Ende von Zverev und Lendl - "Zwei Trainer sind einer zu viel"
Die Zusammenarbeit zwischen Alexander Zverev und Ivan Lendl ist nach nicht einmal einem Jahr schon wieder Geschichte. Als größter gemeinsamer Erfolg bleibt der Titel bei den ATP Finals 2018 in der Bilanz stehen.
von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet:
26.07.2019, 20:20 Uhr
Als Alexander Zverev seinem obersten Tennisflüsterer Ivan Lendl vor gut einer Woche freimütig vorwarf, er kümmere sich mehr ums Golfspiel als um die gemeinsame Arbeit, hätte Lendl schnell die Konsequenzen ziehen können. Aber Lendl wartete genüßlich ab, bis sich ein eigentlich unmöglicher Zeitpunkt ergab. Zverev, sein Schützling und Arbeitgeber, hatte das Viertelfinale am Hamburger Rothenbaum erreicht, Zverev sprach am Donnerstagabend sogar noch davon, er genieße weiter die Arbeit mit Lendl, freue sich auf das baldige Wiedersehen bei den Turnieren der amerikanischen Hartplatz-Serie.
Doch in der Nacht zum Freitag, Zverev schlummerte vermutlich schon sanft im „Grand Elysee“-Hotel nahe des Turniergeländes, zog Lendl dann, wie längst erwartet von Brancheninsidern, die Reißleine und schickte seinen ganz besonderen Return über den Atlantik – es war nichts weniger als ein unfreundlicher Akt, ein gezielter Schuß mitten in einem Turnierengagement Zverevs. Und was Lendl dem 22-jährigen ATP-Weltmeister hinterherschickte in seinem Statement, waren teils vergiftete Komplimente: „Eines Tages“ könne Zverev noch ein großer Spieler werden, aber derzeit müsse sich der junge Deutsche mit zu vielen Problemen abseits der Courts herumschlagen. Das erlaube ihm, Lendl, nicht, nach seiner gewohnten Philosophie zu arbeiten. Das trockene Ende des Scheidungspapiers, der Rücktrittserklärung Lendls aus dem Amt des Supercoachs von Zverev: „Ich wünsche ihm für die Zukunft alles Gute.“
Immerhin: Der gute Wunsch fruchtete aktuell schon mal bei Zverevs emotionalem Heim-Spiel, denn am Freitag zog der Hamburger Jung´ nach einer wilden, verwegenen Aufholjagd zum 4:6, 7:5, 6:2-ComeSieg gegen den Serben Filip Krajinovic noch ins Halbfinale ein. Zwischenzeitlich hatte Zverev schon bei einem 2:6- und 2:5-Defizit im tiefroten Bereich auf dem Centre Court operiert. „Ich war schon überrascht, dass diese Erklärung während eines laufenden Turnieres kam“, sagte Zverev hinterher, „aber es war irgendwie länger klar, dass wir in verschiedene Richtungen gehen würden. Ich habe aber großen Respekt vor der Person Ivan Lendl.“ Sein nächster Gegner am Rothenbaum ist Titelverteidiger Nikoloz Basilaschwili (Georgien).
Boris Becker spekuliert
Es war, alles in allem, ein tragikomischer Schlussstrich unter eine Partnerschaft, die vor ziemlich genau einem Jahr im Vorfeld der US Open 2018 begonnen hatte, die mit dem Coup Zverevs beim rauschenden Londoner Saisonfinale im November einen erstaunlich schnellen Höhepunkt erlebte – und die danach auch deshalb in die Brüche ging, weil Eifersüchteleien und Eitelkeiten im Team Zverev jegliche Arbeitsfortschritte behinderten. Die traurige Realität vor der abrupten Trennung waren Monate der Stagnation, der Frustration, der enttäuschenden Niederlagen auf großen Bühnen, des Gegeneinanders von wichtigen Personen. Was Boris Becker bei seinem Abstecher ins Hamburger Tennisrevier als dunkle Spekulation geäußert hatte – „Irgendetwas ist Anfang des Jahres kaputtgegangen“ -, lag spätestens seit dem verkorksten Wimbledon-Turnier für Zverev offen auf der Hand: Das zerrüttete Verhältnis zwischen Vater Alexander Zverev und Lendl. Ein Zitat des abwesenden Papa Zverev wurde lanciert, es sprach Bände, es lautete: „Zwei Trainer sind einer zu viel.“
Wimbledon, es war im Grunde auch das Ende eines Eiertanzes, den das Tennis-Unternehmen Zverev und sein Boss Alexander jun. lange, lange aufgeführt hatten. Zunächst wurde das Fehlen von Daddy Zverev mehrfach mit gesundheitlichen Problemen erklärt, dann hieß es später, Lendls Abwesenheit habe mit einer Pollenallergie zu tun, deshalb sei er unabkömmlich für die Frühlingswettbewerbe in Europa. Zu dumm nur, dass Lendl während der French Open, bei denen er nicht zum Trainertermin gehörte, in Paris bei einem Sponsorentermin gesichtet wurde. Als Lendl dann endlich wieder an Bord ging, beim Rasenspektakel in Halle, reiste Vater Zverev schnell ab – zusammen hielten es die einstigen Weggefährten aus Ostblock-Zeiten nicht mehr aus. Auch Lendls eher legere Arbeitseinstellung, das eher willkürliche Kommen und Gehen, hatte wohl den Zorn von Papa Zverev provoziert, der dem Vernehmen nach kochte, wenn die Rechnungen des früheren Weltranglisten-Ersten und Grand Slam-Gewinners auf dem Tisch landeten. Geschätzte Tagesgage: 5.000 Euro.
Zverevs Angriff auf Lendls Autorität
Zverev junior hatte offenbar in einem Anfall von Naivität geglaubt, es könne nach den Zerrüttungen in seinem Team noch einmal einen Neustart geben – ein Jahr nach der besiegelten Allianz, jetzt vor den US Open 2019. Seine scharfen Hamburger Einlassungen, der Verweis auf den Golf-Tick Lendls, das Einfordern von mehr Engagement, waren aber ein so direkter Angriff auf die Autorität des gebürtigen Tschechen, dass der gar nicht anders konnte, als seine Demission zu verkünden. Lendls Verweis auf die problematischen Verhältnisse im Umfeld Zverevs, auf den großen Krach des Profis mit seinem Manager Patricio Apey, war nur ein Vorwand.
Die sogar vor Gericht ausgetragene Posse hätte Lendl nicht stören müssen, aber er selbst war ja das Teil des Problems. Er und Vater Zverev. Ein Duo, das nicht mehr gemeinsam zum Wohle von Zverev junior arbeiten konnte, sondern den Fortschritt ins Wanken brachte. Becker, der Chef des deutschen Herrentennis und gelegentliche Ratgeber auch von Zverev, hatte es bei seiner Stippvisite schon auf den Punkt gebracht: „Man hat die Entscheidung getroffen, Ivan Lendl zu engagieren. Dann muss man das richtig machen, oder man muss aufhören. Diese Situation ist für keinen befriedigend. “ Man – am Ende waren es allerdings nicht die Zverevs selbst, sondern Lendl, der das Aufhören inszenierte. Mittendrin im Heimspiel von Zverev am Hamburger Rothenbaum.
Und Trainer von Zverev junior ist und bleibt Zverev senior.