Die größten Siege und Niederlagen des Rafael Nadal

Jede Karriere hat seine Hoch- und Tiefpunkte. Heute blicke ich auf die des Rafael Nadal. Kommt mit, schmeißt mit mir die Zeitmaschine an und lasst uns gemeinsam unvergessliche Momente durchleben, die Tennis-Geschichte geschrieben haben – gefolgt von einem persönlichen Abschied an die Karriere des Rafael Nadal.

von Gastbeitrag von Andreas Grünwald
zuletzt bearbeitet: 29.11.2024, 13:52 Uhr

Rafael Nadal mit der Siegertrophäe bei den French Open 2017
© Getty Images
Rafael Nadal mit der Siegertrophäe bei den French Open 2017

Mit Rafael Nadal beendete einer der größten Sportler der Geschichte seine unbeschreibliche Karriere. Mehr als 20 Jahre ist es nun her, dass der Junge aus Manacor die Tennisbühne betreten und alle verzaubert hat. Wir wagen heute eine kleine Zeitreise durch eine unglaubliche Karriere, in der die größten und wichtigsten Siege ebenso wie die wohl bittersten Niederlagen eines Sportlers betrachtet werden, der es wie kein anderer verstand, immer weiterzukämpfen und nach jedem Rückschlag wieder aufzustehen.
 

Also, liebe Tennis-Fans, schnallt euch an, begleitet mich auf dem Trip down Memory Lane und feiert mit mir gemeinsam das Phänomen Rafael Nadal Parera.
 

1307-mal betrat Rafael Nadal in seiner Profi-Laufbahn den Court. 1080-mal sollte er als Sieger zurück in die Umkleidekabine kehren. 68-mal nahm der Mallorquiner an Grand-Slam-Turnieren teil. 22-mal durfte er den Pokal am Ende in die Höhe strecken – damit gewann Rafa fast jeden dritten Grand-Slam, an dem er teilnahm. Manche dieser Siege sollten Erfolge für die Ewigkeit sein – Matches, an die man sich in der Tennis-Welt und darüber hinaus für immer erinnern wird. Und so war Nadal aber auch Teil von legendären Schlachten, in denen er letztlich den Kürzeren ziehen sollte. Nicht jeder Sieg war so süß wie andere, aber zeitgleich waren auch manche Schlappen deutlich härter zu schlucken als andere.
 

Die bittersten Niederlagen
 

Siege und Niederlagen zu gewichten und zu bewerten, stellt keine einfache Aufgabe dar. Schließlich existieren keine Parameter, mit deren Hilfe sich verlässliche Messungen vornehmen lassen könnten. Trotzdem lässt sich wohl bei einer objektiven Betrachtung feststellen, dass die Ergebnisse mancher Spiele einen größeren Einfluss auf Nadal und seine Karriere hatten als andere. Und so werde ich hier versuchen, eine Liste zusammenzustellen, wie sie Nadal selbst möglicherweise auch wählen würde - angefangen mit den Niederlagen.
 

5. Federer – Nadal, Wimbledon-Finale 2007
 

Als Nadal noch vor Beginn seines Profi-Daseins in einem Interview gefragt wurde, welches Turnier er denn unbedingt eines Tages gewinnen wolle, lautete seine Antwort nicht Roland Garros. Der junge Rafael Nadal wollte schon immer mal in Wimbledon triumphieren. 2007 war er sehr nah dran. Am Ende zog er im fünften Satz gegen Roger Federer den Kürzeren, der seinen fünften Titel in Serie einfuhr. Später wurde bekannt, dass Rafa nach dem Spiel in der Kabine geweint und gegenüber seinem Coach Onkel Toni geäußert hat zu glauben, nie wieder eine solch gute Gelegenheit auf einen Wimbledon-Sieg haben zu werden. Damals ahnte Rafa nicht, dass er genau ein Jahr später den wohl größten Triumph seiner Karriere genau dort feiern sollte, wo er gerade erst so bitter verlor – doch dazu später mehr.
 

