In der Einser-Panier zum Baron
Dominic Thiem und Rafael Nadal trainieren Seite an Seite, der Österreicher hat danach noch eine Verpflichtung bei Boris Becker. Die Spannung vor dem Halbfinale steigt.
von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet:
08.06.2017, 21:02 Uhr
Von Jens Huiber aus Paris
Irgendjemand muss ja die Übersicht behalten im bunten Treiben auf der viel zu kleinen Anlage im Stade Roland Garros. Und dieser Jemand ist nun mal Boris Becker, der Rote Baron, der seit diesem Jahr für Eurosport expertiert. Die übertragenden TV-Sender sind im sogenannten "TV Compound" untergebracht, Mats Wilander unterhält sich dort flüchtig, aber herzlich mit James Blake, Lindsay Davenport eilt die Treppe zum Medien-Restaurant hinab. Boris Becker aber observiert, er steht an das Geländer des offenen Studios gelehnt, mit freiem Blick auf die Courts 4 und 5.
Angesagt haben sich bei Becker Dominic Thiem und dessen Coach Günter Bresnik, den mit dem Deutschen eine längst vergangenen kurze, wiewohl intensive Arbeitsbeziehung verbindet. Thiem trainiert also auf dem 5er, die Tribüne ist gut gefüllt, nicht so voll allerdings wie jene gleich daneben. Eben da übt Rafael Nadal, der letzte, nicht unwesentliche Stolperstein für den Österreicher in Richtung erstes Grand-Slam-Finale. Thiem hat sich einen Linkshänder organisiert, einen Franzosen, der sich stets bemüht. Das Spiel von Nadal ist natürlich nicht zu kopieren, der Großmeister selbst übt am Ende mit Carlos Moya. Der wiederum spielt seine Bälle auch etwas anders als Thiem.
Djokovic kein Thema
Die Trainingstage im "Jean Bouin" sind also gezählt, das Spielerfeld ausgedünnt, selbst die Junioren liegen schon in den letzten Zügen. Es sind Plätze frei zum Üben. Günter Bresnik greift nur kurz ins Geschehen ein, geht die meiste Zeit seiner Lieblingsbeschäftigung dieser Tage in Paris nach: dem Loben seines Schützlings. Vor allem der Slice hat es Bresnik angetan, gespielt nicht aus der Not heraus, sondern bewusst als taktisches Mittel. Achja: Dass Dominic Thiem auch mit der Rückhand weiß, wo das Tor steht, das habe die Nummer sieben der Welt gegen Novak Djokovic eindrucksvoll gezeigt.
Djokovic ist gar kein Thema mehr an diesem Donnerstag, ob und wie lange er pausieren wird, das versuchen einige Auguren zwar zu ergründen. Dass dieses sinnlose Unterfangen überhaupt ausgetragen wird, liegt allerdings exklusiv daran, dass die Damen ihre beiden Halbfinals erst um 15 Uhr starten. Es herrscht ein gerüttelt Maß an Langeweile, da hilft auch das Finale im gemischten Doppel nicht weiter.
Thiem und Nadal, das wird schon früh am Donnerstag bekannt, werden am Freitag die zweite Partie bestreiten, was jeder Logik widerspricht, schließlich haben die Beiden ja immer vorgelegt, als letzte verbliebene Vertreter der unteren Tableauhälfte. Andererseits ist auch wurscht, die Wettervorhersage ist ordentlich, Stan Wawrinka und Andy Murray, die um 12:45 Uhr beginnen sollen, werden schon nicht bis zum Einbruch der Dunkelheit fighten.
Mann des Morgen
Dominic Thiem war bei Boris Becker schon vergangene Woche zu Gast, solo, im Garten vor dem Rugby-Stadion. Am Tag vor dem Nadal-Match ist der Weg ins Studio für Thiem gepflastert mit Interessenten, gefragt sind Bilder und Autogramme, das österreichische Fernsehen bittet sogar um eine Wortspende. Keine Rede von Spießrutenlauf, versteht sich, der Lichtenwörther kann mit allen, alle können mit ihm. Was auf der ATP-Tour keine Seltenheit ist, für die zahlreichen, auch öffentlich ausgetragenen Scharmützel bei den Damen entwickelt Thiem indes weder Verständnis noch Interesse.
"J'adore le tennis". Thiem, ein Mann des Jetzt, dem das Morgen gehören wird, trägt für die Übungseinheit ein T-Shirt aus dem vergangenen Jahr. Natürlich nur, solange der Österreicher auf dem 5er die Bälle schlägt. Das offizielle Outfit, das der bekennende Chelsea-Fan auch in königlichem Blau genommen hätte, ist selbstverständlich dabei. Wenn der Baron ruft, dann muss die Einser-Panier her.
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