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Henri Squire: „Irgendwann musste ich auf die Karte Roland Garros setzen“

Nach seinem Erfolgslauf bei den French Open, wo er aus der Qualifikation in die zweite Runde des Hauptfelds einziehen konnte, startet Henri Squire diese Woche beim Neckarcup in Heilbronn. Im tennisnet-Interview berichtet er von seinen Erfahrungen in Roland-Garros.

von Dietmar Kaspar
zuletzt bearbeitet: 04.06.2024, 12:56 Uhr

Seventyfour.Studio
© Seventyfour.Studio
Mit großem Selbstvertrauen geht Henri Squire in Heilbronn an den Start.

Von Dietmar Kaspar aus Heilbronn

Trotz des bislang durchwachsenen Wetters in Heilbronn, mit zahlreichen Regenschauern, zeigte sich Henri Squire beim ersten Schlagtraining anlässlich seines Starts beim ATP-Challenger-Turnier der Kategorie 100 in bester Laune. Bestimmt dürfte dem gebürtigen Duisburger noch die ein oder andere Erinnerung aus Paris in den Kopf gehuscht sein. Im Anschluss an seine erste Trainingseinheit auf der Anlage des TC Heilbronn, am idyllisch gelegenen Trappensee, stand der 23-jährige zum Interview zur Verfügung.

tennisnet: Gab es schon ausreichend Möglichkeiten für dich, das Erlebte in Paris zu verarbeiten?

Henri Squire: Ich hatte Donnerstag mein letztes Match, danach habe ich Freitag und Samstag gar nicht gespielt. Zuhause war ich dann einfach mal komplett weg vom Tennis, was mir sehr gutgetan hat. Insofern habe ich das Geschehene schon ziemlich gut verarbeitet.

tennisnet: Hast du denn auch schon realisiert, was dir da in Roland Garros gelungen ist?

HS: In dem Moment, in dem ich die Matches gespielt habe natürlich noch nicht. Im Nachhinein habe ich dann schon gemerkt, wie groß das von den Medien gemacht wurde, weil man etwas anderes gemacht hat als sonst. Die Grand-Slams viermal im Jahr sind etwas ganz besonderes und haben so eine große Geschichte. Davon bereits einmal ein Teil gewesen zu sein, macht mich schon stolz.

tennisnet: Was war das besondere Erlebnis für dich beim Grand-Slam-Turnier?

HS: Zuallererst habe ich mich einfach gefreut, mitspielen zu können. Ich bin mit großem Spaß in jedes Match gegangen und habe versucht, das Beste daraus zu machen. Nach der erfolgreichen Qualifikation durfte ich mein erstes Fünfsatz-Match bestreiten, was vom Kopf her schon nochmal anders ist. Gerade auch wegen der vielen Regenunterbrechungen war das mental eine ganz andere Nummer. Mit diesen ganzen Aufs und Abs muss man wirklich erst umgehen lernen. Wir hatten ja um 11 Uhr angefangen und erst um 19 Uhr war die Begegnung beendet. Nervlich hat das Match schon viel gekostet und am nächsten Tag war ich total fertig, hab viel geschlafen und nur ein bisschen trainiert, um mich auf das nächste Match vorzubereiten.

tennisnet: Was für Lehren kann man aus solchen Best-of-Five-Matches ziehen?

HS: Solche Matches führen einem vor Augen, dass man total fokussiert bleiben muss, auch wenn es mal nicht so gut läuft. Das muss man in dem Moment einfach akzeptieren und weitermachen bis zum letzten Punkt. Ich hatte ja sechs Matchbälle gegen mich, konnte aber die Spannung bis zum Schluss hochhalten. Man kann erst ausatmen und lockerlassen, wenn das Match vorbei ist.

tennisnet: Bei der offiziellen Meldefrist warst du noch 15 Plätze außerhalb des Qualifikationsfeldes. Wie hat sich das bis zum Turnierstart dann entwickelt?

