Die unglaubliche Story der Frau Date-Krumm

Gestern sorgte Kimiko Date-Krumm in Paris für das Aus der Vorjahres-Finalistin. Im September wird sie 40 Jahre alt.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 26.05.2010, 11:06 Uhr

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Die Berliner Mauer war noch nicht gefallen, als Kimiko Date-Krumm im Frühling 1989 erstmals über den roten Sand von Paris rutschte. Damals war sie 18 Jahre alt, eine Teenagerin, die niemand beachtete in der großen Grand Slam-Karawane.

Doch nun, 21 Jahre später, ist sie nichts anderes als die größte Geschichte bei den French Open 2010, eine paradoxe und wundersame Mutter Courage, die mit Herz, Leidenschaft und stählernem Willen einen unfassbaren Erstrundensieg gegen die letztjährige Finalistin Dinara Safina auf den Court zauberte – und die Zeit und ihr Alter ignorierte. Wie mit einer Zeitmaschine aus der Ära Graf und Seles in die Gegenwart katapultiert, ist Date-Krumm, diese unbeirrte Fighterin, global zum Phänomen der Pariser Tennisfestspiele geworden. "Ein Sieg für die Geschichtsbücher", notierte "L'Equipe" nach dem Drei-Satz-Triumph der japanischen Ikone. Und auch die "New York Times" widmete ihre French Open-Schlagzeile zielsicher jener 39-jährigen Frau, die im Stade Roland Garros schon Tennis spielte, eben 1989, als 26 Spielerinnen aus dem jetzigen Hauptfeld noch gar nicht geboren waren: "Ein Sieg der Hartnäckigkeit über den Schmerz."

Und in der Tat: Die Unverdrossenheit, mit der die Veteranin eine peinvolle Wadenverletzung auf dem Court Suzanne Lenglen wegsteckte, war geradezu ein Abbild für die Ausdauerkraft in einer fast beispiellosen Tenniskarriere. "Ich hasse es zu verlieren. Und ich hasse es, ein Spiel aufzugeben", sagte die Tokioterin, die am Ende des Erstrundendramas gegen Safina nur noch von ihrem starken Geist in einem schwachen Körper lebte. "Humpelnd wie ein angeschlagener Soldat" sei sie zum Sieg gelangt, befand Australiens "The Age". Noch in der Woche vor dem Turnierstart hatte sich die „Frau der Stunde“ (US-Tennismagazin) im nordrhein-westfälischen Hemer wegen ihres Muskelfaserrisses behandeln lassen – auf Vermittlung ihres Rennfahrergatten Michael Krumm.

Ohne ihn, den Tempomacher aus Reutlingen, wäre es mit Date-Krumm auch nie so weit gekommen wie an diesem magischen 25. Mai, an dem sie die Tenniswelt und die Zeitläufte irgendwie auf den Kopf stellte. "Dass ich noch einmal zurückgekehrt bin auf die Tour, habe ich besonders meinem Mann zu verdanken", sagte Date-Krumm und deutete vor einem Großaufgebot Berichterstatter im Haupt-Pressesaal auf den schmächtigen Schwaben, der sie nach der Heirat 2001 immer wieder animiert hatte, es noch einmal mit dem Tennis zu versuchen. "Sie war so gesund, so fit, so unternehmungslustig. Und sie hatte einfach viel zu früh aufgehört 1996", sagte Krumm, der die Tennisspielerin 1998 in Le Mans kennengelernt hatte.

Doch erst 2007, nach zwischenzeitlichen Ausflügen auf internationale Marathonstrecken, kommt der entscheidende Impuls fürs zweite professionelle Tennisleben. Und wie schon 1996, beim Abschied, spielt Steffi Graf eine maßgebliche Rolle. Damals, Mitte der 1990er Jahre, verliert Date-Krumm in einem dramatischen Wimbledon-Halbfinale in drei Sätzen gegen die Freundin aus Deutschland und kündigt ihren Abschied zum Jahresende an. 2007 nun findet ein Schaukampf in Tokio statt, mit Martina Navratilova, mit Graf und Date-Krumm. Die Japanerin, daheim eine Berühmtheit mit millionenschweren Werbeverträgen, bereitet sich mit gewohntem Ehrgeiz vor – und schafft wirklich den Sieg über Graf. "Das war der Moment, wo ich gedacht habe: Ich versuche es noch mal. Ich kann auch bei den Profis noch gut mithalten." Und es ist auch der Moment, in dem Michael Krumm aufatmet, der Rennfahrer, der einst mit Michael Schumacher in den Circuit startete: "Acht Jahre lang hatte ich gebraucht, um sie überzeugen. Aber den entscheidenden Kick gab erst dieses Match gegen Steffi."

Knappe 1400 Kilometer war Krumm nach einem Renneinsatz am Wochenende in Brünn herübergefahren, um Dienstagnachmittag noch beim Erstrundenspiel seiner Frau unterm Eiffelturm dabei sein zu können – mit Übernachtungs-Boxenstopp in Stuttgart. "Ich hätte es mir nie verziehen, wenn ich das nicht gesehen hätte", sagte er hinterher, als das Wunder dieses Sieges perfekt war. Inszeniert von einer Frau, die immerhin zwölf Jahre lang kein einziges Tourspiel mehr bestrittten hatte. Und die mit 37 Lebensjahren antrat, noch einmal die Jüngeren und Jüngsten der Branche das Fürchten zu lehren, Spielerinnen, die ihre eigenen Kinder sein könnten. "Wertvoll wie ein Grand Slam-Titel" sei der Erfolg gegen Safina, befand der gerührte Gatte Krumm, der Reporterfragen genau wie Frau Kimiko fließend in Japanisch, Englisch und Deutsch beantwortete.

Dass sie bei ihrem Comeback keineswegs nur als Mitläuferin unterwegs sein würde, war schon im Herbst 2009 klar geworden: Da gewann Date-Krumm in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul als zweitälteste Spielerin aller Zeiten ein WTA-Turnier und rückte auch wieder in die Top 100 vor. Inzwischen belegt sie Platz 72, Tendenz weiter aufwärts. Wann sie zum letzten Mal eine Top Ten-Spielerin geschlagen habe, wurde sie in Paris nach dem Sieg gegen die ehemalige Weltranglisten-Erste Safina gefragt – und musste erst mal passen. Doch dann fiel es ihr ein: "1996 Monica Seles, beim Masters in New York."




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26.05.2010, 11:06 Uhr