Cori Gauff in Linz - Rückkehr zur Normalität
Nach den aufregenden Wochen des Tennissommers 2019 hat die 15-jährige US-Amerikanerin Cori Gauff beim WTA-Turnier in Linz auch eines gefunden: etwas Ruhe.
von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet:
08.10.2019, 15:32 Uhr
Vpn Jörg Allmeroth aus Linz
Als Cori Gauff Anfang der Woche einmal durch die Straßen in Linz schlenderte, ist es ihr natürlich aufgefallen. Nämlich, dass sie nicht auffiel. Dass sie unerkannt blieb. Dass niemand sie um ein Autogramm bat oder ein Selfie von ihr wollte. „Es ist ziemlich ruhig gewesen“, sagt die 15-jährige Amerikanerin, die eins der prägenden Gesichter und eine der größten Aufsteigerinnen dieser Tennissaison war, „und ich muss sagen: Diese Ruhe war schön.“
Es gab auch schon ganz andere Zeiten, ganz andere Momente in diesem Jahr für Gauff, das neueste Wunderkind der Branche. Wimbledon zum Beispiel. Das Turnier der Turniere, in dem sie sich mit drei dramatischen Hauptfeld-Siegen ins globale Bewußtsein der Tennisgemeinde katapultierte und auf einmal so groß wirkte wie sonst nur die ganz Großen der Szene, wie Federer oder Serena Williams. „Ich habe es genossen, aber es wurde dann auch sehr anstrengend“, sagt Gauff, „wenn man siegt, denkt man über vieles nicht nach.“ Auch nicht über die Anstrengungen, die der plötzliche Ruhm und die Bekanntheit auslösen. Die Nummer 313 der Rangliste war sie, als sie in Wimbledon ankam, noch als Qualifikantin. Als sie abreiste, rangierte sie gefühlt in den Top Ten. Und konnte kaum noch unerkannt ein paar Schritte vor die Tür gehen.
Serena Williams´ Karriere-Ende zeichnet sich ab
Gauff ist gerade in Amerika zu einer Heilsbringerin für die Tennislandschaft geworden, nicht zuletzt, weil sich das Ende der überragenden Karriere von Serena Williams abzeichnet. Bei den US Open war das alles sehr sichtbar, die Euphorie rund um die 15-jährige Teenagerin nahm verrückte Formen an. „Cocomania“, diagnostizierte die „Süddeutsche Zeitung“ zurecht, es ging so weit, dass auf einmal Doppelmatches mit Gauff interessanter wurden als Einzelmatches von Williams oder Federer. „Vier mal höhere Einschaltquoten“ als mit den angestammten Superstars hätten die US-Networks mit Gauff erzielt, teilte TV-Plaudertasche John McEnroe unlängst noch einmal mit.
Ein paar Wochen später, im europäischen Herbst, lässt die Sensationsdarstellerin dieses Sommers die Serie 2019 nun eher ruhig auspendeln. Linz und Luxemburg, ihre beiden Spielorte – sie bedeuten auch die Rückkehr zu einer gewissen Normalität. Weil Gauff wegen Altersbeschränkungen keine Wild Cards mehr beanspruchen kann, muss sie durch die Qualifikationswettbewerbe. Sonderrechte gibt es nicht. In den Mühen des Alltags, am Ende einer strapaziösen Saison, geht es Gauff nicht anders als vielen anderen, meist erfahreneren Kolleginnen. Es fällt schwer, noch einmal unbedingte Motivation und kämpferischen Einsatz in jedem Ballwechsel zu zeigen. Ein paar Tränen der Enttäuschung flossen zunächst, als die Teenagerin am Montag in der finalen Qualifikationsrunde an der Hamburgerin Tamara Korpatsch scheiterte, mit 4:6 und 2:6. Aber vielleicht war es dann doch das Glück der Tüchtigen, dass sie tags darauf noch im Hauptfeld landete, als Lucky Loserin nach der Absage der Griechin Maria Sakkari. „Es ist insgesamt schwer, mental und physisch, in dieser Zeit der Saison“, sagt Gauff. Es sind Aussagen, die man in diesen Wochen von nahezu jeder Spielerin hört. Auf der Zielgeraden des Tennisjahres.
Cori Gauff ist ihrer Zeit voraus
Die Saison sei ein „Durchbruch“ gewesen, sagt Gauff, „ich bin schon ziemlich weit gekommen. Viel weiter, als ich mir zu träumen gewagt hätte.“ Wer mit Gauff redet, kann eigentlich kaum glauben, dass sie gerade 15 Jahre jung ist. Sie wirkt reifer, abgeklärter, routinierter als andere aus ihrer „Next Generation.“ Die Schweizerin Belinda Bencic, auch eine Spielerin, die früh mit hohen Erwartungen und einem gewissen Medienhype konfrontiert war („Die zweite Miss Swiss“), sagt, Gauff sei „ihrer Zeit weit voraus“.
Gauff wird 2020 mehr Turniere spielen können. Sie fühlt sich bereit dafür, auch weil sie den hohen Erwartungen in Amerika und im Rest der Tenniswelt mit einer gewissen Gelassenheit begegnet: „Ich muss den Weg nach oben ruhig gehen. Schritt für Schritt“, sagt Gauff, „es ist schön, dass viele an mich glauben. Aber deswegen werde ich nicht verrückt spielen.“ In Linz spielt Gauff jetzt noch im Doppel, danach geht es zum Wettbewerb nach Luxemburg. Dann ist die Saison vorbei. Eine Saison, die in einigen denkwürdigen Momenten auch von ihr mitbestimmt wurde, von dem wundersamen Mädchen aus Florida.