HS: Nachdem einige Verletzte aus der Qualifikation und dem Hauptfeld relativ schnell rausgezogen hatten, bin ich mit zwei Plätzen raus nach Paris angereist. Mit diesem Status konnte ich dort auch trainieren, musste aber die Kosten für Hotel und Verpflegung selbst bezahlen. Am Donnerstag hatte dann ein Argentinier aus dem Hauptfeld abgemeldet, somit war ich der nächste Nachrücker. Dann hat es sich ewig hingezogen. Am Sonntag, wo um 14 Uhr die Auslosung für die Quali war, war ich bis eine Stunde davor immer noch nicht im Feld. Dann haben zum Glück noch zwei rausgezogen und ich konnte mein Abenteuer Roland Garros beginnen.

tennisnet: Wenn es mit der Teilnahme in Paris nicht geklappt hätte, wäre da noch ein Plan B mit einem anderen Turnierstart in der Woche bereitgestanden?

HS: Ich hatte noch für das ATP-Turnier in Genf gemeldet, wo ich im Qualifikationsfeld gestanden wäre. Am Freitag musste ich mich aber final entscheiden, ob ich auf die Karte Roland Garros setze oder in Genf antrete. Das Turnier in Genf ist wäre auch cool gewesen, aber die Option auf die erste Teilnahme bei einem Grand Slam war für mich halt wesentlich reizvoller. 

tennisnet: Wie groß war das Nervenflattern während der Wartezeit in Paris?

HS: Als ich am Freitag angereist war, wusste ich schon, dass der Tscheche Lehecka am Rücken verletzt ist und deshalb höchstwahrscheinlich nicht spielen wird. Die Hauptfeldteilnehmer hatten aber noch bis zum Mittwoch, an dem die Qualifikation bereits in vollem Gange war, die Möglichkeit zum Rückzug. Ich musste also darauf hoffen, dass er dies bis zur Auslosung der Quali am Sonntag tut. Ich bin aber vorbereitungsmäßig erst mal selbstbewusst an die Sache herangegangen, als wenn ich bereits im Feld stehen würde. Je näher es aber an die Deadline heranging, wurde die Nervosität schon immer größer. Dennoch habe ich versucht, einfach die Atmosphäre dort zu genießen und selbst wenn es nicht geklappt hätte, wäre es eine riesige Erfahrung gewesen. Irgendwann habe ich dann gar nicht mehr auf die Liste geschaut, bis mein Vater mich dann mit der freudigen Nachricht erlöst hat.

tennisnet: Du bist oft auf den gleichen Turnieren wie dein Profi-Kollege Rudolf Molleker aus Berlin unterwegs. Wie hilfreich ist es, dort mit einem Landsmann Erfahrungen austauschen zu können?

HS: Rudi und ich sind sehr gut befreundet und es macht uns riesigen Spaß, wenn wir die gleichen Turniere spielen können. Im Vorfeld tauschen wir uns natürlich regelmäßig aus, wie die jeweilige Turnierplanung des anderen aussieht. Hier in Paris hat es mir riesig geholfen, da er schon reichlich Erfahrung bei den Grand-Slam-Turnieren, sowohl in der Qualli als auch im Hauptfeld, gesammelt hatte. Ich bin erstmal etwas verwirrt auf der Anlage in Roland Garros herumgelaufen, weil das alles total neu für mich war. Da hat er mir dann gezeigt, wie das alles funktioniert und worauf man zu achten hat. Auch abseits davon ist es einfach schön, einen guten Freund auf der Tour zu haben, mit dem man auch neben dem Platz gerne Zeit verbringt.

tennisnet: Welche Auswirkungen hat das erfolgreiche Abschneiden in Paris auf deine Herangehensweise hier beim Challenger-Turnier in Heilbronn?

HS: Hier in Heilbronn ist es ein total anderes Turnier mit komplett anderen Bedingungen. Trotz der Erlebnisse in Paris werde ich da komplett bodenständig an die Aufgabe herangehen. Auch hier ist das Level so hoch, dass man da gegen jeden auch verlieren kann. Ich nehme aber trotzdem viel Selbstvertrauen aus den letzten beiden Wochen in Paris mit und möchte den Schwung natürlich gerne nutzen. Ich habe bereits die letzten drei Jahre hier gespielt und habe mich bei dem toll organisierten Turnier immer sehr wohl gefühlt. Generell spiele ich die Turniere in Deutschland immer gerne und freue mich deshalb sehr, hierher wieder zurückzukehren.

Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg.

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Dienstag
04.06.2024, 09:00 Uhr
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