Mit „Swiss Miss“ auf der Suche nach neuer Konstanz?

Die Wimbledonfinalistin kann künftig auf die Unterstützung von Martina Hingis zählen. Und das vielleicht auch längerfristig.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 11.01.2014, 15:31 Uhr

Als sich Sabine Lisicki in den letzten Wochen des alten Jahres in eleganten Abendkleidern durch die feierliche Ball-Saison bewegte, war das Theater ihrer größten Tennisträume nie weit entfernt. Lisicki wurde stets, ob nun beim Frankfurter „Ball des Sports" oder auch bei der Baden-Badener Kür der „Sportler des Jahres", wie in einer Zeitmaschine als „Bum Bum Bine" zu den beiden ebenso verrückten wie stolzen Wochen im All England Club zurückgeschleudert. „Alle haben noch darüber geredet. Es war noch einmal eine wunderbare Begegnung mit Wimbledon", sagt Lisicki, „und es war auch Motivation für die neue Saison. Motivation, wieder solche Riesenmomente zu erleben."

Wenn die 24-jährige Berlinerin in der Nacht zum Montag bei den Australian Open auf den Platz marschiert, zum Erstrundenspiel gegen die Kroatin Mirjana Lucic-Baroni, zählt der knapp unvollendete Grand-Slam-Coup auf den grünen Rasenfeldern Londons aber nichts mehr. Es ist sogar so, dass der Endspieleinzug beim wichtigsten Major-Wettbewerb und die ziemlich unergiebigen Turnierwochen danach die gern frohgemute Blondine in eine gewisse Drucksituation versetzen. Was Branchenkenner und Fans von ihr, der Frau mit der mächtigen Schlag-Power, schon seit dem Aufstieg in die Weltspitze erwarten, muss sie nun endlich auch einmal zeigen im Wanderzirkus der Profis: Eine gleichmäßig gute Saison, eine Spielzeit der Konstanz und Berechenbarkeit, Topergebnisse bei allen vier Major-Wettbewerben der Saison. Und eben nicht nur im geliebten Wimbledon. „Mein Anspruch ist klar", sagt Lisicki, „ich will stabil auf hohem Niveau spielen und in die Top Ten aufrücken." Was sie nicht noch unbedingt hätte sagen müssen, aber dann doch sagt direkt vor dem Turnierstart im National Tennis Center zu Melbourne, ist dies: „Das Selbstbewusstsein dafür ist da. Der Glaube, das zu schaffen."

Hingis: Erinnerungen an Beckers Fettnäpfchen-Tour

Unter einem Problem mangelnder Zuversicht hat die „Berlinerin des Jahres 2013" ja noch nie gelitten, viel eher schon an der Bereitschaft, über die ganze Spielserie hartnäckig genau diese Ziele zu verfolgen. So waren die Probleme, die nach dem strahlenden Wimbledonauftritt auftauchten, keinesfalls gänzlich neue, unbekannte Probleme: Der Belgier Wim Fissette, eben noch ein scheinbar perfekt passender Partner als Coach, wurde während einer Asienreise vor die Tür gesetzt. Und auch der Körper spielte hin und wieder nicht mit bei der Frau mit Seite-1-Faktor, er streikte vor, während und nach einigen Tour-Einsätzen. Am Ende der Saison jedenfalls war Tennis bei den Lisickis wieder eine reine Familienangelegenheit, mit Vater Richard als Chef de Mission.

Ob ihm, dem Doktor der Sportwissenschaften, das nun recht war oder nicht, weiß man nicht so ganz genau. Aber immerhin hat sich das Tennis-Familienunternehmen nun durch eine verstärkt, die früher auch einmal die Hauptfigur eines Familienunternehmens war - Martina Hingis (33), „Miss Swiss" und fünfmalige Grand-Slam-Königin. „Sie unterstützt mich, hilft uns im Team", sagt Lisicki. Klappt es mit der Allianz leidlich gut, beim Testfall Australian Open, so hört man aus dem Lisicki-Umfeld, könnte noch mehr aus dieser schillernden Kombination werden. Es wäre wohl auch im dringenden Interesse von Hingis, die 2013 in zuweilen obskurer Weise auf dem Zeitungsboulevard erschien, sogar im Zuge einer Strafanzeige, die ihr Ex-Mann Thibault Hutin gegen Hingis, ihre Mutter Melanie Molitor und deren Lebensgefährten erstattet hatte, weil die ihn angeblich verprügelt hätten. Das ließ sogar die gescheiterte Comeback-Tour von Hingis als Doppelspielerin an der Seite der Tschechin Daniela Hantuchova verblassen. Kurz und knapp: Ein bisschen erinnerte das alles an die Fettnäpfchen-Tour des alten deutschen Heroen Becker, bevor der bei Novak Djokovic anheuerte.

„Das ist die Qualität der früheren Champions"

Hingis wird nun in Melbourne wie jener Becker auf der Tribüne sitzen, um Rat und Hilfestellungen zu geben. Den Trickreichtum, mit dem sich Hingis einst gegen die Größeren und Stärkeren zu wehren wusste, kann Lisicki durchaus gut gebrauchen. Schließlich setzt die 24-jährige bisher vornehmlich auf ihre Wucht, Dynamik und Schlagkraft - und noch nicht ausreichend auf die bei ihr ja vorhandene Spielintelligenz, auf Finten und Finessen. Hingis, sagt Lisicki, sei vertraut mit den Situationen, „in denen es bei großen Turnieren hart auf hart geht": „Das ist die Qualität der früheren Champions, die jetzt alle zurückgekommen sind ins Tennis."

Nervenstärke und Coolness wird sie in Australien noch zusätzlich beweisen müssen, die Berlinerin mit dem harten Punch. Nicht etwa wegen des gerade überstandenen Schreckmoments, als ein Fremder in ihr Hotelzimmer vordrang und dann schnell wieder unerkannt verschwand, sondern weil sie auch wegen ihrer frischen Beziehung zu Comedian Oliver Pocher nun besonders genau unter Beobachtung stehen wird. „Es gibt schon Leute, die in den Startlöchern sitzen mit der Schlagzeile: „Lisicki liebt den roten Teppich mehr als den Centre Court", sagt ein Freund der Familie, „das ist Quatsch, aber darauf muss sie gefasst sein."

von tennisnet.com

Samstag
11.01.2014, 15:31 Uhr