Mannarino im Interview: "Federer hat den Tennissport auf ein anderes Level gehoben"
Adrian Mannarino spricht im ausführlichen Interview mit tennisnet.com über Gedanken an ein Karriereende, den Rücktritt von Roger Federer und zwei außergewöhnliche Angewohnheiten.
von Nikolaus Fink
zuletzt bearbeitet:
13.10.2022, 19:37 Uhr
Herr Mannarino, Sie sind mittlerweile 34 Jahre alt und wir befinden uns zudem bereits in der Spätphase der Saison. Wie geht es Ihnen körperlich?
Mich plagt bereit seit einigen Monaten eine Knieverletzung. In den vergangenen Wochen ist diese ein bisschen schlechter geworden. Ich bin gerade in Paris und versuche, die Probleme in den Griff zu bekommen, um so bald wie möglich auf die Tour zurückzukehren.
Ursprünglich wollten Sie in der kommenden Woche in Neapel an den Start gehen. Steht dieser Plan noch?
Ich bin mir nicht sicher. Ich gebe mein Bestes und werde vermutlich am Freitag eine Entscheidung treffen. In den letzten zwei Wochen (Basel und Paris-Bercy, Anm.) werde ich aber definitiv spielen.
Schon in der kommenden Woche könnten Sie die neue französische Nummer eins sein, sollte Arthur Rinderknech nicht in Gijon gewinnen. Was bedeutet Ihnen das?
Um ehrlich zu sein, bedeutet mir das nicht viel. Ich war im Ranking bereits höher platziert und damals nicht die französische Nummer eins. Wenn ich zwischen diesen beiden Optionen wählen könnte, würde ich mich für das höhere Ranking entscheiden.
Ihr Karrierehoch ist Weltranglistenposition 22. Denken Sie, dass Sie diese Platzierung noch einmal toppen können?
Das hängt von meinem Körper ab. Mein Tennislevel ist so hoch wie zuvor auch schon, vielleicht sogar höher. Es ist aber so, dass das mein Körper nicht mehr so gut wie früher funktioniert. Ich werde weiterhin hart im Fitnessstudio arbeiten, um wieder fit zu werden. Ich werde mein Bestes versuchen und denke, dass ich dieses Ranking schon noch einmal verbessern kann. Wir werden sehen.
Wenn man sich verletzt, ist es schwer, wieder von vorne zu beginnen und sich zurückzukämpfen.
Adrian Mannarino
Sie sprechen Ihre Verletzungsprobleme an. Denken Sie bereits über ein Karriereende nach?
Um ehrlich zu sein, habe ich das am Anfang des Jahres gemacht. Meine Motivation war so niedrig und es war schwierig für mich, auf die Tour zurückzukehren und die ganze Zeit zu reisen. Ich habe keine Motivation auf dem Court gefunden. Dann hatte ich aber glücklicherweise einen guten Lauf bei den Australian Open. Das hat mich wieder motiviert, weiterzumachen. Danach standen viele schöne Events wie der Davis Cup, Indian Wells oder Miami auf dem Programm. Ich habe wieder gespürt, dass ich gutes Tennis spiele. Ich habe es also weiterhin versucht und fühle mich jetzt motivierter als zuvor. Ich hoffe einfach darauf, dass es so weitergeht. Wenn man sich verletzt, ist es schwer, wieder von vorne zu beginnen und sich zurückzukämpfen. Jeder Tag ist anders. Ich hoffe einfach, dass ich wieder fit werde und das dann auch bleibe.
Wie gehen Sie mental mit den großen Herausforderungen auf der Tour um?
Ich versuche, nur die Turniere zu spielen, die ich mag. Das ist besser für mich. Früher bin ich zu mehr Turnieren gereist, wo die Rahmenbedingungen vielleicht nicht immer die besten waren. Jetzt will ich einfach meine Zeit auf dem Court genießen.
Sie haben bereits Ihren Lauf bei den Australian Open angesprochen. Sie haben im Achtelfinale gegen Rafael Nadal verloren, zuvor aber Hubert Hurkacz und Aslan Karatsev geschlagen. Schildern Sie uns Ihre Eindrücke aus den Tagen von Melbourne
Ich habe dort wirklich gut gespielt. Das Match gegen Karatsev war eine wahre Night-Late-Schlacht im Best-of-five Format. Anschließend konnte ich die Partie gegen Rafa zwar zu Ende spielen, aber ich habe mich nach dem ersten Satz verletzt. Also hat das Match im Grunde genommen nur einen Satz gedauert - danach war es fast vorbei. Ich habe sehr gute Erinnerungen an das Turnier, hätte mir aber gewünscht, es mit einem größerem Kampf beenden zu können.
Sie haben im September den Davis Cup in Hamburg bestritten. Wie bewerten Sie das in diesem Jahr einmal mehr geänderte Format?
Es ist für mich immer eine Ehre, mein Land zu repräsentieren. Ich hatte eine gute Zeit mit meinen Freunden und dem gesamten Betreuerstab. Wir erleben immer schöne Dinge. Ich war sehr froh, in diesem Jahr zu spielen, obwohl ich mich nach dem ersten Match verletzt habe und meinen Freunden nicht so helfen konnte, wie ich wollte. Und natürlich wissen wir alle, dass das Format nicht das beste ist. Dennoch bin ich immer froh darüber, gemeinsam mit meinen Freunden zu spielen.
