Mr. "Winning Ugly" wird 60: Herzlichen Glückwunsch, Brad Gilbert!
Brad Gilbert hat das Tennisspielen nicht erfunden - aber gezeigt, wie man das Beste aus eingeschränkten Mitteln herausholen kann.
von Florian Goosmann
zuletzt bearbeitet:
11.08.2021, 10:27 Uhr
"Gilbert, du verdienst es nicht, mit mir auf demselben Platz zu stehen", schimpfte John McEnroe. "Du bist der Schlechteste. Der ... Schlechteste!"
McEnroe erlebte gerade seinen persönlichen Alptraum, damals, im Madison Square Garden, beim Masters im Jahre 1985. McEnroe, das Tennisgenie, verlor gegen den Trickser mit 7:5, 4:6 und 1:6, als Folge legte er erst mal eine längere Pause vom Tennis ein.
Zu McEnroes Beruhigung: Die 13 übrigen Partien gegen Brad Gilbert gewann er. Aber von diesem einen Sieg, da erzählt Brad Gilbert gerne, auch in seinem Vermächtnis, dem Buch Winning Ugly, eines, wenn nicht das bekannteste Tennisbuch der Welt.
Denn Brad Gilbert war nicht mit dem Aufschlag eines Boris Becker gesegnet oder der Vorhand eines Ivan Lendl, geschweige denn mit dem Ballgefühl eines John McEnroe. Gilbert aber hatte Köpfchen, er beobachtete seine Gegner schon vor dem Match, zu einer Zeit, als es denn Begriff "Scout" noch gar nicht gab. Die Infos schrieb er in ein kleines schwarzes Büchlein. Und entnervte seine Kontrahenten im darauffolgenden Match mit den Erkenntnissen, die er gesammelt hatte.
Andre Agassi über Brad Gilbert: "Wie gegossen"
Bis auf Platz 4 der Welt hat es der US-Amerikaner geschafft, er hat 20 Titel gewonnen und sie alle geschlagen, die ganz Großen - bis auf Lendl. "Ivan, der Schreckliche" gewann alle 16 Partien der beiden.
Noch zum Ende seiner aktiven Laufbahn veröffentlichte Gilbert sein Buch, von dem auch Andre Agassi Wind bekam - und Gilbert als Coach anheuerte. Diese Szenen beim ersten Treffen der beiden, die Agassi in seinem eigenen Buch Open beschrieb, sind herrlich.
„Ich hatte ganz vergessen, wie markant er aussieht. Er hat dunkles Haar und ein kantiges Gesicht, aber nicht im klassischen Sinne. Seine Züge wirken nicht wie gemeißelt, eher wie gegossen“, schreibt Agassi. Der schönste Satz: „Ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren, dass Brad aussieht wie ein Urmensch, als wäre er gerade aus einer Zeitmaschine gesprungen, noch ganz überwältigt davon, dass er gerade das Feuer entdeckt hat.“ Besonders Gilberts Körperbehaarung hatte es Agassi angetan. „Alleine seine Augenbrauen sind eindrucksvoll. Ich denke: Aus seiner linken Braue könnte ich mir ein hübsches Toupet basteln.“
Gilberts „Bewerbungsgespräch“, das Agassi auf den weiteren Seiten zusammenfasst, ist völlig absurd und besteht aus Gilberts Sportmetaphern und dem Vergleich eines Grand-Slam-Turniers mit Black Jack, schließlich brauche man auch im Tennis 21 (Sätze), um einen Grand-Slam-Titel zu gewinnen. „BG“ kann zudem nur „Bud Ice“ trinken, hat Angst vor Manny Moskito und gibt neben seinen Ansichten über Tennis ungefragt Nachhilfe darin, wie man eine Hähnchenkeule mit Mozzarella bestellt. Nach dem Genuss der fünf Seiten fragt man sich tatsächlich, ob Gilbert leicht verrückt, nicht von dieser Welt oder einfach nur der coolste Typ des Universums ist.
Gilbert, der Twitter-Experte
Nach der Zusammenarbeit mit Agassi brachte Gilbert auch Andy Roddick bis auf Platz 1 der Welt, die Zusammenarbeit mit Andy Murray ist angeblich auch daran gescheitert, dass Gilbert ohne Punkt und Komma redete. Was zu seinem aktuellen Job ja passt, als TV-Experte für ESPN.
Auch die Normalsterblichen unterhält der "Man in Black" via Twitter auf @bgtennisnation (in Anlehnung an seinen Tennisladen „Brad Gilbert Tennis Nation“ in seinem Heimatort San Rafael), vor allem seine Nicknames für die Tennisstars haben hier Kultstatus. Roger Federer ist "FedFan", Bernard Tomic nennt er "Weekend at Bernies", Genie Bouchard ist "Genie in a Bottle". Und Anastasia Pavlyuchenkova? "Scrabble".
Heute feierte der große Sportfan seinen 60. Geburtstag - und wenn man eines bedauern kann, dann, dass wir hierzulande nicht mehr von ihm mitbekommen. Denn auch wenn er vielleicht manchmal (zu) viel quatscht: Sein Wissen und seine Beobachtungsgabe - sie sind im Tennis fast unerreicht.
Happy Birthday, Brad!