"Zu wenige Kontakte für Philipp"
Davis-Cup-Kapitän Michael Kohlmann ist für ein paar Tage nach Paris gekommen. Während des Matches von Novak Djokovic gegen Joao Sousa nimmt sich Kohlmann ausführlich Zeit für die Analyse der deutschen Auftritte in Roland Garros 2017.
von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet:
01.06.2017, 10:23 Uhr
Von Jens Huiber aus Paris
tennisnet: Herr Kohlmann, wie fällt Ihr allgemeines sportliches Fazit nach den ersten paar Tagen in Paris aus?
Michael Kohlmann: Ich weiß noch nicht, ob ich das Niveau bis jetzt so gut finde. Ich habe das Gefühl, dass die Plätze hinten ein wenig abfallen, das heißt, je länger man die Returns spielt, umso mehr Bälle rutschen durch. Deshalb sind auch viele Rahmenbälle zu sehen. Aber die Top-Leute haben bis jetzt ordentliche Leistungen gezeigt.
tennisnet: Der äußere Eindruck ist ja tatsächlich so, dass man gar nicht glaubt, dass dies hier Sandplätze sind...
Kohlmann: Es ist relativ rutschig ganz hinten - und etwa einen Meter vor der Grundlinie kommt plötzlich der Sand.
tennisnet: Alle sechs deutschen Starter sind in der ersten Runde ausgeschieden. Was auch an der Auslosung gelegen hat? Selbst der an Position neun gesetzte Alexander Zverev hat mit Fernando Verdasco noch einen großen Brocken erwischt.
Kohlmann: Generell waren die Auslosungen sicherlich nicht optimal. Bei Mischa Zverev ist dazu gekommen, dass er das Finale in Genf gespielt hat. So ein Endspiel ist für Mischa natürlich toll, als Vorbereitung auf das Turnier hier in Paris aber nicht ideal. Zumal er dann noch einen Gegner gehabt, der davor dreimal in der Qualifikation gespielt, die Bedingungen gekannt hat. Mischa ist erst am Sonntag nach Paris gekommen, das war für ihn dann sicherlich einer der Hauptgründe. Am Ende hat man gesehen, dass Mischa keine Körner mehr hatte, nicht mehr dagegenhalten konnte.
tennisnet: Florian Mayer hat mit Pablo Carreno Busta einen der heißeren Spieler 2017 erwischt.
Kohlmann: Der ist im Race immer noch die Nummer neun, auch wenn er in der Weltrangliste nah an der 20 ist. Carreno Busta hat dieses Jahr schon sehr gute Ergebnisse gehabt, insofern war das natürlich ein schwieriges Los. Flo war im ersten Satz ganz gut im Match, danach ist ihm Carreno Busta einfach weggelaufen.
Der Untergrund muss stimmen
tennisnet: Was trauen Sie Florian Mayer nun auf Rasen zu? Es gilt einige Punkte aus dem Vorjahr zu verteidigen.
Kohlmann: Generell traue ich Flo auf Rasen immer alles zu. Das hat man ja letztes Jahr gesehen mit seinem Turniersieg in Halle, den keiner antizipiert hat. Er hat jetzt mit den Siegen in Madrid und Rom, wo er gute Matches gespielt hat, gezeigt, dass er auf jeden Fall mit fast allen mitspielen kann. Und wenn dann der Untergrund auch noch passt, glaube ich, dass etwas für Flo drinnen ist auf Rasen.
tennisnet: Der Dienstag ist dann aus deutscher Sicht sehr schwierig verlaufen, beginnend mit der Niederlage von Philipp Kohlschreiber gegen Nick Kyrgios. Muss man als Gegner dann halt einfach sein Schicksal akzeptieren, wenn Kyrgios so aufschlägt wie in dieser Partie?
Kohlmann: Das ist immer schwierig zu sagen. Zum einen hat Kyrgios unglaublich gut serviert. Und generell das Tennisspielen einfach unterbunden, hat die Ballwechsel extrem kurz gehalten, Philipp gar nicht die Anzahl an Schlägen machen lassen, die dieser braucht, um einen gewissen Rhythmus zu kriegen. Trotzdem hatte Philipp hier und da mal Situationen, wo er Kyrgios mit Sicherheit nicht nur hätte ärgern, sondern auch einen Satz gewinnen können.
tennisnet: Der Tiebreak des zweiten Satzes ist sehr unglücklich verlaufen.
