Moritz Thiem im Exklusiv-Interview: "Es ist eigentlich eine ganz einfache Rechnung"
tennisnet.com durfte beim ATP-Sandplatz-Turnier in Rio de Janeiro mit Dominic Thiems Neo-Manager Bruder Moritz offen und ehrlich über die Zukunft der österreichischen Nummer eins sprechen.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
21.02.2023, 19:07 Uhr
tennisnet.com: Letzte Woche das Turnier in Buenos Aires, jetzt Rio. Es gibt Licht aber auch einiges an Schatten. Diese starken Schwankungen - woher kommen die? Wie erklärst du dir das?
Moritz Thiem: Ich habe das erste Match in Buenos Aires nicht gesehen. Als ich mir die Highlights angeschaut habe, hat das echt relativ gut ausgeschaut. Also es war wirklich solide und so könnte er auf jeden Fall auch viele Matches gewinnen, wenn er so spielt. Beim zweiten Match habe ich nur den ersten Satz gesehen. Da muss man sagen, das hat er auch selber gesagt, das war kein gutes Match von ihm, überhaupt kein gutes. Da hat er einfach viel zu viele Fehler gemacht. Anhand dieses Beispiels sieht man einfach, dass das nicht komplett sattelfest ist. Also beim Training schon, aber beim Match ist es halt einfach eine komplett andere Situation.
Das ist tatsächlich sichtbar, also diese vielen Fehler auch ungewöhnlich. Er wird ja immer daran gemessen werden, wie es quasi zu Zeiten des US-Open-Gewinns war. Das heißt, ihr werdet genau daran arbeiten, warum es dieses Phänomen gibt, dass es auf dem Platz diese Rückschläge gibt. Ist das jetzt nur noch eine Kopfsache?
Also 2020, das war natürlich sein bestes Jahr. Da hat er wahrscheinlich sein bestes Tennis gespielt. Und dann mit der Verletzung, das ist einfach unglücklich gewesen, weil die Verletzung, muss man ehrlich sagen, die war extrem schwer. Die gehört zu den schlimmsten Sachen, die passieren können - am Fuß und am Handgelenk. Und da zurückzukommen ist einfach ein extrem harter und langer Weg. Und manche Spieler managen das einfach schneller bzw. die sind vielleicht auch mit einem besseren Gefühl in eine Verletzung reingegangen. Denn wie sich der Dominic verletzt hat, war er ja nicht an seinem höchsten Level. Also bevor er sich verletzt hat, hat er ein bisschen ein Formtief gehabt und ist dann schon mit einem schlechteren Gefühl in die Verletzung reingegangen. Und deshalb dauert es jetzt einfach umso länger. Aber man kann sowieso nicht mehr sagen, okay, das muss man vergleichen mit 2020. Man muss ihm jetzt noch mehr freie Hand lassen, damit er sich das einfach zurückholt.
Ihr werdet ja einen Masterplan haben, was jetzt die Form in Richtung Paris betrifft und wohl überhaupt wie das ganze Jahr aussehen soll.
Ich hoffe, dass er jetzt auf jeden Fall ein paar Punkte sammelt, überhaupt jetzt noch in Santiago de Chile und dann in Indian Wells und Miami, aber man weiß nie. Da sind überall super Gegner, die derzeit einfach auf einem Level spielen, wo er sich schwer tut. So ehrlich muss man es sagen. Und da muss er jetzt einfach bei jeder Partie schauen, dass er die irgendwie gewinnt, damit er die Punkte holt. Er geht in die meisten Matches nicht mehr als Favorit rein, das ist ganz klar. Man muss schauen, ob dann die Punkte ausreichen bzw. das Ranking gut genug ist für die Grand Slams und für die ATP-Turniere. Ansonsten muss man wieder zurück zu den Challengern. Aber das sind alles Sachen, das kann niemand voraussagen, Das sieht man dann erst nachher.
Der Wechsel zu dir als Manager ist ja sicherlich auch Teil des Masterplans, dass er ein familiäres Umfeld und auch Vertrauen zu den Leuten hat. Wo er weiß, die sind immer für mich da, da kann ich mich hundertprozentig drauf verlassen. Das macht ihn ja vielleicht auch wieder lockerer in anderen Situationen.
