Ein Tiefschlag, der Träume zerstört

Die Darmstädterin muss drei Monate pausieren und verpasst dadurch die Grand-Slam-Turniere in Paris und in Wimbledon.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 27.04.2012, 12:51 Uhr

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Von Jörg Allmeroth

Im Kurhaus von Baden-Baden fand Bastian Schweinsteiger kurz vor Weihnachten ein angenehmes Plätzchen am Tennistisch. Der einsame Bayer, der allein die deutsche Nationalmannschaft bei der traditionellen „Sportler des Jahres“-Gala vertrat, amüsierte sich bestens in Gesellschaft vonAndrea Petkovic,deren Clan und Fed-Cup-Chefin Barbara Rittner. Später posierten Schweinsteiger und Petkovic, die Platz zwei in der Frauenwertung belegte, noch gemeinsam für die Fotografenmeute, und auch im Lauf der nächsten Wochen und Monate sah man sich wieder: Schweinsteiger besuchte die Offenbacher Trainingsschmiede, in der Petkovic im neuen Jahr an ihrem Verletzungs-Comeback zu basteln hatte, und Petkovic kam mal zu einem Bayern-Spiel in die Allianz-Arena herunter nach München.

Doppelter Bänderriss und Überdehnungen

Gut ein Vierteljahr nach der ersten Begegnung in Baden-Baden rückten sie nun in der letzten Aprilwoche wieder zusammen in die Schlagzeilen, der Fußballstar und die Tennis-Profispielerin: Während am Donnerstagabend die ersten Druckmaschinen schon die ausführlichen Nachbetrachtungen zu den Münchner Großtaten in Madrid aufs Papier brachten und Schweinsteiger, den finalen Elfmeterschützen, in siegestrunkener Machopose zeigten, stürzte Andrea Petkovic, so etwas wie die Pechmarie der Tour, in der Stuttgarter Porsche-Arena buchstäblich ins nächste Verletzungselend.Ein falscher Schritt, ein grässlich verdrehter rechter Fuß, ein Schrei, ein Fall– und schon war die Comeback-Geschichte der Frontfrau des deutschen Damentennis auch wieder vorbei, nach zwei vollständigen Einzelmatches im Fed Cup und beim WTA-Wettbewerb. Und eben jener unvollendeten Achtelfinal-Partie beim Porsche Grand Prix gegen die Weltranglisten-Erste Victoria Azarenka, mit der nun das nächste dramatische Kapitel in dieser Seuchensaison für Petkovic aufgeblättert wurde.

Tags darauf, nach einer eingehenden computertomographischen Untersuchung, war das Ausmaß des bösen Wegknickens dann auch endgültig klar, das die Partie beim Stand von 2:6 und 4:4 beendet hatte:Zwei gerissene Bänder, ein drittes Band am Knöchel gedehnt, dazu das Syndesmoseband überdehnt– alles zusammen bedeutete es eine neuerliche Verletzungsauszeit von drei Monaten. Ob eine Operation im rechten Sprunggelenk nötig war, wollte Petkovic erst nach weiteren, eingehenderen Untersuchungen entscheiden. Klar freilich war, dass nun die spannungsgeladensten, wichtigsten und schönsten Tenniswochen des Jahres 2012 ohne Andrea Petkovic stattfinden würden – die French Open in Paris, die Offenen Englischen Meisterschaften in London, im All England Club zu Wimbledon. Und, vielleicht am schlimmsten für die Darmstädterin, wohl auch das olympische Tennisturnier in London, bei dem sie in allen drei Disziplinen antreten wollte: Im Einzel, im Doppel mit Julia Görges, und im Mixed entweder mit Philipp Petzschner oder mit Tommy Haas.

Verletzung als Weckruf

Als neuer Rückkehrtermin blieben so vielleicht die US Open in New York, das Grand-Slam-Spektakel, das Ende August und Anfang September in New York über die Bühne geht. „Ich muss das nun erst mal verarbeiten“, sagte die Darmstädterin in einem offiziellen Statement, „als Profisportler gibt es immer wieder Rückschläge, aber ein solches Verletzungspech ist schon bitter.“ Auch Fed-Cup-Chefin Barbara Rittner, die am Abend des Unglücks in der Petkovic-Loge neben dem völlig niedergeschlagenen Vater und Trainer Zoran gesessen hatte, sprach von „unglaublichem Pech“, so kurz nach der überstandenen Rückenverletzung: „Das ist wirklich hart, ganz hart.“

Schon zum dritten Mal in ihrer noch vergleichsweise jungen Karriere plagt und peinigt damit eine schwere Verletzung jene Spielerin, die den Aufschwung im deutschen Damentennis auslöste und ihren deutschen Mitstreiterinnen wichtige Hilfestellungen fürs eigene Vorankommen gab. Die früheren Zwangspausen betrachtete Petkovic im nachhinein sogar noch als wegweisende Lernerfahrungen für ihre Laufbahn, den Kreuzbandriss, den sie mit 19 Jahren in Melbourne erlitt, bezeichnete sie später als „Weckruf“: „Als ich nicht mehr Tennis spielen konnte, merkte ich erst, wie viel mir Tennis eigentlich bedeutete.“ So entschloss sie sich auch erst danach mit voller Konsequenz, das Herumtouren im Wanderzirkus zum Beruf zu machen. Erst vor ein paar Tagen, als sie zum Fed-Cup-Spiel der Deutschen gegen Australien nach einer dreimonatigen Verletzungspause zurückkehrte ins Tennisgeschäft, sprach sie davon, dass der Bruch des Kreuz-Darmbeingelenks ihr geholfen habe, das eigene Koordinatensystem neu zu justieren – was hieß, den eigenen Ehrgeiz besser zu kontrollieren, nicht mehr, wie 2011, mit einer teilweise gefährlichen Bedingungslosigkeit den Erfolg zu suchen. Und auch gelassener, lockerer zu bleiben in der Hektik und dem Trubel dieser Vollgasbranche.

Galgenhumor gegen das Verletzungselend

Immer neue Verletzungspausen gehen allerdings nicht spurlos an Tennisprofis vorbei, deren wichtigstes Kapital ein intakter Körper und eine intakte Psyche ist. „Ich komme in jedem Fall zurück, ganz sicher“, hatte Petkovic noch am Abend ihres jüngsten Malheurs durch WTA-Pressefrau Eloise Tyson twittern lassen. Nach ihrer Untersuchung am Freitag sprach sie in ihrem offiziellen Pressebulletin davon, sie habe sich zwei Mal zurückgekämpft und werde das „auch ein drittes Mal tun“. Doch wie erfolgreich und problemlos diese Rückkehr aussehen wird, nach dem nächsten fatalen Rück- und Tiefschlag, muss sich erst noch zeigen – in einer Ära des Damentennis, in der die Hauptdarstellerinnen in fast jedem Spiel auf robuste Gegnerschaft treffen und nicht selten an ihre extremen körperlichen Limits gezwungen werden. Am Ende dieser Spekulationen steht die eine, entscheidende Frage: Kann Petkovic die Angst vor einem weiteren Fehltritt ausblenden, vor einer weiteren Verletzung, vor einem weiteren Dämpfer in ihrer komplizierten Karriere?

Einen Schuss Galgenhumor konnte sich die Südhessin auch in all diesem neuen Verletzungselend nicht verkneifen, beim Blick auf die nächste Mission Comeback: „Ich hoffe allerdings, dass ich meinen Kampfgeist dann damit genug unter Beweis gestellt habe.“(Foto: Porsche Grand Prix)

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27.04.2012, 12:51 Uhr