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Die Konsequenz der späten Jahre

Wie schon im Vorjahr finden die French Open ohne Roger Federer statt. Trotz des überragenden ersten Saisondrittels gönnt sich der Schweizer eine lange Ruhepause.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 16.05.2017, 12:12 Uhr

Roger Federer

Er hat seine Rechnung schon einige Male aufgemacht in diesem verblüffenden Tennis-Jahr. Wann immer Roger Federer in den letzten Monaten als Sensationssieger die Pokale in die Höhe stemmte, ob in Melbourne, Indian Wells oder auch in Miami, betonte er auch dies: Seine Karriere werde noch ein Weilchen andauern, er plane eine Verlängerung bis fast an die Vierzig heran. "Ich gebe mir noch eine gute Zeit, ich habe noch große Pläne", verkündete Federer zuletzt, als er sich in eine ausgedehnte Urlaubs-und Regenerationszeit verabschiedete, nach dem ersten wunderlichen Arbeitsquartal 2017.

Federer hat unterm Eiffelturm nichts mehr zu suchen

Federers aktuell spielfreie Zeit wird nun auch noch eine Verlängerung bekommen, ganz einfach, weil das, was er soeben aus seinem Tourneeprogramm herausgestrichen hat, nicht mehr in seine Gleichungen hineinpasst - und zu der Realität, der sich der "Maestro" in dieser Karrierephase schonungslos stellt. Was er am Montagabend bekanntgab, seinen Verzicht auf die French Open, konnte keinen der professionellen Beobachter und Experten des Wanderzirkus mehr überraschen. Es ist eine ganz einfache, schlichte Wahrheit: Federer hat unterm Eiffelturm nichts mehr zu gewinnen, er kann dort nur viel verlieren. Und deshalb bleibt er den strapaziösen Rutschübungen im Sand einfach fern. Sein Kommuniqué war mit allerlei Höflichkeitsadressen gepflastert, auch dem Bedauern, sich seinen Fans in Paris nicht präsentieren zu können, aber im Kern war es eine Ansage, sich wie nie zuvor in seiner professionellen Laufbahn nur noch um die ureigensten Interessen kümmern zu wollen. "Total vernünftig", nannte da auch Ex-Djokovic-Coach Boris Beckers die Entscheidung von Federer, "er will und kann auf Gras Großes erreichen. Und das zählt für ihn."

Wer auf Federers Pläne und Aktivitäten der jüngeren Zeit schaute, dem war ohnehin klar, dass sich der 35-Jährige schon länger nicht mehr ernsthaft mit der Absicht befasste, in Paris spielen zu wollen. Ursprünglich hatte er sich noch offen gehalten, in der Sandplatzsaison auch die Masters-1000-Turniere in Madrid und Rom zu bestreiten, doch dann blieben nur noch die French Open im Turnierkalender übrig. Doch welchen sportlichen Sinn und welches sportliches Ziel konnte dieser Einmal-Auftritt haben, ausgerechnet beim strapaziösesten, körperlich am belastendsten aller Turniere? Federer hatte es längst abgehakt, er trainierte ja auch in den letzten Wochen noch immer in Dubai auf Hartplätzen. Aus gutem Grund: Federers schnelles, improvisationsstarkes intuitives Tennis wird nämlich spätestens mit Beginn der Grassaison gefragt sein, und dann eben für viele Monate, auf Rasen, auf mittelschnellen und sehr schnellen Hartplätzen - und zuletzt in der Hallensaison.

Meister der Strategie und Planung

Federer wird auch noch seine Chance bekommen, in den Kampf um Platz eins eingreifen zu können - selbst bei seinem inzwischen reduzierten Arbeitsprogramm. Die Spekulationen, er habe schließlich auf Paris verzichtet, weil Nadal sich in Glanzform befinde und er dort keine größeren Punktepolster in Aussicht habe, sind naiv. Und sie weisen darauf, dass manche den späten Federer noch immer nicht verstanden haben. Federer ist, mehr denn je nach seiner Verletzungspause des Vorjahres, zum freischwebenden Solounternehmer geworden, der alles den eigenen Bedürfnissen und Prioritäten unterordnet - und zu diesen Prioritäten zählt der oft gekämpfte, oft erfolgreiche Kampf um Platz eins nicht mehr. Es kann sein, dass sich für Federer noch einmal die Möglichkeit eröffnet, auf den Thron zu steigen. Aber dann nur zu seinen Bedingungen, nicht als Reaktion auf die Konkurrenz.

Federer war schon früh in seiner Karriere ein Meister der Strategie und Planung. Kaum ein zweiter im Profisport steuerte seine Karriere so perfekt, keiner dosierte seine Einsätze so punktgenau wie er. Auch deshalb blieb er über viele Jahre fast verletzungsfrei, während sich die Konkurrenz mit allerlei Wehwehchen abmühte. Nun, da ihm der eigene Körper auch zusetzt mit Mitte Dreißig, denkt Federer noch radikaler und konsequenter als vor fünf oder zehn Jahren. Immerhin gönnt er sich nun zwischen dem Masters-Sieg in Miami und dem Start beim Stuttgarter ATP-Wettbewerb zweieinhalb Monate Ruhepause. Aber Federer hat mit seinem Überraschungscoup in Melbourne Anfang 2017 bewiesen, dass er sich vor diesen langen Auszeiten und mangelnder Spielpraxis nicht übermäßig fürchten muss. Er kann, wenn er will, mächtig in Schwung kommen. Vor allem: Mächtig schnell. In diesem Fall rechtzeitig zu Wimbledon.

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von Jörg Allmeroth

Dienstag
16.05.2017, 12:12 Uhr