Pat Cash im Interview - "Ich achte sehr wenig auf Nick Kyrgios"

Pat Cash, Wimbledon-Sieger von 1987, im tennisnet-Gespräch über Legenden, große Geschichten und einen Landsmann.

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 18.12.2020, 21:17 Uhr

Pat Cash würde eher nicht auf Nick Kyrgios hören
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Pat Cash würde eher nicht auf Nick Kyrgios hören

tennisnet: Mr. Cash. Können Sie für uns einen Streit schlichten? Wer ist die größte Legende im Tennissport?

Pat Cash: Sie meinen zu meiner Zeit?

tennisnet: Fangen wir damit mal an.

Cash: Sicherlich John McEnroe. Zunächst war es wohl Björn Borg. Ich habe auch Jimmy Connors geliebt, weil ich dachte, dass der etwas ganz Spezielles hatte. Aber McEnroe war der Berühmteste. Und Berüchtigste. Wegen der Art und Weise, wie er sich auf dem Court verhalten hat. Wir hatten damals viele fantastische Charaktere. Der Eisenmann Ivan Lendl, dann kam Mats Wilander. Und natürlich Boris Becker. Wimbledon mit 17 Jahren zu gewinnen, das war einfach nur verrückt. Die 1980er waren einfach unglaublich. Es gab eine Story nach der anderen. Wenn wir heute auf diese Zeit zurückschauen - und ich arbeite gerade mit mehreren Unternehmen an einer Dokumentation über die 1980er - dann glauben die meisten Leute die Geschichten nicht, die wir zu erzählen haben.

tennisnet: Zum Beispiel?

Cash: Warte mal: Ein Junge mit 17 Jahren hat Wimbledon gewonnen? Mats Wilander hat die French Open mit 18 gewonnen? Michael Chang sogar mit 16? Und Steffi Graf hatte schon fünf Major-Titel, als sie gerade mal 17 Jahre alt war? Ich kann mich gar nicht an alles erinnern. Aber was wären das heutzutage für Schlagzeilen. Im Moment wird alles von drei Spielern dominiert, vielleicht von vier oder fünf, wenn man Andy Murray und Stan Wawrinka dazuzählt.

tennisnet: Meine Wahl wäre auf Andre Agassi gefallen.

Cash: Er ist eine Legende. Aber ich habe nur über meine Zeit gesprochen. Agassi kam am Ende meiner Karriere. Er war mehr eine Ikone der 90er. Wann hat er sein erstes Grand Slam gewonnen?

tennisnet: 1992 in Wimbledon.

Cash: Das ist ja auch eine verrückte Geschichte. Weil Agassi mochte Gras überhaupt nicht. Es gab einige großartige Persönlichkeiten. Wir können uns glücklich schätzen, dass wir so einen großartigen Sport haben. Und es ist toll, dass Federer, Nadal und Djokovic immer noch so tolles Tennis spielen.

tennisnet: Wer beeindruckt Sie in Sachen Persönlichkeit von den derzeit nachkommenden Spielern?

Cash: Ich glaube, Stefanos Tsitsipas ist eine interessante Erscheinung. Es gibt immer Persönlichkeiten. Wenn jemand etwas anders spielt, dann begeistert das die Leute. Und Tsitsipas ist sicher einer von denen. Dominic Thiem ist auf eine andere Art spannend, weil er den Ball extrem hart schlägt. Shapovalov ist auch ein aufregender Spieler, der gerne ans Netz kommt. Hmm. Die spielen alle mit einer einhändigen Rückhand, oder?

"Rafa Nadal. Wow. Was für ein Spieler!"

tennisnet: Mit Blick auf die French Open 2020 lässt sich aber festhalten, dass es keinen Generationswechsel gegeben hat. Rafael Nadal hat das Endspiel gegen Novak Djokovic gewonnen.

