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Roehampton – letzte Ausfahrt für Wimbledon

Die letzte Chance zur Teilnahme im Hauptfeld von Wimbledon mit drei Match-Siegen zu ergreifen – das heißt es ab heute für jeweils 128 Spielerinnen und Spieler im „Bank of England Sports Centre“ in Roehampton.

von Dietmar Kaspar
zuletzt bearbeitet: 24.07.2024, 11:00 Uhr

Tennisnet/Privat
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Weltklassetennis hautnah (fast) ohne Tribünen - Qualifying in Roehampton

Von Dietmar Kaspar aus Roehampton

Schon beim Anmarsch über die „Priory Lane,“ vorbei am Headquarter und Trainingszentrum des britischen Tennis-Verbands LTA, zieht man an schicken und gepflegten Villen vorüber. Beim einzig möglichen Zugang zur Anlage über die „Bank Lane“ erspäht man schon den Ziegel-Prachtbau, den Sitz des Tennis-Weltverbands ITF, in dem sich unter anderem schon zahlreiche Auslosungs-Schlachten für den Davis Cup und den Billie Jean King Cup, ehemals Fed-Cup, zugetragen haben.

Hat man es dann endlich durch die zahlreichen Einlass-Kontrollen im extra dafür aufgebauten Zelt geschafft, springt einem jahrzehntelange Tennis-Tradition ins Auge. Eine riesige Grünfläche, die das restliche Jahr über als Cricket-Wiese dient, tut sich mit knapp 40 aufgezeichneten Tennis-Courts für Matches und Training auf. Weltklasse-Tennis pur für die weltweiten Tennis-Freaks, die sich mit ihren selbst mitgebrachten Klappstühlen um die besten Plätze an den jeweiligen Match-Courts rangeln.

Und doch ist die Professionalisierung am alteingesessenen Traditions-Event nicht ganz spurlos vorübergegangen. Gab es früher noch eine große Restaurant-Terrasse, auf der sowohl die Spieler mit ihrem Anhang als auch die Zuschauer ihre Pausen verbrachten, ist dieser Bereich inzwischen einzig und allein den Akkreditierten vorbehalten. Unvergessen, als der deutsche Davis-Cup-Spieler Oscar Otte den Autor des Artikels höflich auf englisch fragte, ob der Stuhl noch frei sei, um danach erfreut festzustellen, dass er dies auch in der deutschen Landessprache hätte erledigen können.

Eigens für die Zuschauer wird seit letztem Jahr ein riesiger Catering-Bereich aufgebaut, in dem für das leibliche Wohl, unter anderem mit dem Pint Bier zum Schnäppchen-Preis von knapp 8,50 britischen Pfund, gesorgt ist. Auch das Potenzial zum Verkauf der offiziellen Wimbledon-Kollektion im mobilen Merchandise-Wagen wurde inzwischen entdeckt.

Ebenfalls hat sich das Ticketing dem fortgeschrittenen Kommerzialisierungsweg angepasst. War der Eintritt bis inklusive 2016 noch komplett frei, wurde 2017 eine „Schutzgebühr“ von 5 Pfund eingeführt. Dies hatte den Hintergrund, dass Maria Sharapova ihr Comeback nach ihrer Doping-Sperre angekündigt hatte und sie dies in der Qualifikation von Wimbledon vorhatte. Mit den verkauften Tickets wollte der All England Lawn Tennis Club dem befürchteten Ansturm mit einem reglementierten Kontingent entgegenwirken. Es kam, wie es kommen musste – Sharapova sagte verletzungsbedingt ab, die Verkaufstickets blieben für immer.  Über die Erhöhung auf 10 Pfund kostet das Ticket aktuell 15 Pfund. Für das pure Erlebnis der Qualifikation in Wimbledon immer noch ok, aber wo geht es der Tradition mal nicht an den Kragen.

Obwohl die Match-Courts, die als Quintessenz aus dem persönlichen Gespräch mit dem ehemaligen Wimbledon-Champion Pat Cash etwas überspitzt einem Kartoffelacker glichen, inzwischen hohen Ansprüchen genügen, ist voraussichtlich 2030 der Umzug der Qualifikation auf die Hauptanlage an der Church-Road geplant. Die Mitglieder des Golf-Clubs gegenüber des Wimbledon-Parks wurden für ihren Verzicht gütlich „entschädigt“, womit der 18-Löcher für zusätzliche Tennis-Courts weichen wird. Auch wenn man den Quali-Event nicht mehr ganz mit dem Treiben aus den früheren Jahren vergleichen kann, als es sogar noch eine eigene Qualifikation für das Doppel gab, sollte man das Vergnügen Roehampton dringlichst noch auf die persönliche Bucket List setzen.

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Otte Oscar

von Dietmar Kaspar

Montag
24.06.2024, 16:14 Uhr
zuletzt bearbeitet: 24.07.2024, 11:00 Uhr

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