wird eventuell gar nicht zum Einsatz kommen, kann aber super trainieren. Durch die beiden Topspieler hat der United Cup in Polen einen hohen Stellenwert, da wollte Kamil unbedingt dabei sein.

“Aryna Sabalenka hat das dominanteste Spiel”

Tennisnet: Stichwort Iga Świątek, die im Herbst ja doch Probleme hatte. Wird Swiatek Ihrer Ansicht nach auch im kommenden Jahr wieder auf Augenhöhe mit Aryna Sabalenka mitspielen können?

Kas: Ich weiß nicht, ob Aryna Sabalenka allen Spielerinnen über eine ganze Saison einen Schritt voraus ist. Aber Fakt ist: Wenn sich alle Spielerinnen treffen und ihr bestes Tennis spielen, dann würde auf Hartplatz mit großer Wahrscheinlichkeit Aryna Sabalenka gewinnen. Sie hat das dominanteste Spiel, was sie auf sehr hohem Level mittlerweile auch stabilisieren konnte. Aber Iga Swiatek darf man nie unterschätzen, vor allem, wenn es dann in Richtung Sand geht.

Tennisnet: Nun haben Sie in den letzten Jahren mit Jule Niemeier und Noma Noha Akugue auch zwei junge deutsche Spielerinnen betreut. Ganz allgemein gefragt: Was muss ein 14-, 15-jähriges Mädchen schon mitbringen, damit sie eine realistische Chance auf eine Karriere auf der WTA-Tour hat? 

Kas: Die Spielerin benötigt eine gute technische Ausbildung, ein großes taktisches Verständnis für das Spiel. Körperlich muss zumindest gewährleistet sein, dass es gutes Entwicklungspotenzial gibt. Und dann müssen Mädchen oder Jungen in diesem Alter total Bock darauf haben, zu trainieren und das Ganze mit einer großen Neugier anzugehen.

Tennisnet: Gibt es Facetten, die nicht „erlernbar“ sind - wie zum Beispiel die Stopps von Alexander Bublik?

Kas: Natürlich kann nicht alles durch Training erlernt werden. Es müssen bestimmte Grundvoraussetzungen gegeben sein, auf denen man aufbauen kann. Wenn man ein unglaublich gutes Körpergefühl mitbringt oder das Auge für eine Spielsituation - damit lässt sich schon leichter arbeiten. Weil ansonsten könnten wir ja jeden Spieler bis auf das allerhöchste Niveau ausbilden. Und da muss man ehrlich sein: Das funktioniert nicht. 

Christopher Kas: “Ich bin ein großer Fan des College-Tennis”

Tennisnet: Die goldene Generation der deutschen Tennisspielerinnen um Angelique Kerber, Julia Görges oder Andrea Petkovic ist nun ja endgültig in der Tennisrente. Wie kann man den deutschen Tennisfans Hoffnung machen?

Kas: Wenn sich die Spielerinnen, die aktuell um die Position 100 herum stehen so wie Jule Niemeier, Eva Lys, Ella Seidel und ein bisschen dahinter Noma Noha Akugue oder Nastasja Schunk, in den nächsten 12 bis 24 Monaten so entwickeln, wie wir uns das erhoffen und wie das vom Können her möglich ist, dann haben alle das Potenzial für die Top 50. Bei Jule kann das sogar viel schneller passieren. Und wir haben bei der angesprochenen „Goldenen Generation“ ja gesehen: Wenn es eine Spielerin aus dieser Gruppe ganz nach vorne schafft und dann vielleicht eine zweite dazukommt, dann entsteht eine spezielle Dynamik. Und dann zieht man sich gegenseitig hoch. Jetzt geht es also erst einmal darum, eine Spielerin nach oben zu bekommen. Und das kann schon im nächsten Jahr Jule Niemeier sein.

Tennisnet: Der alternative Weg wäre ja der über das US-amerikanische College-System. Würden Sie das einer jungen Spielerin raten, die noch nicht ganz bereit für die WTA-Tour ist?

Kas: Das ist ein großartiger Weg. Für die Frauen und für die Männer. Aber man muss ganz genau unterscheiden: Bei einem 17-jährigen Justin Engel, wo schon so viel da ist, der so gut geführt wird, so ein gutes Team hat, der ist ready für die Profi-Tour. Das ist aber bei  vielen 17- oder 18-Jährigen noch nicht so. Und wenn man dann aufs College geht, vielleicht auch nur zwei Jahre, dort perfekte Trainingsbedingungen hat und sich schon für die Zeit nach der Karriere aufstellen kann, dann würde ich diesen Weg immer unterstützen. Ich bin ein großer Fan des College-Tennis.

von Jens Huiber

Freitag
13.12.2024, 08:05 Uhr
zuletzt bearbeitet: 12.12.2024, 17:27 Uhr