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"Das ist total unwirklich"

Die 20-Jährige spricht im Interview über ihr Debüt bei einem Grand-Slam-Turnier.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 28.05.2012, 18:04 Uhr

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Dinah Pfizenmaier spielt in ihrem ersten Profijahr und steht bereits auf Rang 198. Nach den French Open wird der nächste große Sprung folgen, denn in Paris schaffte es die 20 Jahre alte Bielefelderinbei ihrem Grand-Slam-Debüt auf Anhieb in die zweite Runde.Dort trifft sie auf die Weltranglisten-ErsteVictoria Azarenka.Im Exklusiv-Interview mittennisnet.comerklärt die Abiturientin, wie sie Azarenka Paroli bieten will, warum ihr Platz eigentlich das zentrale Mittelfeld ist und wie eine Schulteroperation ihr Leben veränderte.

Konnten Sie letzte Nacht überhaupt schlafen?

Dinah Pfizenmaier: Doch, sehr gut. Es war zwar sehr spät gestern Abend mit Presse, Behandlung und Essen, und geschlafen habe ich dann erst um zwei Uhr. Aber ich bin immer noch so euphorisch, ich merke die Müdigkeit gar nicht.

Wie voll war denn ihre Mailbox mit Glückwünschen?

Pfizenmaier: Ich hatte bestimmt über 20 SMS auf meinem Handy, bei Facebook habe ich noch gar nicht richtig reingeschaut. Ich habe mir nur einen kurzen Überblick verschafft und bei Eurosport ein paar Videos angesehen - aber es war bestimmt viel.

Haben Sie inzwischen schon realisiert, dass Sie in der zweiten Runde der French Open stehen?

Pfizenmaier: Nein, die Zeit hat noch nicht gereicht. Ich freue mich immer noch sehr über gestern, aber dass ich jetzt gegen die Nummer eins der Welt spiele, das ist noch nicht real.

Hilft es, dass Ihre Eltern zur Unterstützung angereist sind?

Pfizenmaier: Sie sind zum Hauptfeldmatch gekommen, aber meine Eltern sind Lehrer und müssen am Mittwoch schon wieder arbeiten. Aber ihre Unterstützung hilft mir trotzdem immer, und ich habe mich gefreut, dass sie da waren.

Für viele sind Sie noch ein unbeschriebenes Blatt, für Azarenka sicher auch – ist das vielleicht ein Vorteil?

Pfizenmaier: Ich glaube nicht, dass ich irgendeinen Vorteil in dem Match habe. Ich habe einfach nichts zu verlieren, und ich werde garantiert tierisch nervös sein. Auf so einem riesigen Court, vor so vielen Leuten. Normalerweise würde ich mir von Azarenka ein Autogramm holen und ein Foto machen – jetzt spiele ich gegen sie. Das ist total unwirklich.

Wovor müsste sich Azarenka denn bei Ihnen in Acht nehmen?

Pfizenmaier: Ich bewege mich gut, habe eine gute Kondition, und auf meine Beine kann ich mich immer verlassen. Ich bekomme viele Bälle, wo die Gegnerinnen sonst den Punkt schon haben. Gegen mich müssen sie immer einen Ball mehr spielen und machen dann oft auch den Fehler. Ich musste viermal drei Sätze spielen und bin immer noch nicht platt. Ich versuche einfach, sie ein bisschen zu ärgern. Ich bin eine Qualifikantin und sie denkt wahrscheinlich auch, sie müsste mich vom Platz schießen. Ich hoffe einfach, dass ich ihr ein bisschen Paroli bieten kann.

Woher kommt Ihre gute Physis, ist das Veranlagung?

Pfizenmaier: Ich war schon immer sehr sportlich und sehr ehrgeizig. Ich wollte irgendwo gut werden im Sport. Ich habe mit drei Jahren angefangen, zu turnen, das habe ich bis 13 Jahre gemacht. Parallel habe ich noch bis ich 16 Jahre alt war Fußball gespielt, beides fünfmal die Woche.

Wie sind sie denn dann zum Tennis gekommen?

Pfizenmaier: Durch einen Zufall, ich habe mit neun Jahren mal einen Freund zu dessen Training begleitet. Die Trainerin hat mir einen Schläger in die Hand gedrückt und da wollte ich dann Tennis spielen. Ich war schon immer schnell zu begeistern.

Tennis lag also nicht bereits in der Familie?

Pfizenmaier: Nein, meine Mutter hat früher hoch Basketball gespielt und meine Eltern waren auch erst nicht begeistert, denn wie sollte ich noch eine dritte Sportart unterbringen. Aber es ging irgendwie. Zwei Jahre lang habe ich parallel alles drei gemacht, dann mit Turnen aufgehört. Und als ich dann mit 16 Jahren ins Leistungszentrum nach Kamen gezogen bin, habe ich auch mit Fußball aufgehört. Mir fehlt der Mannschaftssport aber.

Welche Position haben Sie gespielt?


Pfizenmaier: Zentrales Mittelfeld – ich wollte immer überall sein. Beim Konditionstraining bin ich immer noch ganz vorne mit dabei, wenn wir mal Fußball spielen. Aber das Verletzungsrisiko ist doch zu hoch.

Wann fiel die Entscheidung, dass Sie Tennisprofi werden wollen?

Pfizenmaier: Erst im letzten Juli nach meinem Abitur. Vorher war das nie ein Thema, weil ich zu schlecht war. Ich bin zwar Deutsche Meisterin bei den U16 geworden, aber ich hatte große Probleme, ins Damentennis reinzukommen. Meine Technik war nicht gut genug für die Tour, ich hatte Schwierigkeiten mit dem höheren Tempo. Dann kamen die Probleme mit Schulter und Hand dazu. Das war während der Abi-Zeit, da bin ich an der Schulter operiert worden und musste sechs Monate pausieren. Aber die OP war irgendwie Schicksal.

Warum?

Pfizenmaier: Weil ich danach meine Technik umstellen musste und plötzlich alles besser war. Ich habe auch mit der Schiene an meiner Hand gespielt, weil ich Verdacht auf Sehnenscheidenentzündung hatte. Nach zwei Wochen hatte ich mich an die neue Rückhand gewöhnt, bei der Vorhand dauerte es etwas länger. Ich habe den Schläger in die Hand genommen, ganz ohne Erwartungen, und auf einmal kam alles. Das war unfassbar. Alles war besser, meine Technik, mein ganzes Spiel hat sich verändert. Im Juli habe ich dann angefangen auf der ITF-Tour, habe direkt aus der Quali das Halbfinale erreicht und beim nächsten Turnier aus der Quali das Finale gespielt und mir dann gesagt: 'So, das machst du jetzt.' Nur dass es so gut läuft, hätte ich mir nie erträumt.

Das Gespräch führte Petra Philippsen; Foto: GEPA pictures

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Montag
28.05.2012, 18:04 Uhr