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David Haggertys Wiederwahl - oder: Krösus wichtiger als Kompetenz und Klasse

Die Wiederwahl von David Haggerty als ITF-Präsident fiel klar aus - und lässt einige Fragen offen. Ein Kommentar von Jörg Allmeroth.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 29.09.2019, 12:24 Uhr

© getty
David Haggerty

Es ist ja noch gar nicht lange her, dass sich im Genfer Expo-Territorium die Kräfteverhältnisse im Herrentennis zeigten. Beim Laver Cup, dem Schaukampf zwischen Team Europa und Team Welt, triumphierte bei der dritten Auflage zum dritten Mal das Team aus Europa. Es ging spannender zu als erwartet, oder soll man sagen: als eigentlich möglich. Jedenfalls stellte den europäischen Sieg erst im letzten Einzel der Deutsche Alexander Zverev sicher.

Schaut man auf die Ranglisten der Damen und Herren, sind europäische Akteure in einer dominierenden Rolle. Die Großen Drei im Herrentennis kommen alle aus Europa, zwei weitere der wenigen Grand-Slam-Champions dieser Ära jenseits von Federer, Nadal und Djokovic sind auch Europäer – Andy Murray und Stan Wawrinka. Unter den aktuellen Top Ten findet sich nur ein außereuropäischer Spieler, Kei Nishikori auf Platz 9. Bei den Damen ist das Bild etwas vielfältiger, die Nummer 1 in einer wilden Achterbahnfahrt der Aufs und Abs ist gerade die Australierin Ashleigh Barty, auch Naomi Osaka, Bianca Andreescu und Serena Williams kommen als Top Ten-Größen nicht aus Europa.

Warum bekam Dave Miley nicht mehr Stimmen?

Wieso der Blick auf diese Kräfteverteilung? Nun, bei der Generalversammlung der ITF in Lissabon erhielten die beiden europäischen Kandidaten, die sich zur Wahl des Chefpostens aufstellten, gerade mal klägliche 76 Stimmen zusammen. Dave Miley, der Ire, 46. Und Ivo Kaderka, der Tscheche, gar nur 30. Der Kontinent, der das Tennisgeschehen mit der überwiegenden Zahl von Topturnieren und Topprofis beherrscht, schnitt bei diesem Votum katastrophal ab, bot ein Bild der großen Uneinigkeit. Natürlich könnte man argumentieren, dass eigentlich über Kompetenz und persönliche Klasse abgestimmt werden sollte, also einfach für den besten Kandidaten.

Doch auf den Mann, der sich im ersten Wahlgang durchsetzte, auf den Amerikaner David Haggerty, trafen diese Kriterien gewiss nicht zu. Er war und ist ganz einfach ein marktschreierischer Verkäufer, ein gelernter Marketing-Mann, der viel verspricht, vor allem großen Geldsegen – und der gern mal Tennistraditionen über den Haufen wirft. Geradezu bedrückend wirkte, dass der in Fachkreisen geschätzte Miley trotz eines strapaziösen und engagierten Wahlkampfs, der ihn 100.000 Dollar aus eigener Tasche kostete, so wenige Stimmen auf sich vereinigte – offenbar nicht mal die Stimmen aus vielen europäischen Ländern, die klammheimlich mit ihm sympathisierten. Besonders bizarr agierte dabei die britische LTA, die zwar außergewöhnlich heftig den ITF-Führungsstil und manche Entscheidungen der letzten Monate kritisierte, ihre zwölf Stimmen aber dennoch Haggerty zuschanzte.

Zweifel am neuen Davis Cup bleiben

Die ITF unter Haggerty hat wahrlich kein gutes Bild abgegeben in den letzten Monaten, wenn nicht Jahren. Womöglich werden sich der Weltverband und seine Alliierten im November über eine irgendwie geglückte Premiere ihres Davis-Cup-Turniers freuen, aber über Wohl und Wehe des Projekts entscheiden andere Dinge – vor allem der finanzielle Erfolg. Die regelmäßigen Auszahlungen aus dem Drei-Milliarden-Dollar-Topf, den der 25-Jahres-Deal zwischen ITF und dem Konsortium Kosmos beinhaltet. Und da schauen manche Experten schon jetzt etwas besorgt drein, denn die großen TV-Networks und große internationale Konzerne haben bisher wenig Interesse an dem Event gezeigt.

Neben der Wahl des Präsidenten gab es auch beim Votum für das sogenannte Board of Directors der ITF einige bemerkenswerte Auffälligkeiten: Die meisten Stimmen erhielt hier der durchaus skandalerprobte kasachische Milliardär Burat Urematov, als einer der Kandidaten mit den meisten Stimmen ging auch der Franzose Bernard Guidicelli über die Ziellinie. Guidicelli, war da nicht was? Genau, der bullige Gallier hatte noch vor einem Jahr die ITF vor den Schiedsgerichtshof CAS gezerrt, weil sie ihn wegen eines Gerichtsurteils in seiner Heimat (er war wegen Verleumdung bestraft worden) aus ihren Führungsgremien befördert hatte. Guidicelli bekam recht, die Sanktion wurde für unrechtmäßig erklärt. Und nun mischt der Franzose wieder mit, der Mann, der als Strippenzieher mitgeholfen hatte, den Davis Cup umzukrempeln.

Keine schöne Umgebung für Ulrich Klaus

Mit dabei im Board of Directors ist auch der Brite Martin Corrie – eine besonders befremdliche Besetzung. Gerade eben erst war Corrie von seinem Amt als LTA-Präsident zurückgetreten, weil er einen Missbrauchsfall auf regionaler Ebene zu Beginn des Jahrhunderts nicht mit der gebotenen Ernsthaftigkeit und Handlungsstärke behandelt hatte. Aber dieses Eingeständnis von Mitschuld disqualifizierte ihn keineswegs, wieder für den ITF-Posten nominiert und dann auch gewählt zu werden. Keine schöne Umgebung für den Deutschen Ulrich Klaus, der erstmals in die erweiterte Exekutive aufrückte.

Immerhin: Dass Handlungen auch Konsequenzen haben, zeigte sich wenigstens an einer Person. Der Däne Thomas Konigsfeldt, maßgeblich an der ursprünglichen und völlig missglückten Transition Tour der ITF beteiligt, scheiterte bei der Wahl in das Board of Directors. Wahrscheinlich brauchten die Delegierten auch einen Sündenbock, wenigstens einen.

von Jörg Allmeroth

Sonntag
29.09.2019, 13:20 Uhr
zuletzt bearbeitet: 29.09.2019, 12:24 Uhr