Die Rückkehr auf Sand: Roger Federer freut sich "auf das Ungewisse"

Roger Federer ist die große Unbekannte auf Sand in diesem Jahr - in Madrid (ab 5. Mai) geht es für den Schweizer erstmals seit 2016 wieder auf die rote Asche. Jörg Allmeroth hat Federer bei seiner Vorbereitung in der Schweiz besucht.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 02.05.2019, 10:04 Uhr

Roger Federer
© Getty Images
Roger Federer

Es ist ein kühler, grauer Nachmittag in dieser Woche, an dem Roger Federer in einem schön gelegenen Schweizer Tennisklub zu einer seiner letzten Trainingseinheiten vor dem Ernstfall eintrifft.

Der Ernstfall, das ist das Masters-Turnier in Madrid. Der erste Sandplatzauftritt seit beinahe drei Jahren. Eine kleine Ewigkeit im Tennis. Aber ist es überhaupt der Ernstfall, Herr Federer? Der Meisterspieler gibt sich ziemlich entspannt, mal ganz abseits der „natürlichen Nervosität“, die er immer spürt, wenn er auf einen Centre Court marschiert, da hat sich in den letzten 20 Jahren „nichts verändert“: „Ich fühle mich gut, ich habe gut trainiert, ich schaue, was kommt“, sagt Federer, „es kann gut sein, dass ich was reiße. In Madrid, vielleicht auch in Paris.“

Aber Federer weiß genau so gut, „dass es auch verdammt schnell vorbei sein kann.“ Schließlich spielt er nur in Spaniens und Frankreichs Kapitale Sandplatztennis, bestenfalls drei Wochen lang. Oder eben deutlich kürzer. „Meine Welt würde dann sicher nicht zusammenbrechen – trotz allem Ehrgeiz, dem Willen, immer siegen zu wollen“, sagt Federer, „ich werde mein Bestes geben, wie immer.“

Federer beim Training? Niemand gerät außer Fassung

Es ist verblüffend, wenn man Federer in diesem Klub seiner Trainingswahl begegnet. Der Ort soll verabredungsgemäß diskret bleiben, Federer möchte eigentlich nur einigermaßen zurückgenommen und frei von jeglichem Aufsehen trainieren. Nachdem er in seinem Mercedes auf den Parkplatz geglitten ist, schultert er das Tennisgepäck, taxiert kurz die Szene, prüft, ob nicht doch ungebetene Besucher in der Nähe sind. Sind sie nicht. Federer grüßt ein paar Vertraute, Bekannte, Freunde, auch Trainer Severin Lüthi, es wirkt wie ein sehr normales Zusammentreffen in einem ganz normalen Tennisklub.

Und man darf sich schon wundern, wie gelassen die sonstigen Tennisspieler bleiben, niemand gerät aus der Fassung, weil Federer da ist. Niemand lässt sich beim eigenen Spiel stören, selbst das Jugendtraining geht einfach so weiter – ohne Geschrei, ohne Gebrüll, ohne Ballyhoo. Nur ab und zu gibt es einen verstohlenen Blick hinüber zu Federer, der sich jetzt an einen Tisch zum Gespräch gesetzt hat.

Federer: "Selbstverantwortete Entscheidung"

Warum tut er sich die Plackerei im Sand überhaupt an, die stundenlangen Rutschübungen gegen die Spezialisten oder gegen die sehr viel Jüngeren? „Ich habe mich gesundheitlich gut gefühlt, es gab auch niemandem im Team, der dagegen war“, sagt Federer. Er habe sich auch nicht verpflichtet gefühlt, keinen Druck gespürt, so Federer, „ich weiß ja schon, dass einige mich kritisiert haben, weil ich mich in den vorigen Jahren in der Sandplatzsaison angeblich ausruhte. Aber es war jetzt ausschließlich meine eigene, selbstverantwortete Entscheidung, sonst nichts.“

Allerdings: Die Erwartungshaltung zur folgenden Rasenserie hin ist eine ganz andere, er spielt in Halle bei den Gerry Weber Open und dann in Wimbledon, Lieblingsturniere aus verschiedensten Gründen. Da will er vorne mitmischen, Titel ins Visier nehmen.

