Dubai-Siegerin Belinda Bencic im Interview: "Ich habe viel lernen müssen"
Die Schweizerin Belinda Bencic hat beim Premier-Turnier in Dubai eine sensationelle Woche hingelegt - und ist wieder in der Weltspitze angekommen. Jörg Allmeroth hat mit der 21-Jährigen gesprochen.
von Jörg Allmeroth aus Dubai
zuletzt bearbeitet:
24.02.2019, 18:48 Uhr
Vier Top Ten-Gegnerinnen hintereinander geschlagen, mit dem Erfolg über Petra Kvitova den ersten Turniersieg seit 2015 geholt. Frau Bencic, wie ist Ihnen dieses Kunststück in Dubai gelungen?
Bencic: Um ehrlich zu sein: Ich kann es selbst noch gar nicht richtig fassen. Es ist wirklich zu schön, um wahr zu sein. Ich habe lange, lange auf so einen Moment warten müssen. Wahrscheinlich kommt das im Bewusstsein erst mit ein paar Tagen Verspätung an.
Wer Ihnen in der Turnierwoche zusah, war über die Coolness verblüfft, mit der Sie sich immer wieder aus bedrängten Situationen befreiten. In der dritten Runde wehrten Sie sogar sechs Matchbälle gegen Aryna Sabalenka ab.
Bencic: Manchmal war ich innerlich am Kochen, ziemlich geladen, blieb aber nach außen ruhig. Wenn es zählte, war ich mental sehr stark, da habe ich mir keine Aussetzer geleistet. Ich habe die Big Points sehr konsequent, geradlinig und konzentriert gespielt, da war kein Zittern, da gab es auch keine Zweifel. Mein Niveau war am besten, als es um die Entscheidung ging.
Sie betonten auch, Sie hätten sich bei Roger Federer, ihrem Hopman-Cup-Partner, die Ruhe und Gelassenheit in diesen kritischen Momenten abgeschaut.
Bencic (lacht): Man lernt so einiges, wenn man mit Roger zusammen auf dem Platz steht. Es ist immer ein fabelhaftes Erlebnis. Wie er seine Coolness behält, wenn es heiß zugeht, ist unfassbar. Da habe ich natürlich immer gedacht: Das willst du auch so machen, das ist der Weg, um in großen Spielen erfolgreich zu sein. Hier in Dubai ist es mir wirklich gelungen, das auf den Platz zu bringen: Die Leidenschaft in den Matches, die Emotionalität, denn das gehört zu mir. Aber eben auch eine Ausgeglichenheit und Balance, um schließlich vorne mit dabei zu sein in einem Turnier.
Bei ihren sechs Siegen spielten sie 16 Sätze, oft ging es über die Zwei-Stunden-Marke hinaus. Aber von Müdigkeit war nichts zu spüren bei Ihnen.
Bencic: Die wird erst jetzt ein wenig kommen, wo alles vorbei Ist. Aber es ist richtig: Ich fühle mich so gut wie nie zuvor, so unheimlich fit. Martin (Hromkovic, d. Red.), mein Fitnesscoach, hat einen sensationellen Job gemacht übers letzte Jahr. Diese Fitness ist die Grundlage des Erfolgs. Wenn du weißt, dass du in diesen Matches immer noch mal zulegen und an deine Grenzen gehen kannst, schafft es eben auch das nötige Selbstvertrauen.
Steigen mit diesem Sieg nun auch die eigenen Ansprüche?
Bencic: Ich gehe immer ehrgeizig an die Sache heran. Aber ich habe immer noch auch das Gefühl, bei den Turnieren frei drauflos spielen zu können. Was mich von den Topspielerinnen sicher noch unterscheidet, ist diese Konstanz auf höherem Niveau. Ganz vorne in der Rangliste stehst du, wenn du über Wochen, Monate gute Ergebnisse hast. Das ist das Ziel, aber es ist eben noch ein Weg dahin.
Gleichwohl: Dieser Sieg ist ein Ausrufezeichen, der wertvollste überhaupt in ihrer Karriere.
Bencic: Schon ein bisschen verrückt, dass es hier so plötzlich geklappt hat. Ich bin natürlich mit dem Plan hergekommen, in diesem Top-Feld für die ein oder andere Überraschung zu sorgen. Aber dass ich dann vier absolute Spitzenspielerinnen schlagen würde, das hätte ich mir nicht zu träumen gewagt. Nach dem Sieg über Steffi Vögele war der Rest schon Kür. Aber dass der Bonus dann so ausfallen würde, ist der Hammer. Totaler Wahnsinn.
Dieser Erfolg erinnerte ja verblüffend an Ihren Lauf beim Turnier in Toronto, vor dreieinhalb Jahren. Auch dort besiegten sie namhafte Konkurrenz, Wozniacki, Serena Williams, im Endspiel dann Simona Halep.
Bencic: Aber es fehlte eben dieser emotionale Matchball-Moment im Finale. Simona musste aufgeben, das war halt nicht so schön, da war ich schon sehr enttäuscht, weil ich anders gewinnen wollte. Hier musste ich mich durchbeißen bis zum letzten Punkt, im Achtelfinale, im Viertelfinale, im Halbfinale und im Finale.
Siegerin der Duty Free Championships zu sein, markiert auch den vorläufigen Höhepunkt ihrer Comeback-Mission. Wie blicken Sie auf die letzten, nicht immer einfachen Jahre zurück?
Bencic: Ich habe sehr viel gelernt. Und ich habe viel lernen müssen. Ich würde nichts davon rückgängig machen, wenn ich könnte. Jeder Sportler, jede Sportlerin hat damit zu tun, Verletzungen zu überwinden und wegzustecken – das gehört zu einer Karriere dazu. Ich habe diese Probleme früh gehabt, es waren keine leichten, aber wertvolle Erfahrungen, eben wie man mit so einer Situation umgeht. Und vielleicht sogar gestärkt daraus hervorgeht.
Was wird dieses Jahr noch bringen für Sie, nach diesem Traumsieg in Dubai, nach einem insgesamt starken Auftakt?
Bencic: Wenn ich das wüsste, wäre es ja langweilig. Aber nein: Ich bin stolz, wie die ersten Wochen der Saison verlaufen sind. Das macht Mut, da fühlt man sich bestärkt in seiner Arbeit auch. Trotzdem bin ich gut gefahren damit, meine Erwartungen niedrig zu halten und keine Riesenziele zu formulieren. Ich hoffe einfach, dass es weiter gut läuft und aufwärts geht.
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