French Open: Der ewige Nadal - die faszinierende Herrschaft des Matadors
Rafael Nadal hat am Sonntagnachmittag seinen 13. Titel bei den French Open eingefahren. Ein Ende der Dominanz des Spaniers in Roland Garros ist nicht in Sicht.
von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet:
11.10.2020, 20:26 Uhr
Als Rafael Nadal im Frühling 2005 zum ersten Mal die French Open gewann, tat er es mit der ungestümen Kraft und Wucht eines 19-jährigen Teenagers. Anderthalb Jahrzehnte später ist er immer noch und immer wieder das Maß aller Dinge im roten Sand von Roland Garros – ein Mann, der ganze Generationen von Gegnern zermürbt und geschlagen hat. Die Guten, die Besseren und auch die Besten.
Und wenn ein einziges Spiel die Macht und Herrlichkeit Nadals beim größten Sandplatzturnier der Welt illustrierte, dann war es das vorläufig letzte Spiel des wuchtigen Imperators: Als er an diesem 11. Oktober 2020 hinabsank auf die Knie, am frühen Abend um 17.50 Uhr, da hatte er den im Saisonverlauf ungeschlagenen Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic mit 6:0, 6:2 und 7:5 zum traurigen, frustrierten Statisten des French Open-Finales degradiert und sich seinen schon 13. Titel geholt.
Nadal auf Augenhöhe mit Roger Federer
Es war ein historischer Moment, dieses außergewöhnlich einseitige Spiel gegen alle Erwartung, der Sieg im vielbeschworenen „Kampf der Giganten“: Denn erstmals in seiner brillanten Karriere schloss Nadal mit dem 20. Grand-Slam-Pokalgewinn auf Augenhöhe zu Roger Federer auf, dem derzeit verletzt pausierenden Maestro. „Ich bin einfach nur glücklich über meine Leistung. Ich schaue nicht auf die Zahlen und Rekorde“, sagte Nadal, der wieder einmal, fast wie selbstverständlich, in seinem eigenen Pariser Universum kreiste. Djokovic, der heftig geschlagene Gegner, musste nicht viel sagen, um später seine Gefühle zu beschreiben, auch die Kräfteverhältnisse da draußen in der Arena: „Warum Rafa der König auf Sand genannt wird, hat heute jeder gesehen. Ich am besten.“
Am Ende dieses zwangsläufig seltsamsten Tennisjahres aller Zeiten war wenigstens in Paris sportlich alles wie immer: Nadal, dieser ewige Matador, zog seine einsamen, faszinierenden Kreise, wie ein Unberührbarer – und der Rest der Welt konnte ihm nur staunend bei der ganzen Prachtentfaltung zusehen. Mit seinen 34 Jahren wirkte er allerdings im Endspiel tatsächlich noch einmal eine verblüffende Spur stärker als jemals zuvor nicht nur in diesem Turnier, sondern überhaupt in seiner persönlichen Roland-Garros-Historie. „Das war, ganz klar, der beste Nadal, den ich je gesehen habe“, urteilte Boris Becker, einst der Trainer von Gegenspieler Djokovic. Mit ihm zusammen, mit Becker, hatte Djokovic vor fünf Jahren die French Open gewonnen und dabei auch im Viertelfinale seinen einzigen Sieg gegen den Mallorquiner gelandet.
Djokovic konnte über jedes einzelne Spiel froh sein
Im sage und schreibe 56. Spiel der beiden Großmeister gab es nun aber über weite Strecken gar kein echtes Duell. Sondern einen Alleingang von Nadal, der mit überwältigender Entschlossenheit und Power die Regie in der Partie nahm – und aus den Startblöcken zu einem 6:0-Gewinn des Auftaktsatzes stürmte. Es wurde auch danach nicht viel besser für Djokovic, der mit hängenden Schultern die Seiten wechselte und sichtlich konsterniert war über das, was sich unter dem geschlossenen Dach des Centre Court abspielte. Nämlich eine demütigende und deklassierende Vorstellung Nadals, der aus allen möglichen und unmöglichen Lagen seine Siegpunkte vom Schläger zauberte. Unglaublich, aber wahr: Bis zum Ende des zweiten Satzes, den Nadal mit 6:2 gewann, hatte der Seriengewinner gerade einmal im Ringen mit der Nummer eins der Branche vier Fehler aufnotiert. „Er spielte wie im Rausch, wie jemand, den nichts auf diesem Planeten aufhalten kann“, sagte der ehemalige Weltranglisten-Erste Mats Wilander.
Djokovic konnte froh sein über jedes einzelne Spiel, das er an diesem schwarzen Sonntag gewann, einem der schwärzesten Tage überhaupt als Frontmann der Branche. Im dritten Satz gelang es ihm vorübergehend, auf ein vergleichbares Level zu Nadal zu kommen. Aber es waren schließlich nur Achtungserfolge, Ehrenpunkte. Die Vorentscheidung fiel, als Nadal das Break zum 6:5 gegen den Serben gelang. Djokovic trottete da schon wie ein armer Sünder zur Pausenbank, wohl wissend, dass es vorbei war für ihn. Dann servierte Nadal die Partie aus, er ging auf die Knie, war buchstäblich in seinem geliebten Element, dem Sand von Paris.
211 Tage hatte er pausiert in der Corona-Ära, von seinem Titelgewinn im Februar in Acapulco bis zum ersten Match beim Masters in Rom – zur Vorbereitung auf die French Open. Er verlor dort gegen den Argentinier Diego Schwartzman, aber jedem war klar, dass in Paris ein anderer Nadal auftauchen würde. Der gewohnte Nadal. Der beste Sandplatzspieler aller Zeiten, der Mann, der nun 100 Partien unterm Eiffelturm gewonnen und nur zwei verloren hat. Und noch ist Nadal nicht am Ende, noch längst nicht.