French-Open-Verschiebung: Die Tenniswelt ist aus den Fugen geraten
Der Machtkampf spitzt sich zu: Die unabgesprochene Verschiebung der French Open in Paris stürzt die Tennisszene ins Chaos.
von SID / tennisnet
zuletzt bearbeitet:
19.03.2020, 08:18 Uhr
Roger Federer dürfte ziemlich verärgert sein. Der Schweizer Maestro hat im September 2017 in Prag erstmals den Laver Cup ausspielen lassen, ein sportlich unbedeutendes Spaßturnier, freilich eines, an dem die besten Tennisspieler bisher mit großer Freude teilgenommen haben. Die vierte, für Boston geplante Austragung des Duells "Europa gegen den Rest der Welt", ist nun aber gefährdet: Seit Dienstag sollen zur gleichen Zeit die French Open in Paris stattfinden.
Die Verschiebung des wichtigsten Sandplatzturniers der Welt auf den Zeitraum zwischen 20. September und dem 4. Oktober hat die Tennisszene kalt erwischt - und in ein Chaos gestürzt. Erst eine Woche vorher, am 13. September, soll mit dem Finale der Herren das normalerweise letzte Grand-Slam-Turnier des Jahres zu Ende gehen, die US Open. Für Rafael Nadal etwa hieße dies: Er müsste seine zwei Titel von 2019 innerhalb eines wahnwitzig kurzen Zeitraums verteidigen. "Es gibt das Problem, dass man innerhalb von fünf Wochen zwei Slams durchspielen müsste, was körperlich für die Topspieler kaum zu schaffen ist", äußerte sich etwa Tenniscoach Jan de Witt - der gespannt ist, wie die Spieler reagieren werden.
"Stärkere Zusammenarbeit als je zuvor"
Auch in der Tenniswelt hat die Corona-Pandemie alle mühsam austarierten Pläne zur Makulatur werden lassen, doch mit der Entscheidung der Organisatoren von Roland Garros schien zugleich deutlich: Im anhaltenden Machtkampf zwischen dem Weltverband ITF, den Spieler-Gewerkschaften ATP (Herren) und WTA (Damen), Turnierveranstaltern oder einem Federer mit seinem Laver Cup ist sich jeder selbst der Nächste, und jeder kämpft bisweilen ohne Rücksicht auf Verluste.
Am Mittwoch veränderte sich das Bild jedoch ein Stück weit - zu Ungunsten der Pariser. Die ATP und die WTA verlängerten in einem gemeinsamen Beschluss ihre Spielpausen bis zum 7. Juni, damit entfallen auch die BMW Open in München. Die aktuellen Zeiten "erfordern von allen Mitgliedern der Tennisgemeinschaft eine stärkere Zusammenarbeit als je zuvor", hieß es in dem Statement. Auch die Veranstalter von Wimbledon, der Australian Open, der US Open und die ITF teilten die Auffassung. Nicht erwähnt wurden: die Ausrichter der French Open.
Naomi Osaka: "Excusez moi???"
Zuvor waren schon die Reaktionen der Spieler deutlich ausgefallen. "Excusez moi???", wie bitte???, twitterte die Japanerin Naomi Osaka, Siegerin der Australian Open 2018 und US Open 2019. In der Tat überraschte die Entscheidung nahezu alle Betroffenen. "Das ist krank", sagte Vasek Pospisil, Mitglied im Spielerrat der ATP, der New York Times. Die Entscheidung der Veranstalter in Paris sei "egoistisch", sie spielten ein "power play", und das sei "ziemlich arrogant".
Der Tennisverband der USA (USTA) schloss in einer ersten Reaktion nicht aus, seinerseits sein Grand-Slam-Turnier zu verschieben, betonte allerdings mit einem Seitenhieb auf die French-Open-Organisatoren: Die USTA würde eine Entscheidung wie jene niemals alleine treffen, sondern sie absprechen "mit den anderen Grand-Slam-Turnieren, der WTA und ATP, der ITF und unseren Partnern - den Laver Cup eingeschlossen". Vor den US Open ist derzeit noch Wimbledon terminiert (ab 29. Juni).
Angeblich haben die Veranstalter von Roland Garros, die aufgrund gewaltiger Investitionen in die Anlage am Bois de Boulogne dringend auf Einnahmen angewiesen sind, vor ihrer Ankündigung nur den zwölfmaligen Sieger Nadal informiert - unter anderem Federer blieb außen vor. Seine Agentur teilte mit, die Entscheidung der Franzosen werfe "viele Fragen auf". Und nur damit das klar sei: Der Laver Cup solle an dem dafür vorgesehen Termin (25. bis 27. September) stattfinden.