Marc-Kevin Goellner: „Wichtig ist der Schulabschluss“
Seit 20 Jahren leitet der ehemalige Davis-Cup-Sieger Marc-Kevin Goellner eine Tennisakademie. Wer der Anlage einen Besuch abstattet, der stellt schnell fest: eine gute Tennisausbildung braucht mehr als nur Tennis.
von Daniel Hofmann
zuletzt bearbeitet:
28.11.2024, 10:31 Uhr
Der Sommer lässt sich an diesem Herbsttag auf der Anlage im Süden von Köln nochmal blicken, als John Sperle für seine Trainingssession in der Akademie von Marc-Kevin Goellner ankommt. Trainiert wird jedoch nicht draußen auf einem Sandplätze, stattdessen geht es in die Halle. „In zwei Wochen spiele ich auf Hartplatz einige Turniere“, sagt der junge Tennisprofi. Die Halle in der Akademie bietet vier erstklassig präparierte Hardcourts. Eine Wahl der Vernunft und Professionalität, auch wenn das Wetter in diesem Spätsommer noch so verlockend ist.
Professionalität, das ist schnell zu merken, ist hier in der MKG-Akademie überall zu spüren. Der ehemalige Davis-Cup-Sieger lebte diese viele Jahre auf der Tour selbst vor. Schaffte es in der Weltrangliste bis auf Platz 24 im Einzel und belegte Rang 25 im Doppel. Bei den olympischen Spielen 1996 in Atlanta gewann Goellner an der Seite von David Prinosil die Bronzemedaille. 2004 erfolgte die Gründung der heutigen Akademie. Grundstein für das Leben nach der Tenniskarriere.
„Überlegen, ob aus dem Hobby eine Profikarriere werden soll“
Junge Menschen zum Leistungssportler zu entwickeln, das ist definitiv nicht einfach. Der Ansatz ist nach 20 Jahren laut Marc-Kevin Goellner unverändert: „Die Philosophie ist immer noch gleich. Wenn Du nicht alles gibst, hast Du gar keine Chance. Und selbst wenn, haben nur wenige echte eine Chance. Mir ist wichtig, dass alle einen Schulabschluss machen, im besten Fall das Abitur. Und sich dann überlegen, ob aus dem Hobby Tennis eine Profikarriere werden soll. Das muss nicht zwangsläufig so sein.“
Die Tage als Leiter einer Tennisakademie sind abwechslungsreich, trotz der täglichen Stunden auf dem Court. Die Tage beginnen oft mit einer Trainingseinheit, danach geht es für die Spieler zur Schule. Nach weiteren Einheiten mit älteren Spielern am Vormittag, folgen am Nachmittag auch Elterngespräche oder die Klärung von organisatorischen Fragen zur Instandhaltung der Anlage. Dazu kommt die Turnierbetreuung oder das Scouten neuer Talente. „Das ist ein schöner und anspruchsvoller Job, aber natürlich kein Zuckerschlecken“, sagt der Akademieleiter.
Höherer Leistungsdruck als beim Verband
Den Weg über eine Akademie zu wählen und nicht vollumfänglich auf die Verbandsstrukturen zu setzen, hat laut Goellner seine Vorteile: „Ich war auch selbst nie ein Verbandskind. Ich bin der Meinung es müsste wie in Italien laufen. Die Spieler bekommen Geld zur Verfügung und können es selbst unabhängig für ihr Training nutzen. Das geht nicht ohne Sponsoren, aber natürlich muss ein Verband die Profis breiter unterstützen.“
Aber für die Verbände hat der ehemalige Weltklassespieler auch Verständnis, da die Strukturen oftmals Dinge komplizierter machen, verschiedene Ebene einbezogen werden müssen und Gelder daher nicht so einfach in bestimmte Projekte fließen. „Da haben es private Akademien einfacher. Bei uns ist der Leistungsdruck dafür höher. Wenn wir das gewünschte Ergebnis mit einem nicht Spieler erzielen, dann sucht sich dieser natürlich schnell etwas anderes.“
Charakterstärke als garantierte Perspektive
Aktuell arbeiten vier Tennistrainer, zwei Konditionstrainer und ein Mentaltrainer in der Akademie mit fünf Akteuren im höheren Leistungsbereich, 35 Nachwuchsspielern und 80 Vereinskindern zusammen. Das Thema Profi steht dabei nicht als das wichtige Ziel an erster Stelle, was Marc-Kevin Goellner besonders wichtig ist: „Alle haben die Perspektive, dass sie charakterstarke Menschen werden, die eine gute Schulbildung haben. Das Versprechen, Du wirst der nächste große Spieler. Das gibt es bei uns nicht!“
Diese Herangehensweise kennt auch John Sperle. Mit dem 22-jährigen arbeitet Goellner seit dreizehn Jahren zusammen. Eine Sache schätzt der Tennislehrer ganz besonders an seinem Schützling: „John wälzt Niederlagen nie auf den Trainer oder andere ab. Wir können darüber reden, ohne dass es Schuldzuweisungen gibt. Das ist eine wichtige Grundlage.“ Und eine Eigenschaft, die nicht nur der Akademieleiter bei vielen Spielern vermisst und zu schnellen Wechseln bei den Coaches führt.
„Der Druck ist bei allen jungen Spielern sehr groß“
Was die Zukunft des deutschen Profitennis angeht, wagt Goellner keine Prognose. „Die kann niemand geben“, was auch für den 17-Jährigen Justin Engel gilt, der mit dem Erstrundenerfolg in Almaty zuletzt seinen ersten Sieg auf der ATP Tour feiern konnte und aktuell laut Weltrangliste der beste Spieler seines Jahrgangs ist: „Justin spielt fantastisches Tennis. Lass ihn erstmal dahinkommen. Es hängt von so vielen Faktoren ab. Der Druck ist bei allen jungen Spielern sehr groß, lasst sie einfach lernen und spielen.“
Ein Besuch in der Akademie von Marc-Kevin Goellner, wo auch während der Trainingssessions oft Musik läuft, verdeutlicht noch viel mehr, wie schwer und unvorhersehbar der Weg zum Tennisprofi ist. Mit dem ehemaligen Davis-Cup-Sieger haben die jungen Spieler einen Ausbilder an ihrer Seite, der diesen Weg selbst kennt und daher auch andere Themen ins Zentrum stellt. Das kann eine wichtige Basis für die große Karriere sein. Ob auf dem Court oder daneben.