Federer freut sich nun unmittelbar auf die Spiele auf Sand, weil sie ihm den nötigen Thrill und die Abwechslung bringen, die er in dieser Phase seiner Karriere auch sucht: „Es ist schon der Nervenkitzel, das Ungewisse, das einen reizt“, sagt der 37-jährige, „es ist ja auch das Schöne am Tennis, das es nicht so statisch ist. Das ist sicher auch ein Erfolgsgeheimnis für den Laver Cup, ein innovatives Konzept ist das halt.“

Knüppelharte Trainingswochen

Der klammheimliche Gebieter über den neuen Davis Cup, Fußballprofi Gerard Pique, hatte ja angekündigt, er wolle noch einmal mit Federer über den umgemodelten Teamwettbewerb sprechen, eventuell auch über dessen Terminierung, aber Federer sagt recht distanziert, er habe bisher keine Verabredung oder ähnliches. Was hätte der Maestro auch zu besprechen, den Termin seines mitverantworteten Laver Cup wird er nicht räumen – und am Davis Cup-Finalturnier im November wird er nicht teilnehmen. Nicht nur, weil die Schweiz nicht qualifiziert ist. Aber er wünsche dem Davis Cup und auch dem ATP-Cup (im Januar 2020) alles Gute.

Federer hat in den letzten, knüppelharten Trainingswochen mit dem Engländer Dan Evans und dem jungen Serben Miomir Kecmanovic an verschiedenen Orten in der Schweiz gearbeitet, an diesem Tag, kurz vor dem Madrider Masters, hat er einige Schweizer Junioren eingeladen. Die Begrüßung fällt wenig formell aus, die Teenager rufen dem Maestro ein „Hallo, Rog'“ zu, Federer entgegnet „Hallo, z'samme.“

Federer über Woods: "Absolut gigantisch"

Bevor er später auf den Court geht, gönnt er sich noch zusammen mit Coach Lüthi einen Espresso aus dem Klubhaus-Restaurant. Es gibt noch schnell eine Tour d'horizon, es wird über Gott und die Welt und auch ein wenig über die Fußball-Lage geplaudert, in der Schweiz, in Deutschland und überhaupt. „Überraschungen, wohin man blickt“, sagt Federer, „da passiert viel Verrücktes.“ Auch Tiger Woods kommt zur Sprache: „Was für ein Comeback. Absolut gigantisch.“ Und dann auch noch Dirk Nowitzki: „Diese Karriere war schon sensationell. 21 Jahre bei einem Klub, dass es so etwas noch gibt.“

Federer hat die Wochen daheim genossen, mit seiner Frau und den vier Kindern. „Am Ende ist es in der Schweiz immer am schönsten, kein Zweifel“, sagt Federer, „Heimat fühlt sich eben dann doch anders an. Auch wenn ich mich rund um die Welt wohl fühle, überall Freunde habe.“ Dass er nicht mit der Heimat fremdelt, wie so mancher Superstar aus Sport, Musik oder Showbiz anderswo, hat auch mit der Art zu tun, wie ihm die Schweizer begegnen. Jedenfalls lässt sich das aus der Einschätzung herauslesen, die er am runden Tisch in diesem Tennisklub äußert: „Ich stehe hier nicht auf einem Sockel. Man ist nett zu mir, man lässt mich in Ruhe, man freut sich, wenn man mich sieht. Aber man spielt zum Glück nicht verrückt.“

Federer zu Zverev: "Herausforderung als Chance sehen"

Federer hat natürlich viel Tennis geschaut zuletzt, auch den jüngsten Sieg von Dominic Thiem in Barcelona registrierte er mit Anerkennung und Wohlwollen: „Er verfolgt seine Karriere mit Geradlinigkeit und Überlegung“, sagt Federer über den Österreicher, der sich neben Rafael Nadal zum Top-Favoriten auf Augenhöhe für die French Open aufgeschwungen hat. Beiden, Thiem wie Nadal, könnte der Maestro auch in Madrid begegnen. Die sportliche Krise von Alexander Zverev lässt Federer derweil auch nicht kalt, aber nicht etwa, weil Federer in irgendeiner Weise auf den Deutschen als möglichen Mandanten für die Managementfirma Team 8 (er ist Klient, auch Teilhaber dort) schielen würde  – es gab vor Wochen entsprechende Spekulationen, aber Federer hatte sie auch schon energisch zurückgewiesen.

Federer sagt, er möge „Zverev einfach“, er habe ihm auch immer mal wieder „einen Ratschlag gegeben.“ Und nun, wie sollte Zverev diese Lage angehen? „Er muss sich selbst helfen, es wird ihn stärker machen. Er muss das als Herausforderung sehen, als Chance auch, noch mehr auf eigenen Füßen zu stehen“, sagt Federer, „ich weiß, wovon ich spreche. Auch ich hatte diese Momente, in denen ich dachte: Es geht nicht weiter. Aber es ging weiter.“ Und wie.

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