4. Djokovic – Nadal, Wimbledon-Halbfinale 2018
 

Eine ebenfalls bittere Wimbledon-Niederlage war die gegen Djokovic im Halbfinale 2018. Mit 10:8 ging der entscheidende fünfte Satz an den “Nole”, der im Finale problemlos gegen Kevin Anderson gewann. Nadal verlor den dritten Durchgang trotz Satzball und konnte seine Break-Chancen im Decider nicht nutzen. Die Chance, nach 2008 und 2010 einen dritten Streich an der Church Road zu landen, war nie wieder so hoch. Ebenfalls bitter an der Niederlage waren die Umstände. Das Match erstreckte sich über zwei Tage, weil in Wimbledon nicht nach Beginn der Ruhezeit gespielt werden darf. Da zu Matchbeginn das Dach geschlossen wurde, wurde die Begegnung auch unter diesen Bedingungen am Folgetag fortgesetzt, obwohl das Wetter es zugelassen hätte, das Dach zu öffnen. Hallenbedingungen stellen in der Tendenz eher einen Vorteil für Djokovic als für Nadal dar, der im Nachgang auch sein Unverständnis über die Entscheidung äußerte. Beim Ergebnis von 10:8 im fünften Satz kann durchaus argumentiert werden, dass die Bedingungen letztlich das Zünglein auf der Wage waren. Doch wie Nadal selbst predigte: “If, if, if... doesn’t exist”. Kleiner Fakt an dieser Stelle: Viele haben nicht auf dem Schirm, dass Nadal bei fünf Wimbledon-Teilnahmen hintereinander mindestens das Finale erreicht hat – zwischenzeitlich hatte er eine Win-Streak von 20 Matches auf dem heiligen Rasen.
 

3. Söderling - Nadal, Achtelfinale der French Open 2009
 

Der sagenumwobene Sieg Robin Söderlings gegen Rafael Nadal bei den French Open 2009 dürfte (ohne zu übertreiben) die größte Überraschung in der Geschichte des Herrentennis sein. Der Kontext mag helfen: Nadal war vor den French Open 2009 unangefochten auf dem Tennisthron. Rafa gewann Roland Garros im Vorjahr ohne Satzverlust, triumphierte in Wimbledon wie auch Melbourne im Finale gegen Federer und krallte sich vor den French Open die Masters-Titel in Indian Wells, Monte Carlo und Rom. Danach folgte der Titel in Toronto, ebenso wie Olympisches Gold. An Rafa war kein Vorbeikommen – zumal er zu diesem Zeitpunkt in seiner Karriere noch ungeschlagen in Paris war. Angetreten in 2005, 2006, 2007 sowie 2008 – und siegreich in all diesen Jahren. Die Bilanz bis zu dem Match gegen Söderling bei den French Open: 31:0. 
 

Doch der Schwede kam, um die Tennis-Welt zu schocken. Er spielte aggressiv, flach, mutig und so, als wäre ihm egal, dass sein Gegner eigentlich unbesiegbar auf diesem Platz ist. Robin Söderling betrat den Philippe-Chatrier, um das Gegenteil zu beweisen – und er tat es. Auch nach dieser Niederlage soll Nadal in der Kabine geweint haben. Wie später bekannt wurde, war der Spanier während des Turniers wohl nicht bei bester Gesundheit und musste das folgende Wimbledon-Turnier absagen. Das nimmt jedoch nichts vom wohl größten Sieg in der Karriere Söderlings weg. Durch den Triumph des Schweden wurde eine Sache klar, die viele zu dem Zeitpunkt vergessen hatten: Auch Rafael Nadal ist nur ein Mensch.
 

Übrigens: Die Frage, wie die Tenniswelt aussehen würde, wenn Nadal nicht verloren hätte, ist ein durchaus spannendes Gedankenspiel, das ich in diesem Artikel hier durchgesponnen habe. Spoiler: Die Tennis-Welt und das Ergebnis der GOAT-Debatte könnte heute völlig anders sein.
 