Da hast du schon recht. Es ist einfach so gewesen, dass wir gesagt haben, wir wollen das Geschäftliche bei uns in der Familie lassen. Die Leute wissen das ja nicht, was wir vielleicht auch absichtlich so gemacht haben, dass das keiner weiß. Aber es läuft bei uns Gott sei Dank vom Business her sehr, sehr gut. Die letzten zehn Jahre hat es nie irgendein Problem gegeben, weder mit dem Geld, noch mit irgendwelchen Investments oder so. Da haben wir alles perfekt gemacht. Da haben wir auch Gott sei Dank Glück gehabt, dass wir da ein Team gehabt haben und auch einfach in der Familie so gescheit waren, dass wir das gut gemacht haben. Das hat immer super funktioniert und das bleibt auch so. Es hat nie jemand die Hand drüber gehabt, außer wir. Jetzt haben wir einfach gesagt, dass man den kleinen Teil, der dann noch übrig bleibt wie das Organisatorische mit Turnieren und so, dass das einfach auch bei uns bleibt, weil ich das die letzten drei Jahre eh großteils gemacht habe. Das ist dann einfach stressfreier und auch entspannter.
Hast du dir da auch Informationen von anderen Spielern geholt, die das so ähnlich machen - z.B. bei Mischa und Alexander Zverev?
Naja, vielleicht ein bisschen. Wir haben einmal in Dubai geplaudert, aber auch nicht wirklich. Und es ist auch kein Neuland für mich. Ich hab die letzten drei Jahre eigentlich sowieso schon die Hand drüber gehabt, aber halt komplett im Hintergrund. Jeglicher Vertrag oder jeglicher Plan ist sowieso zu mir gekommen, weil ich dafür zuständig war. Das heißt letztendlich, die Entscheidung ob die Unterschrift bei einem Vertrag gemacht wurde, war sowieso bei mir. Zum Beispiel so wie jetzt: Den Vertrag mit Red Bull habe ich abgeschlossen und den haben wir jetzt auch verlängert. Das einzige Neuland ist jetzt, dass das so öffentlich ist bzw. dass ich halt mehr in der Öffentlichkeit stehe. Aber das ist jetzt auch nicht wirklich etwas, was neu ist.
Ist da gerade noch was in der Pipeline, was vertraglich mit anderen Partner verhandelt wird oder geht es eher um Verlängerung und Beständigkeit in der Zusammenarbeit?
Wir arbeiten immer gerne mit einem Partner für sehr lange Zeit zusammen. Mit Adidas haben wir noch in der Zeit von Kosmos verlängert. ich jetzt mit Red Bull und dann haben wir auch noch die Bank Austria. Und auch das ist dieses Jahr verlängert worden. Und das sind so Partner, auf die muss man einfach stolz sein. Da muss man schauen, dass man die beibehalten kann, weil das sind Topmarken, die besten, die es gibt. Und die Zusammenarbeit mit Babolat, die läuft sowieso noch. Außerdem haben wir noch ein paar andere Sponsoren, die uns extrem wichtig sind.
Und dann vermutlich auch mit dem Ziel, wenn es wieder in Richtung Top Ten geht, dass man dann auch globale Partner hat.
Man muss natürlich schauen, wie es sich entwickelt, das hat man in den letzten Jahren gesehen. Es ist eine ganz einfache Rechnung. Wenn du einen Spieler hast, der ganz oben in den Top Ten ist, dann ist es viel einfacher einen Vertrag zu bekommen. Und wenn er nicht ganz oben ist, ist es fast unmöglich. Da bleibt dir dann nur, andere Wege zu gehen, wo wir jetzt auch dran sind, aber das ist alles noch geheim. Aber wenn er wieder ganz, ganz hoch kommt, ist natürlich der Plan dann voll anzugreifen und dann muss man auch schauen, dass man wieder aggressiv drauf losgeht.
Das heißt, das Ziel ist ganz klar, irgendwann wieder in den Top Ten zu stehen.
Das Ziel ist natürlich wieder dorthin zu kommen, wo man war. Aber das ist ein Ziel, das jetzt noch extrem weit weg ist. Jetzt heißt es kleinere Ziele setzen, ansonsten ist das einfach ein zu weiter Weg.
Das Gespräch führte Harald Buchheister.