Rafael Nadals einmalige Dominanz bei den French Open: Der Sonnenkönig von Paris
Wer, wenn nicht Rafael Nadal soll den Titel bei den French Open 2018 holen? Nach den Erkenntnissen der bisherigen Sandplatzsaison wäre alles andere als ein Erfolg des Spaniers eine Sensation.
von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet:
25.05.2018, 11:40 Uhr
Für Zocker spielt der Mann keine Rolle, der Roland Garros seit mehr als einem Jahrzehnt wie ein Sonnenkönig beherrscht. Mit Rafael Nadal (31) ist am Wettschalter kein Staat und Geld zu machen, wer naheliegend auf ihn, den zehnmaligen French Open-Triumphator setzt, kriegt derzeit nicht mal die Hälfte seines Einsatzes als Gewinn zurück. Nadals Quote steht bei 1:1,4 Euro, dann folgt mit gemessenem Abstand Deutschlands Ass Alexander Zverev (1:8) - und dann noch der dynamische Österreicher Dominic Thiem (1:10).
Dass die Nummer zwei und Nummer drei unter den Buchmacher-Favoriten schon diese verlockenden Quoten erhalten, zeigt, wie überragend die Position des bulligen Mallorquiners eingeschätzt wird. Um im Bild des Sonnenkönigs zu bleiben: Nadal steht für Absolutismus im Sand von Paris. Die French Open - das ist er, der Matador, der glühende Fighter. Der Mann, der 79 seiner 81 Partien im Westen der französischen Kapitale gewonnen hat. Der keineswegs altersmüde Straßenkämpfer, der voriges Jahr sogar ohne Satzgewinn zum mythischen zehnten Titel rauschte.
Rafael Nadal 2005 gegen Lars Burgsmüller
"Paris war immer gut zu mir. Es ist ein besonderer Schauplatz. Ein Ort wie kein zweiter für mich", sagt Nadal. Kein Spieler in der Tennisgeschichte hat bei einem Grand-Slam-Turnier eine vergleichbare Dominanz ausgeübt wie Nadal in Paris. Mit dem Deutschen Lars Burgsmüller begann sein fast ungehinderter Triumphzug, in der ersten Runde der Französischen Meisterschaften 2005. Nadal kam, sah und siegte damals, als 17-jähriger Teenager.
Und er siegte immer weiter, gegen alle Großen und Starken, unbarmherzig auch gegen Roger Federer, den er zwischen 2006 und 2008 drei Mal hintereinander in den Endspielen distanzierte. Ein unwahrscheinlicher Bezwinger kam 2009, der Schwede Robin Söderling im Achtelfinale, es ist bis heute der einzige Ausrutscher des Stierkämpfers Nadal, den sie in Paris auch etwas despektierlich den "Kannibalen" nennen. Ein Jahr nach dem erstaunlichen Knockout nahm Nadal Revanche, er bezwang Söderling im Finale, und die nächste Siegesserie begann.
Oft verletzt, in Paris aber ein Gigant
Oft war Nadal in den späten Jahren seiner Karriere verletzt, saß an der Seitenlinie, aber in Paris blieb er ein Gigant, eine überlebensgroße Erscheinung - nur Novak Djokovic besiegte ihn noch einmal, im Juni 2016. Der Rest: Siege, Siege, Siege von Nadal. "Es ist ein Bild voll Perfektion, die Jahre von Nadal in Paris", sagt Yannick Noah, der letzte Franzose, der vor 35 Jahren beim Heimspiel unterm Eiffelturm den Pokal in den Händen hielt.
Zehnmal hat sich das Rätselspiel in Paris, wer von 128 Profis den Höhepunkt der zermürbenden Sandplatzsaison gewinnt, in der Person Nadals aufgelöst. "Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass gerade bei diesem Turnier ein Spieler so oft gewinnen kann", sagt der große alte Australier Rod Laver.