2. Wawrinka – Nadal, Finale Australian Open 2014
 

Nadal und die Australian Open hatten seine gesamte Karriere über mehr Aufs und Abs als eine Toblerone-Schokolade. Rafa liebt Australien und hat bereits angekündigt, mit großer Freude eines Tages auch als Fan und Tourist und nicht als Spieler in das Land zurückzukehren. Mit dem Turnier im Melbourne Park verbindet der Stier aus Manacor wohl aber auch eine große Leidensgeschichte – wie im Finale der Australian Open 2014.
 

Nadal ging als klarer Favorit ins Duell gegen Stan Wawrinka, denn in den vorherigen sechs Monaten sollte Rafa das beste Hartplatz-Tennis seiner Karriere spielen. Er gewann die Masters in Kanada und Cincinnati und triumphierte dann bei den US Open. Damit war er der erste Spieler seit Andre Agassi, der die drei großen Turniere der US-Open-Series im selben Jahr gewinnen konnte. Das Finale Down Under nahm dann leider einen traurigen Verlauf. Nadal verletzte sich am Rücken und konnte phasenweise kaum noch aufschlagen. Nach einer Behandlung ging es zwar bergauf, das Ruder rumreißen konnte er aber nicht. Und so kam es, dass Wawrinka – der ein großartiges Finale und Turnier spielte – in vier Sätzen gewinnen konnte. Nach dem Match mussten die Fans ansehen, wie Nadal weinte – ein Bild, das man nach Niederlagen Rafas nicht gewohnt war. Der Beweis, dass der Schmerz besonders tief saß. Nadal hatte sich in seiner großen Karriere leider oft verletzt. Allerdings bis zum 26. Januar 2014 nie bei einem Grand-Slam-Finale.
 

1. Djokovic – Nadal, Australen Open 2012
 

5:53 Stunden Spielzeit standen am Ende auf der Uhr. Das längste Grand-Slam-Endspiel der Geschichte und der Djoker sollte am Ende als Sieger vom Platz gehen. Dieses Giganten-Duell hatte alles: Spannung, Wendungen, verrückte Ballwechsel. Wer danach keinen Fingernagel abgekaut hatte, musste Nerven aus Stahl haben. Aber vom allem hatte das Match eins: Eine enorm hohe und auch andauernde Intensität - trotz der langen Spielzeit. Typisch für eine Begegnung der beiden Ausnahmeathleten, die sich gegenseitig stets alles abverlangten. Nadal verlor mit diesem Match zum siebten Mal in Folge gegen Djokovic, ehe er sich dann in der Sandplatz-Saison revanchieren konnte.
 

Niemand verliert gerne ein Grand-Slam-Finale. Niemand verliert gerne nach fast sechs Stunden Spielzeit. Und niemand verliert gerne zum siebten Mal in Serie gegen seinen Rivalen. Eines der wohl besten Endspiele der Grand-Slam-Geschichte – mit dem besseren Ende für den Djoker. Und damit war Nadals wohl bitterste Niederlage geboren. So bitter, weil das Match einfach so groß war.
 

Rafael Nadal war schon immer jemand, der versucht hat, das Positive zu sehen. Die Allermeisten wären wohl an der Vielzahl der Verletzungen, die der heute 38-jährige durchlebt hat, zerbrochen. Doch Rafas Einstellung ist, dass er (wie er sagt) gelernt hat, das Leiden zu genießen. Und auch das Verlieren hat Nadal gelernt. Einmal sagte er, dass er Niederlagen brauche, um Siege zu genießen. Und wie jeder Sportler weiß: Es braucht Rückschläge, um zu wachsen. Denn der Frust nach einem verlorenen Spiel ist die wohl größte Motivation, besser zu werden. Wer weiß, ob es einige der folgenden Triumphe je gegeben hätte, wenn keine bitteren Schlappen vorangegangen wären.
 