Cash: Rafa ist einfach unglaublich. Wow. Was für ein Tennisspieler. Djokovic natürlich auch. Man sollte niemals nie sagen, aber man kann schon davon ausgehen, dass wir nie mehr einen Sandplatzspieler wie ihn sehen werden. Björn Borg wäre da wohl am ehesten herangekommen, auch der war fast unmöglich zu schlagen. Nadal ist fit, gesund, er ist hungrig. Dann kommt Federer zurück, der ein Jahr Pause gemacht hat, der wird frisch sein. Er wird ein bisschen brauchen, bis er seinen Körper wieder wettkampftauglich bekommt. Aber wir sprechen von drei der größten Spieler aller Zeiten. Solange deren Körper in Ordnung sind, werden sie tatsächlich jedes Jahr besser! Wegen ihrer Erfahrung. Wenn sie mental nicht ausgebrannt werden. Aber alle drei scheinen diese Zielstrebigkeit zu haben. Das kann natürlich nicht ewig so weiter gehen. Bei Rafa könnte man sagen: Ok, wenn man ihn in lange Matches verwickelt, könnte er Probleme bei der Regeneration bekommen. Aber er gewinnt halt immer in der Minimum-Zeit. Er ist phänomenal. Für mich ist es die schwierigste Aufgabe in der Geschichte des Sports, gegen Rafael Nadal in Paris zu gewinnen. Es fällt mir nichts ein, was schwieriger sein könnte.

tennisnet: Nadal versprüht schon beim Betreten vom Court Philippe-Chatrier eine Aura der Unbesiegbarkeit.

Cash: Denken Sie an irgendeine Fußball-Mannschaft, die in irgendeinem Stadion einfach unschlagbar ist. Oder an jemanden, der Jahr für Jahr die Tour de France gewinnt. 13 Mal! Es ist eigentlich undenkbar. Wenn man das vor 20 Jahren gesagt hätte, wäre man im Irrenhaus eingesperrt worden. Es ist eigentlich auch unvorstellbar, dass diese Jungs 20, 20 und 17 Grand Slams gewonnen haben. Da gibt es irgend etwas, das die drei motiviert. Das ist faszinierend. Ich war glücklich darüber, einen Grand-Slam-Titel zu gewinnen, den Davis Cup zu holen. Ich war sehr zufrieden mit meiner Karriere. Und Federer, Nadal und Djokovic sind mit 20 nicht zufrieden. Und zwei oder drei Davis Cups.

tennisnet: Hand auf´s Herz: Hätten Sie lieber die Australian Open als Wimbledon gewonnen? Ihr Endspiel 1986 gegen Mats Wilander war eines der besten Matches, das ich jemals gesehen habe.

Cash: Das war ein großartiges Match. Und es bricht mir das Herz, dass ich diesen Titel nicht geholt habe. Ich habe in zwei Finali gestanden und in beiden gut gespielt. Unter den damaligen Umständen, aber das würde jetzt zu weit führen. Aber Wimbledon zu gewinnen, war immer ein Traum für mich. Meine ersten drei Prioritäten waren Siege in Wimbledon, bei den Australian Open und im Davis Cup. Vielleicht auch bei den US Open. Bei den French Open wusste ich, dass das nicht realistisch war. In Flushing Meadows bin ich bis ins Halbfinale gekommen, hatte dort Matchball. Ich habe in einer sehr kurzen Karriere viele tolle Dinge erreicht. Aber nein: ich würde meine Wimbledon-Trophäe niemals zurückgeben.

tennisnet: Was sollten wir in diesen Tagen von Nick Kyrgios denken? Er verkauft sich gerne als Stimme der Vernunft.

Cash: Ich kenne Nick. Aber ich achte sehr wenig darauf, was er zu sagen hat. Wenn Nick Kyrgios uns Ratschläge gibt, wie wir uns benehmen sollen, dann sind wir in einer schlimmeren Situation, als ich gedacht habe.

Das Interview mit Pat Cash fand bereits im Oktober im Rahmen des ATP-Challenger-Turniers in Ismaning statt.

von Jens Huiber

Freitag
18.12.2020, 08:10 Uhr
zuletzt bearbeitet: 18.12.2020, 21:17 Uhr