Tatsächlich galten Björn Borgs sechs Siege in den 70er und 80er Jahren lange als unüberwindliche Marke, doch Nadal radierte diesen Rekord für die Profiära scheinbar nach Belieben aus, 2019 könnte er sogar ein Dutzend Paris-Titel auf seinem Konto haben. Schon "La Decima", die zehn Triumphe, waren eine magische Errungenschaft, zumal mit dem Durchmarsch des letzten Jahres ohne Satzverlust. Denkwürdig beschloß der Matador im Finale 2017 seine Kampagne, gegen den damaligen Weltranglisten-Dritten Stan Wawrinka schrieb Nadal eine 6:2, 6:3, 6:1-Deklassierung in die "terre battue" fest, in die rote Ziegelmehlasche.
Eigenes Racket für den elften Titel
Jetzt tritt Nadal sogar mit einem eigens von seinem Schlägerhersteller Babolat aufgelegten "La Decima"-Racket an, um sich Pokal Nummer elf für den Trophäenschrank in seiner mallorquinischen Akademie abzuholen. Und wer will, wer kann ihn überhaupt verhindern, den Alleingang von Nadal, das Solo für den "Stier von Manacor"? Nadal würde diese rhetorisch gemeinte Frage ernst beantworten, er ist schließlich bekannt als Weltmeister der Vorsicht, des Understatements. "Ich habe Respekt vor jedem Gegner. Wenn ich nicht wachsam und konzentriert bin, ist alles schnell vorbei für mich", sagt Nadal.
Nur einer hat ihn in der Sandplatzsaison schlagen können, der Österreicher Dominic Thiem in Madrid. Aber als Thiem den Spanier letztes Jahr einmal hoffnungsfroh im Halbfinale von Roland Garros herausforderte, erlebten die Fans Einbahnstraßen-Tennis. Über drei Gewinnsätze, auf diesem Centre Court, ist die Aufgabe gegen Nadal eben noch einmal ums Vielfache vergrößert.
Denn Nadal scheint für jede und in jeder French Open-Lebenslage gerüstet, er siegt im trüben Regenwetter, wenn die Bälle und der Platz schwer sind. Und auch, wenn es heiß ist, wenn er seine unwiderstehlichen Spinbälle abschießt, mit einem Drall, an dem Generationen von Gegnern verzweifelten.
Nadal strafte wieder alle Zweifler Lügen
Nadal geht als Nummer eins der Weltrangliste und der Setzliste in die Grand Slam-Festivitäten. Das hatten ihm viele nicht zugetraut, als die Sandplatzsaison begann. Nadal wird gern mit Zweifeln belegt, mit Vermutungen, er könne diese Dominanz nicht aufrechterhalten. Wieder strafte er alle Lügen.
Nun geht es los mit der nächsten Titeljagd, mit dem wichtigsten Turnier des Jahres für ihn. "Es wäre ein Traum, zu gewinnen", sagt er. Ein Traum, den er nicht müde wird zu träumen. Alle Jahre wieder.
Rafael Nadals Siege bei den French Open
Jahr | Finalgegner | Ergebnis |
2005 | Mariano Puerta | 1:6, 6:3, 6:1, 7:5 |
2006 | Roger Federer | 1:6, 6:1, 6:4, 7:6 |
2007 | Roger Federer | 6:3, 4:6, 6:3, 6:4 |
2008 | Roger Federer | 6:1, 6:3, 6:0 |
2010 | Robin Söderling | 6:4, 6:2, 6:4 |
2011 | Roger Federer | 7:5, 7:6, 5:7, 6:1 |
2012 | Novak Djokovic | 6:4, 6:3, 2:6, 7:5 |
2013 | David Ferrer | 6:3, 6:2, 6:3 |
2014 | Novak Djokovic | 3:6, 7:5, 6:2, 6:4 |
2017 | Stan Wawrinka | 6:2, 6:3, 6:1 |