Die größten Siege
 

Nadals größten Siege zu bemessen und schließlich in eine Reihenfolge zu packen, ist keine leichte Aufgabe. Hier wird die Konzentration nicht nur auf einzelne, packende und fesselnde Matches gelegt. Wir widmen uns den Siegen, die die größte Bedeutung für Rafas Karriere hatten. Matches wie die Schlacht gegen Thiem bei den US Open 2018 oder gegen Medvedev bei den US Open 2019 waren zwar absolute Nailbiter und gehören sicherlich zu seinen größten Kampfleistungen. Für die Liste seiner größten Triumphe werden diese Battles aber nicht berücksichtigt. Wir konzentrieren uns auf die Siege, die Meilensteine in der legendären Karriere des Spaniers darstellen sollten.
 

5. French Open 2017 – La Decima
 

2017 war ein großes Jahr für die Romantiker des Tennis-Sports. Geboten wurden nämlich das letzte Major-Finale im direkten Duell der beiden Williams-Schwester und das Auferstehen “Fedals”. Roger Federer und Rafael Nadal eroberten die Tennis-Welt zurück, nachdem sie 2015 und 2016 an Novak Djokovic, Andy Murray und Stan Wawrinka verloren ging. Federer schlug Nadal in einem vielleicht spielerisch (im Vergleich zu vorherigen Finals) nicht immer überzeugenden, dafür spannenden und mitreißenden Finale von Melbourne 2017 im fünften Satz. Doch Rafa ließ sich nicht unterkriegen.

Auf Sand zermürbte er seine Gegner wieder wie in seinen besten Zeiten – seine Dominanz gipfelte dann in Paris, wo er das Turnier ohne Satzverlust gewinnen und den Pokal wieder dahin bringen konnte, wo er hingehörte: In die Arme des besten Sandplatzspielers aller Zeiten. Damit gewann Nadal zum ersten Mal seit drei Jahren wieder einen Grand Slam. Das i-Tüpfelchen: Rafa krallte sich zum zehnten Mal die Trophäe in Paris und sollte damit der erste Spieler werden, der denselben Major zweistellig gewinnen konnte. La Decima war geboren – Bravo Rafa!
 

4. Sieg bei den Olympischen Spielen 2008 und 2016
 

Kein Tennisspieler brachte je so ein hohes Energielevel auf den Platz wie Rafa. Wenn der Ausnahmespieler aus Manacor aber für sein Land auflief, war das Funkeln in seinen Augen
besonders groß. Für Nadal war es eine große Ehre, sein Land vertreten zu können. Und so dürften die beiden Olympischen Goldmedaillen (Einzel 2008, Doppel 2016) für ihn wohl zu seinen größten Erfolgen seiner Karriere zählen. Herausgestochen ist das enge Halbfinale gegen Djokovic 2008, das Rafa mit 6:4 im dritten Satz für sich entscheiden konnte.
 

3. Der Career Grand Slam
 

2010 war mit drei Major-Titeln das wohl beste Karrierejahr für Nadal. Besonders gut geschmeckt dürfte dabei der Sieg bei den US Open haben. Denn damit sollte der Spanier einen besonderen Rekord aufstellen: Sein Premierensieg in New York City kam gleich mit der Vollendung des Career (Golden) Grand Slam. Rafa wurde an diesem Tag der jüngste Spieler, der jeden Major mindestens einmal gewinnen konnte. Zugegeben: Durch Landsmann Alcaraz wackelt diese Bestmarke. Aber nicht in der Variante als jüngster Spieler mit allen Majors plus Olympisches Gold – denn diesen Rekord wird Alcaraz nicht mehr schlagen können. So oder so: Der Sieg bei den US Open 2010 (damals im Finale gegen den Djoker) dürfte wohl einer der wichtigsten für Rafa gewesen sein, denn damit füllte er die letzte Lücke im Trophäenschrank der begehrtesten Titel des Sports.
 

Was ebenfalls besonders an diesem Turniersieg war: Nadal stellte seinen Aufschlag um und servierte so gut wie nie! Oft mit über 210 km/h im Ersten gelang es ihm fast, den Rekord für einen US-Open-Turniersieg mit den wenigsten kassierten Breaks aufzustellen. Für die Bestmarke von Andy Roddick sollte es am Ende aber nicht ganz reichen.
 

