Novak Djokovic in der Kritik: "Die meisten schütteln mit dem Kopf, wenn sie momentan seinen Namen hören"

Novak Djokovic war der überragende Mann des Tennisjahres 2020 - bis die Corona-Pandemie kam. Seither macht der Weltranglisten-Erste keine gute Figur.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 12.06.2020, 16:01 Uhr

Entspannter Sonntagnachmittag für Novak Djokovic
Entspannter Sonntagnachmittag für Novak Djokovic

Als Novak Djokovic am Abend des 29. Februar in Dubai wieder einmal als Turnier-Champion in die Kameras lächelte, war die Welt des besten Tennisspielers noch in Ordnung. Beim Millionenspektakel am Golf hatte der Serbe aufs Neue seine Konkurrenten gebührend auf Abstand gehalten, es war der dritte Turniersieg beim dritten Start in dieser Saison. 18 Matches, 18 Siege, nichts und niemand schien Djokovic stoppen zu können. Doch dann kam die Pandemie, und wenn man überhaupt noch von Gewinnern und Verlierern in dieser globalen Gesundheitskrise sprechen will, dann gehörte Djokovic ein ums andere Mal in den letzten Wochen und Monaten zu den Verlierern.

Die Serie fragwürdiger Auftritte und Ansichten hat sich bis in diese Tage der allmählichen Lockerungen fortgesetzt, gerade steckte der „Capitano“ herbe Kritik aus dem Kreis der Kollegen ein, weil er das Hygienekonzept für die US Open als „extrem“ bezeichnete und ziemlich unverblümt einen Start beim amerikanischen Grand Slam ausschloss. „Arrogant“ trete Djokovic auf, war noch das Mindeste, was von Mitstreitern aus dem Wanderzirkus zu hören war: „Die meisten schütteln nur mit dem Kopf, wenn zurzeit der Name Djokovic genannt wird“, sagt ein europäischer ATP-Berufsspieler aus den Top 100. 

Djokovic-Tour: Social Distancing ein Fremdwort

Als brauchte es eine Bestätigung dafür, zirkulierten Bilder von Djokovics aktueller Adria-Tour. Bilder auch vom gemeinsamen Fußballkick mit Kollegen wie Alexander Zverev oder Grigor Dimitrov. Bilder mit Umarmungen, Abklatschen wie in alten, pandemiefreien Tagen. Von Distanz, Regeln, Social Distancing keine Spur. Manchen, etwa den rührigen DTB-Vizepräsidenten Dirk Hordorff, brachte das in Rage. Seinen Tweet über Partystimmung in Serbien löschte er allerdings wieder. Einen Tweet, in dem auch zu lesen gewesen war, dass Djokovic wegen angeblichen Zeitmangels nicht an einer Videokonferenz der ATP und der US Open zur Austragung des Turniers habe teilnehmen können.

Dass sich jener Djokovic nicht vorstellen konnte, zu den US Open ohne seine gewohnte Entourage anzureisen und stattdessen nur eine Begleitperson im Team zu haben, gehörte freilich noch zu den milderen Eklats. Noch mehr schockierte der inzwischen umstrittene Präsident des ATP-Spielerrats mit bizarren Auftritten im Universum der Sozialen Medien oder mit provozierenden Interviews. In einem Instagram-Gespräch mit dem Esoteriker Chervin Jafarieh verstieg sich der 33-jährige Branchenführer zu der These, „dass es einige Menschen gibt, die durch energetische Umwandlung, durch die Kraft des Gebets, durch die Kraft der Dankbarkeit schaffen, die giftigste Nahrung oder das am stärksten verschmutzte Wasser in heilsames Wasser zu verwandeln.“ Dann ergänzte er noch: „Wissenschaftler haben bewiesen, dass die Moleküle im Wasser auf unsere Gefühle, auf das, was gesagt wurde, reagieren.“ Das alles wirkte ähnlich befremdlich wie der denkwürdig irre Auftritt des US-Präsidenten Donals Trump, der Desinfektionsmittel als Therapie gegen den Corona-Virus ins Gespräch gebracht hatte.

Djokovic und der Impfzwang

Es war gleichwohl nicht die erste heftige Kontroverse um und mit Djokovic in der größten gesellschaftlichen Herausforderung der Neuzeit. Denn schon früh in der Pandemie, als eine Fortsetzung der globalen Tingeltour nur mit einer wirksamen Impfung möglich schien, hatte Djokovic genau das für sich abgelehnt. „Ich will generell nicht, dass mich jemand zwingt, einen Impfstoff einzunehmen, um reisen zu können“, sagte Djokovic.

Die Kritik ließ nicht lange auf sich warten, und sie kam selbst aus seinem Heimatland Serbien. Der Epidemiologe Predrag Kon, Mitglied des nationalen Krisenstabs, gab zu Protokoll: „Ich hätte gern die Gelegenheit gehabt, Djokovic die Bedeutung und den immensen Beitrag von Impfungen für die Gesundheit der Bevölkerung zu erklären.“ Ganz trocken fertigte Spaniens Matador Rafael Nadal den Rivalen ab: „Wenn die Tour eine Impfung zum Schutz aller vorschreibt, dann muss Djokovic geimpft werden. Sonst kann er nicht spielen.“ 

"Von Vorbildfuktion weit entfernt"

Nun geht es aktuell allerdings nicht nur um Djokovic allein, sondern auch um die Außendarstellung der gesamten Tennisszene. Und da wirkt die Nörgelei des 17-maligen Grand-Slam-Siegers am wackeren Plan der US Open-Macher ziemlich elitär – und auch wenig repräsentativ für die internationale Artistengruppe. Denn, so merkte die US-Amerikanerin Danielle Collins wohl für viele aus der Branche an, die Austragung biete vielen „endlich wieder die Chance, Geld zu verdienen. Und dann kommt jemand aus der Weltspitze und sagt, dass es unmöglich ist, nur eine Person mit sich nach New York zu bringen.“

Genau das, so Collins, sei für viele Spieler jahrein, jahraus der Normalfall – „und nicht die Ausnahme in einer Krise.“ Djokovic Aussagen konterkarierten auch das Bild der Solidarität unter den Profis, das nach einer Hilfsaktion der Top 100-Spieler für niedriger eingestufte Spieler gezeichnet worden sei, so ein deutscher Akteur: „Von einer Vorbildfunktion in dieser Zeit ist er weit entfernt.“

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von Jörg Allmeroth

Freitag
12.06.2020, 15:52 Uhr
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