Nadal vor historischem Titel?
Der Spanier kann die French Open zum siebten Mal gewinnen.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
28.05.2012, 11:51 Uhr

Von Jörg Allmeroth aus Paris
AlsRafael Nadalvor gut einer Woche im Masters-Finale von Rom den Weltranglisten-ErstenNovak Djokovicschlug, hat der frühere Branchenführer Mats Wilander einen ganz besonderen Gesichtsausdruck bei dem spanischen Matador entdeckt: „Er hat die ganze Zeit so geschaut, als wollte er sagen: Ich zeige es Euch allen“, sagt der Schwede, „er wirkte wie auf einem Rachefeldzug.“
Nadal stapelt tief
Ob nun wirklich Rache ins Gefühlsmuster des mallorquinischen Muskelprotzes passt, ist eher fraglich. Aber umso klarer ist, dass der 26-jährige Meisterspieler im Countdown zu den French Open jedem im Wanderzirkus gezeigt hat, wer noch immer der wahre Sandplatz-König ist. Und wer im Stadion Roland Garros, im Westen der französischen Kapitale, zu schlagen ist für den Titel des Internationalen Französischen Meister des Jahres 2012. Siege bei den Masters-Turnieren in Monte Carlo und in Rom, ein Erfolg beim Wettbewerb in Barcelona, nur ein kleiner, fast gewollter Ausrutscher bei den dubiosen Madrider Masters-Festspielen von Ion Tiriac auf blauem Sand – anders als im letzten Jahr, in dem er ohne großen Titel nach Paris reiste, war es nun eine fabelhafte Empfehlung für die Rekordmission, die Nadal an diesem Dienstag gegen den ItalienerSimone Bolellibeginnt.
Nichts weniger als ein Anlauf ist es, die Geschichtsbücher des Tennis eindrucksvoll umzuschreiben: Denn mit gerade einmal 26 Jahren könnte Nadal sich als erster Spieler in den Chroniken verewigen, der sieben Mal das härteste, herausforderungsreichste Turnier der Welt gewonnen hätte – noch vor Björn Borg, mit dem er derzeit gleichauf in der Bestenliste liegt, mit jeweils sechs Titeln. „Ich bin mit gutem Selbstbewusstsein nach Paris gekommen, ich habe sicher meine Chancen“, sagte Nadal am Wochenende zu seinen Turnieraussichten, dabei wie gewohnt ein Weltmeister der Beschwichtigung und Bescheidenheit.
45 Siege in 46 Spielen
Dabei ist Nadal ein so haushoher Siegkandidat, dass es sich für Zockernaturen und Gelegenheitswetter überhaupt nicht lohnt, auf ihn als Paris-König zu setzen. Dazu war der Champion in den Jahren seiner Herrschaftsperiode einfach zu dominant, zu überlegen, zu siegverbissen, um relevante Zweifel zuzulassen. 45 Siege in 46 Spielen seit dem erfolgreichen Debüt im Jahr 2005 sprechen eine Sprache, die jeder versteht in der Szene. Nur ein einziges Mal, im Jahr 2009, als er verletzt ins Turnier gegangen war, stemmte er schließlich nicht den Silberpokal auf dem Court Central in die Höhe – damals verlor er im Achtelfinale gegen den SchwedenRobin Söderling.„Nadal ist im Sandplatztennis das Maß der Dinge. Der beste Spieler, den es auf diesem Belag je gab“, sagt Borg, der Spieler, der einst elegant und stilvoll die Geduldsübungen im roten Sand beherrschte.
Die Spieler seiner Zeit haben sich an Nadal allesamt die Zähne ausgebissen, auch und vor allemRoger Federer,der Schweizer Maestro. Noch kein Spiel hat Federer in Paris gegen den Spanier gewonnen, und in manch stiller Stunde wird sich der Eidgenosse schon gefragt haben, wo seine Grand-Slam-Titelbilanz ohne Nadal stünde – ohne den Gladiator, dem er in vier French-Open-Finals und einem Halbfinale unterlag. Nun kann Nadal aber vor allem einem Mann den Spaß verderben: nämlich Novak Djokovic, der Nummer eins der Welt. Der Serbe könnte als erster Spieler im modernen Tennis alle vier Titel gleichzeitig in seinem Besitz halten, wenn er am übernächsten Sonntag das Finale gewinnt. Das große Wenn und Aber in diesem Gedankenspiel heißt freilich – Rafael Nadal.(Foto: GEPA pictures)