2. Sieg bei den Australian Open 2022
 

Das Miracle in Melbourne! Vielleicht war dieser Triumph der überraschendste für Rafa. Es war zumindest der Grand-Slam-Sieg Nadals, den er mit seiner bis dahin niedrigsten
Weltranglistenplatzierung gewann (Platz fünf). Rafa unterzog sich im Vorjahr einer kniffligen Operation am Fuß (bedingt durch das Müller-Weiss-Syndrom). Nur wenige hatten ihn für einen Titel-Run auf dem Schirm. Doch der Spanier schrieb einmal mehr Geschichte und wurde der erste (männliche) Tennisspieler, der 21 Grand Slams gewinnen konnte. Und das in dramatischer Weise.
 

Im Viertelfinale gegen Shapovalov schien es so, als würde der Körper nachgeben. Doch Rafa boxte sich durch – stand dann aber im Finale mit einem 0:2-Satzrückstand mit dem Rücken zur Wand. Und das gegen den amtierenden US-Open-Champion, einen Daniil Medvedev in absoluter Bestform. 0:2 Sätze, drei Breakbälle gegen sich bei 2:3 im dritten Satz. Was ab da passiert ist, lässt sich nur schwer beschreiben und fühlt sich rückblickend wohl auch heute noch wie ein Fiebertraum an.

Aber Rafa gelang es, das Match zu drehen und 13 Jahre nach seinem ersten Sieg in Melbourne erneut zu triumphieren. All die Leidensgeschichten, die verlorenen Finals, die Tränen, die
Verletzungen, die Rafa in Australien bis dahin durchlebt hat, waren vergessen. Nadal kam, kämpfte und kreierte das größte Comeback der Tennisgeschichte. Damit gewann der Mann mit 35 Jahren nochmal einen Major auf Hartplatz, dem aufgrund seines physischen Spielstils schon früh viele prophezeit haben, dass für ihn noch vor 30 Schluss mit der Profilaufbahn sein würde. Und genau der Junge aus Manacor sollte nochmal zuschlagen, dem als Teenie aufgrund seiner komplizierten Fußkrankheit gesagt wurde, er hätte keine Chance auf ein Dasein als Tennisprofi. Blöd für die Propheten und gut für die Tenniswelt, dass Nadal sich nie hat unterkriegen lassen.
 

Bevor wir uns dem ersten Platz widmen, hier drei honorable mentions, die es ebenfalls in die Liste der größten Siege hätten schaffen können: Wo wir schon in Melbourne sind, dürfen natürlich das Halbfinale und Finale aus 2009 gegen Verdasco und Federer nicht fehlen. Zwei Marathon-Matches, die gefühlt mehr Highlightballwechsel hatten als Nadal in seiner Karriere time violations kassiert hat (und das waren viele). Wie der Kommentator im englischen Fernsehen treffend über den ersten Grand-Slam auf Hartplatz für Nadal sagte: “A man for all surfaces”. Kommentatoren-Legende Matthias Stach fragte während dem Finale gegen Federer zurecht: “Woher kommt der Junge?!”. Denn diese Leistungen waren nicht mehr menschlich.
 

Auch genannt werden muss das Halbfinale der French Open 2013 gegen Djokovic. Nachdem Rafa schon mit Break im fünften Satz zurücklag, kämpfte er sich zurück und ringte seinen Dauerrivalen mit 9:7 nieder. Rafa fightete und bewies einmal mehr, dass es fast unmöglich ist, ihn in Roland Garros zu schlagen – selbst wenn man glaubt, bereits kurz vor der Ziellinie zu stehen. Auch eine Erwähnung wert ist Rafas Sieg gegen den Djoker in Madrid 2009 – ohne Zweifel eines der hochklassigsten Dreisatzspiele jemals. Doch jetzt genug der Erwähnungen - küren wir einen Sieger der Siege:
 