Kohlmann: Das stimmt, aber wenn man so wenige Kontakte mit dem Ball hat, ist es auch schwierig, in solchen Situationen das Beste abzurufen. Das war ein ganz schwieriges Match, in dem Kyrgios einfach überragend serviert, konstant zwischen 210 und 220 km/h aufgeschlagen hat.
tennisnet: Am Nachmittag gab es dann die Fortsetzung des Matches von Alexander Zverev gegen Fernando Verdasco. Wie schätzen Sie den Auftritt der deutschen Nummer eins ein?
Kohlmann: Es war ziemlich windig auf dem Court, das konnte man ganz gut am Netz erkennen. Wenn man dann eine Position so weit hinter der Grundlinie hat wie Sascha, da ist sein flaches Spiel sehr schwierig durchzusetzen. Verdasco hat es dann schlau gemacht, ein bisschen höher und länger gespielt, Sascha aus dem Platz rausgedrängt. Das Match war aus meiner Sicht am Montag und Dienstag exakt gleich. Mir hat da ein bisschen an Variation gefehlt, dass man mal etwas anderes probiert. Verdasco hat andererseits schlau serviert, ist gar nicht so sehr auf seinen ersten Aufschlag draufgegangen, hat mehr auf Quote serviert, ist dadurch immer gut in die Ballwechsel gekommen.
tennisnet: Zu Beginn des Jahres war es auffällig, dass Alexander Zverev immer öfter den Weg ans Netz gesucht hat. Davon war gegen Verdasco nichts zu sehen. Warum?
Kohlmann: Ich glaube, Saschas Position war einfach zu weit hinter der Linie, da konnte er sich diese Situationen gar nicht erarbeiten. Er ist nicht in den Platz reingekommen. Es war dann häufig so, dass er von drei, vier Metren hinter der Grundlinie Verdasco nicht so unter Druck setzen konnte, dass dann mal ein kürzerer Ball kam.
"Und dann ist Goran aufgewacht"
tennisnet: Jan-Lennard Struff hat den Abschluss auf Court 1 gegeben, gegen Tomas Berdych ganz schlecht begonnen. Ist dann zurück gekommen und hat zu Beginn des vierten Satzes gute Chancen vergeben. Wie kritisch muss man genau diese Phase sehen?
Kohlmann: Also: So gut wie in den ersten beiden Sätzen habe ich Tomas Berdych schon lange nicht mehr gesehen. Das war eine sehr gute, entspannte Leistung, ohne richtig großen Kraftaufwand. Jan-Lennard hat verhältnismäßig schlecht serviert, sein erstes Aufschlagspiel waren es noch vier erste Aufschläge, danach war die Quote nicht da, da hat er zu wenige Punkte mit dem Service gemacht oder vorbereitet. Jan-Lennard hat sich gut zurückgekämpft, hatte Anfang des vierten Satzes das Momentum, es aber dann nicht geschafft, wegzuziehen. Und dann ist Goran Ivanisevic an der Seite auch ein bisschen aufgewacht, hat Berdych ein bisschen gepusht. Und dann hat Berdych noch einmal eine Schippe draufgelegt und das Match zugemacht.
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tennisnet: Sie sind auch hier, um die Gegner für das Relegationsmatch in Portugal zu scouten. Ist Novak Djokovic gerade zu gut für Joao Sousa, auf den das deutsche Team im September treffen wird?
Kohlmann: Djokovic ist zum einen sehr gut, was das Spiel von Sousa natürlich schlechter aussehen lässt. Ich habe Sousa aber auch schon vor zwei Tagen gesehen, da hat er gegen Tipsarevic gewonnen, da sah das schon sehr gut aus. Insofern ist es gut, sich einen Spieler im Sieg und in der Niederlage anzusehen, um die guten und weniger guten Sachen zu erkennen.
tennisnet: Wir sitzen hier ein paar Reihen hinter Andre Agassi. Nötigt eben jener der heutigen Spielergeneration auch noch Respekt ab?
Kohlmann: Absolut. Wenn Boris Becker oder Andre Agassi früher in die Kabine gekommen sind, dann war erst mal Ruhe. Und ich habe von einigen Spielern gehört, dass das jetzt mit Agassi immer noch so ist.
tennisnet: Hinter Agassi sitzt Pepe Ymaz. Hat es mit dem irgendwann sportliche Berührungspunkte für Sie gegeben?
Kohlmann: Ich bin mir relativ sicher, dass ich gegen ihn gespielt habe, nicht aber, ob im Einzel oder Doppel. Was ich aber sagen kann: Ich habe mit Sicherheit gewonnen.
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