Am falschen Ende des Davis-Cup-Spielfilms
Selten waren die Vorzeichen besser für einen Viertelfinal-Einzug der deutschen Davis-Cup-Mannschaft als an diesem Wochenende in Frankfurt. Das Fazit nach der Niederlage gegen ersatzgeschwächte Belgier fällt umso ernüchternder aus. Ein Kommentar von Jörg Allmeroth.
von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet:
05.02.2017, 17:53 Uhr
Als Philipp Kohlschreiber am Freitag das Auftakteinzel der Davis-Cup-Partie gegen Belgiens Steve Darcis verlor, hat man das noch für einen ärgerlichen, aber verschmerzbaren Betriebsunfall gehalten. Doch es war, wie sich nun herausgestellt hat, der Anfang einer Serie von Fehlleistungen, die letztlich zu einem gallenbitteren Ende führten.
Zum völlig unvermuteten Erstrunden-Knockout gegen ein ersatzgeschwächtes Belgien, das in personeller Not - ohne seinen Star David Goffin - indes maximal über sich hinaus wuchs und ins Viertelfinale vorpreschte. Was zum ersten lapidaren Fazit führt: Die Deutschen machten an den drei Spieltagen immer wieder das Mögliche unmöglich, die Belgier dagegen das Unmögliche möglich.
Keine Frage: Diese Niederlage gehört zum Schmerzlichsten, was den deutschen Tennis-Herren in jüngerer Vergangenheit passiert ist - und das will leider etwas heißen.
Ein sportlicher Scherbenhaufen
In diesem Fall geht es aber nicht um die leidigen Aufführungen im früher sattsam bekannten Intrigantenstadl, um strittige Personalien im Team oder bei der Besetzung des Kapitäns, auch nicht um die Wahl des Bodenbelags. Es geht um einen sportlichen Scherbenhaufen, der vor allen Beteiligten liegt - ausgerechnet in einem Moment, wo sich das Publikum und die Medien wieder dem deutschen Herrentennis zugewandt hatten.
Wo eine große Erwartungshaltung durch große Leistungen wie zuletzt in Australien geweckt war. Aber nun sind die Träume einer schnelleren deutschen Davis Cup-Renaissance jäh zerstört worden, mitten hinein in die zarte Aufbruchstimmung platzte das Scheitern gegen Belgiens halbe B-Auswahl. Was für die Deutschen folgt, wieder einmal, ist ein kniffliges Relegations-Match gegen den Abstieg aus der Weltgruppe.
In einer Reihe mit Federer
Zumindest diese Davis Cup-Partie in Frankfurt hat auch fortgesetzt, was die Tennisfreunde in Melbourne jüngst bei den Australian Open erlebt haben: Ein Spektakel mit Menschen, Spielen, Sensationen. Der belgische Sieg gegen einen klammheimlich als Final- oder gar Pokalkandidaten gehandelten Gegner aus Deutschland kann es durchaus mit dem Federer-Coup von Melbourne aufnehmen.
Er hat auch gezeigt, was ein bedingungslos an seine Außenseiterchance glaubendes Team mit feurigem Ehrgeiz vollbringen kann - ein Team mit Spielern, deren Namen selbst Experten nicht zwingend geläufig gewesen sind. So wie Ruben Bemelmans und Joris De Loore, die am Samstag als Nummer 329 und Nummer 528 der Weltrangliste die Zverev-Brüder im Doppel besiegten.
Niederlage spiegelt Potenzial nicht wider
Die Deutschen waren am falschen Ende eines eigentlich erfrischenden Spielfilms im Davis Cup, diesem Wettbewerb, der für die Tenniswelt in gewissser Weise das ist, was im Fußball der Pokal bedeutet. Ein Raum für verrückte Abenteuer, für unerwartete Drehungen und Wendungen, für sagenhafte David gegen Goliath-Stories.
Auch die Deutschen waren schon einmal Teil dieser Mythen, etwa bei ihrem ersten Sieg vor 29 Jahren in Göteborg. Aber schon seit längerer Zeit sind sie nicht mehr für Verblüffung zuständig, meist spielte sich ihr Dasein in einer Fahrstuhlexistenz zwischen Erster und Zweiter Liga ab.
In den letzten Jahren musste fast immer ein Relegationsmatch herhalten, um den Verbleib in der Weltgruppe abzusichern. Das entsprach allerdings auch dem Zustand und dem internationalen Wert des deutschen Herrentennis. Die Niederlage gegen Belgien spiegelt allerdings ganz und gar nicht das gegenwärtige, das neue Potenzial der besten Deutschen wider, sie tut deshalb erst recht weh.