1. Sieg in Wimbledon 2008
 

Nach zwei verlorenen Endspielen in 2006 und 2007 sollte es beim dritten Anlauf endlich gelingen: Der langersehnte Sieg an der Church Road. Rafa führte schon mit 2:0 Sätzen, hatte im vierten Satz Matchball bei eigenem Aufschlag, doch der Maestro stürmte zurück und konnte einen entscheidenden Durchgang erzwingen. Und kurz bevor auf dem Centre Court wohl endgültig die Dunkelheit einbrechen sollte, konnte der damals 22-jähirge Nadal den entscheidenden Durchgang mit 9:7 an sich reißen - King Roger wurde vom Thron gestoßen. Das Bild, das Rafa mit der spanischen Flagge auf der Tribüne zeigt, dürfte wohl eines der legendärsten Fotos seiner Karriere sein.

Rafa sollte an diesem Tag im Juli 2008 endlich das große Ziel “Wimbledon-Champion” erreichen – einen Monat später folgten dann der Sieg bei den Olympischen Spielen und die Poleposition der Weltrangliste. Der Junge aus Manacor war endlich im Tennis-Olymp angekommen. Und mit dem für viele besten Match der Tennis-Geschichte endet unser Ausflug durch die Karriere
einer der größten Legenden, die es je im Tennis und wohl auch in der gesamten Sportwelt gegeben hat – ein würdiger Abschluss für eine Liste voller Momente, die Geschichte schrieben.
So wie die beispiellose Karriere Rafas ist auch diese kleine Zeitreise hier am Ende angekommen.
 

Allerdings nicht bevor noch letzte Worte des Abschieds für das Karriereende an Nadal gerichtet werden können.
 

Gracias Rafa!
 

Rafael Nadal war schon immer anders. Er kam als Energiebündel und Kraftpaket auf die Tour, zeigte offen seine durchtrainierten Muskeln, war laut, schwang die Vorhand über dem Kopf aus, stöhnte, hatte Feuer – einfach gesagt: In das Bild eines klassischen, eleganten Tennisspielers passte das Kraftpaket Nadal nicht rein. Er zeichnete ein anderes, sein ganz eigenes Bild. Plötzlich waren ärmellose T-Shirts und Dreiviertelhosen in – passend zu den langen, rebellischen Haaren. Auch wenn seine eher zurückhaltende Persönlichkeit es nicht widerspiegelte: Rein optisch könnte man meinen, der junge Rafa war der Rockstar unter den Tennis-Spielern.
 

Doch auch seine Art und sein Spiel waren anders als alles, was Tennis-Fans kannten und gewohnt waren. Er nahm sich viel Zeit vor seinen Aufschlägen - teilweise sehr viel. Er vollzog unzählige Rituale auf dem Platz. Und er brachte einen defensiven Schwung ins Tennis – kein Serve and Volley, Rafael Nadal war ein Konterspieler und verlegte Tennis an die Grundlinie. Kein aggressives und schnelles Spiel – auch wenn er eine enorme Power hatte. Der Spanier war schon immer ein Meister darin, seine Gegner zu zermürben. Noch nie hat ein Spieler so viel Top-Spin in seine Schläge gepackt. Noch nie hat ein Spieler versucht, Ballwechsel so sehr wie ein Schach-Spiel Schlag für Schlag, Zug für Zug, aufzubauen, um am Ende bei der perfekten Gelegenheit zuzuschlagen. Nadal war wie ein Raubtier, das sich seine Beute zurechtlegte und erst zubiss, wenn er sich sicher war, dass der Biss zum Erfolg führen würde.
 

Zu Beginn der Karriere waren Aufschlag und Volleys die Schwachstelle - völlig unpassend zum Tennis der vorherigen Jahrzehnte. Für Nadal war sein Serve lediglich ein Mittel, um einen neuen langen und physisch-fordernden Ballwechsel einzuleiten. Ein Rechtshänder, der mit links spielte, um einen Vorteil zu erlangen. Ein junger Mann, der eine Intensität und Energie auf den Platz brachte, wie es vor ihm noch niemand getan hat – zeitgleich aber ein schüchterner und höflicher Junge, der niemandem auf den Schlips treten wollte.
 