Sie hatten auch 2021 in Wimbledon Pech, als Sie in der ersten Runde gegen Roger Federer gespielt haben und zu Beginn des fünften Satzes wegen einer Knieverletzung aufgeben mussten. Mittlerweile wissen wir, dass dies Federers letztes großes Turnier war. Wie blicken Sie auf diesen Auftritt mit dem Wissen von heute zurück?
Das war ein gutes Match von mir. Ich habe mich auf dem Court wohlgefühlt, aber ich habe auch gespürt, dass Roger definitiv nicht auf seinem besten Level war. Er war physisch erschöpft und hat sich nicht so gut bewegt wie zuvor. Es wäre schon gewesen, wenn das sein letztes Match gewesen wäre (lacht). Es war schrecklich, dass ich mich schwer verletzt habe und mein ganzer Sommer davon betroffen war. Zudem habe ich auch das Match selbst verloren. Das alles war noch dazu an meinem Geburtstag. Das ist keine gute Erinnerung.
Wie würden Sie Federers Karriere und seinen Einfluss auf den Tennissport zusammenfassen?
Er war ein großes Vorbild für alle Tennisspieler. Er war eine große Inspiration für uns alle und wir hatten viel Glück, dass es ihn gab. Er hat den Tennissport auf ein anderes Level gehoben. Es war sehr schwer, mit ihm Schritt zu halten. Er war sowohl auf als auch außerhalb des Platzes sehr nett und es wäre schön, mehrere Vorbilder wie ihn zu haben. Er wird aber einzigartig bleiben. Es war schön, einige Male mit ihm auf dem Platz zu stehen. Ich habe gute Erinnerungen, obwohl ich jedes Mal verloren habe (7:0 im Head to Head, Anm.). Es war immer etwas Besonderes, gegen ihn zu spielen.
In diesem Jahr haben Sie in Winston-Salem ihren zweiten Karrieretitel geholt. In der ersten Runde mussten Sie gegen Christopher O’Connell allerdings vier Matchbälle abwehren. Was sagt das über die Dichte im Tennissport aus?
An der Spitze geht es wirklich eng zu. Man kann gegen jeden Gegner gewinnen und verlieren. Entscheidend ist das Selbstvertrauen. Manchmal kann nur ein Match einen großen Unterschied ausmachen. Das war bei mir der Fall. Ich war für Winston-Salem nicht sonderlich motiviert, habe es von Match zu Match aber immer mehr genossen. Am Ende war ich sehr motiviert, den Titel zu holen. Es war schön, die zweite Trophäe in meiner Laufbahn zu gewinnen. Es war zwar nicht die beste Vorbereitung auf die US Open, weil ich viele Spiele absolviert habe, aber diesen Titel kann mir niemand mehr nehmen.
Wenn ich mit ein oder zwei Kilogramm mehr bespanne, kommt der Ball nicht einmal über das Netz.
Adrian Mannarino
Eine Besonderheit bei Ihnen ist, dass Sie Ihre Schläger äußerst weich bespannen. Welche Vorteile erhoffen Sie sich dadurch?
Ich sehe das nicht als Vorteil. Ich spiele einfach mit der Bespannung, die zu meinem Spiel passt. Ich spiele nicht so kraftvoll. Wenn ich mit ein oder zwei Kilogramm mehr bespanne, kommt der Ball nicht einmal über das Netz. Ich versuche einfach, die richtige Balance zwischen Power und Präzision zu finden. Aktuell bespanne ich mit zehn oder elf Kilogramm. Natürlich ist das ein bisschen besonders und anders, aber ich denke nicht darüber nach und werde auch nichts ändern. Ich fühle mich einfach wohl damit. Ich bin sehr froh, dass ich nie Schulterprobleme hatte - auch da hilft die weiche Bespannung.
Wie schwierig war es für Sie, sich in jüngeren Jahren mit Ihrer Art des Spiels und der weichen Bespannung zu behaupten?
Ich habe nie darüber nachgedacht. Ich habe nicht darauf geachtet, was andere Leute über meine Bespannung gesagt haben. Wie gesagt: Ich habe mich mich damit einfach wohlgefühlt und das ist nach wie vor der Fall. Manchmal nehme ich bei Turnieren aber schon noch kleine Veränderungen vor. Ich versuche einfach, mich bestmöglich vorzubereiten.
Eine weitere Besonderheit ist, dass Sie bis kurz vor Matchbeginn nicht wissen wollen, gegen wen Sie spielen. Wie ist es dazu gekommen?
Ich habe einfach immer versucht, mich darauf zu konzentrieren, was ich tun soll. Ich will die Dinge nicht überdenken. Dazu zählt auch, sich über das nächste Match nicht allzu viele Gedanken zu machen. Man verliert nur Energie, wenn man darüber nachdenkt, wie der Gegner sein Spiel anlegen könnte. Ich will die Dinge einfach halten. Am Abend vor einem Match schlafe ich auch immer gut, weil ich nicht einmal weiß, gegen wen ich spiele. Für gewöhnlich erzählt mir mein Coach eine Stunde vor Matchbeginn, gegen wen ich spiele. Ab diesem Zeitpunkt entwickeln wir einen Plan. Zuvor würde es für mich keinen Sinn machen, damit Energie zu verschwenden.
Würde es nicht Sinn ergeben, sich auf die unterschiedlichen Stärken und Schwächen des jeweiligen Gegners vorzubereiten?
Ich bin seit 15 Jahren auf der Tour. Ich weiß also, wie ich gegen wen spielen muss. Ich vertraue meinem Gefühl, aber natürlich spiele ich dadurch sehr intuitiv.