Und mit der Zeit sollte sich beweisen: Nadal konnte sich anpassen. Der Aufschlag wurde härter, die Volleys wurden besser – und zwar so viel besser, dass Rafa einer der effektivsten Volley-Spieler der Tour wurde. In seinen 30ern wurden die Ballwechsel dann kürzer und Rafa zeigte, wie aggressiv er spielen konnte. Bei all den Anpassungen und Entwicklungen ging eines aber nie verloren: Seine bescheidene Art. Nadal hat nie wie einer gewirkt, der das Rampenlicht aktiv gesucht hat. Rafa ist ein Familienmensch, der dieselben Menschen immer um sich braucht. In seiner über 20-jährigen Karriere sollte Nadal genau zwei Chef-Trainer haben: Onkel Toni und Freund Carlos Moya. Rafael Nadal ist außerdem jemand, der nie seine Werte verloren hat. 1250 Schläger hat der Hersteller Babolat Nadal bis zum Ende seiner Karriere bereitgestellt. Keinen davon hat er zerbrochen. Eine wahrscheinlich einmalige Quote und ein tadelloses Beispiel für alle Kinder, die mit Tennis anfangen.
 

Der Abschied fällt schwer – auch mir, denn Rafal Nadal ist seit Kindestagen mein Idol.
 

Und wie wahrscheinlich Millionen andere hat Rafa auch mich zum Tennis gebracht. Er war der Grund, weshalb ich meine Eltern gebeten habe, mir einen Tennisschläger zu kaufen. Als Kind bin ich in Rafa-Klamotten rumgerannt. Ich habe gestöhnt wie Rafa und meine Vorhand spiele ich auch heute noch hin und wieder im Lasso-Stil. Keiner meiner Trainer konnte mir das je abgewöhnen. Auch heutige Tennis-Stars wie Alcaraz, Rublev, Rune, Ruud und Świątek gaben zu, Nadal als Kinder nachgeeifert zu haben, indem sie versucht haben, wie er zu sein. Auch heute noch ist Rafa das Idol vieler Top-Spieler uns –Spielerinnen auf der Tour. 

Rafael Nadals Karriere hiterlässt nicht nur über 200 Wochen an der Spitze der Weltrangliste, 92 Turniersiege, 22 Grand-Slam-Titel, French-Open- und Sandplatz-Rekorde für die Ewigkeit ebenso wie zwei Gold-Medaillen bei den Olympischen Spielen. Rafael Nadal hat in seiner Karriere etwas – wie ich finde – viel wichtigeres erreicht: Er hat es geschafft, natürlich auch als Teil der Big Three, einen großen Sport noch größer zu machen. Fast 22 Millionen Menschen folgen Rafa auf Instagram – kein Spieler hat mehr Follower. Ob Rafa oder Roger wurde zur Gretchenfrage, zu der auch Größen aus anderen Sportarten eine Meinung hatten. Nadal hat wahrscheinlich so viel mehr Menschen zum Tennissport (nicht nur als Zuschauer) gebracht, als er es sich je hätte erträumen können. Und er wurde zum Vorbild und Idol für viele, die sich Dinge bei ihm abgeguckt haben. Egal ob seinen Spielstil, seine Outfits oder auch einfach seine Art. Rafael Nadal hat Menschen geprägt. Er hat stets hart gearbeitet. Er hat uns Tennis-Fans beigebracht, dass es sich immer lohnt, um jeden Punkt zu kämpfen und dass es wichtig ist, bescheiden zu sein - Lektionen, die sich auch ins alltägliche Leben übertragen lassen. Und genau deshalb wird er uns allen so in Erinnerung bleiben, wie er es sich gewünscht hat: Als Junge aus einer Kleinstadt Mallorcas, ein guter Mensch, der hart gearbeitet hat und seinen Träumen gefolgt ist.
 

Gracias Rafa!

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von Gastbeitrag von Andreas Grünwald

Freitag
29.11.2024, 15:00 Uhr
zuletzt bearbeitet: 29.11.2024, 13:52 Uhr

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