Roger Federer nach der Final-Niederlage in Halle: Der Ausrutscher des Maestro im Wohlfühlrevier
von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet:
25.06.2018, 08:30 Uhr
Als Roger Federer am Samstagabend bei der traditionellen Fashion Night der Gerry Weber Open auf der Bühne stand, wurde er von Moderatorin Franziska Schenk scherzhaft gefragt, wie Federer am besten und erfolgreichsten gegen Federer spielen würde.
Federer schmunzelte, dann sagte er zu der ehemaligen Weltklasse-Eisschnelläuferin: "Unglaublich gut aufschlagen, unglaublich gut retournieren. Die Nerven behalten und cool bleiben, wenn es ernst wird im Match."
Borna Coric, der 21-jährige Kroate, stand ehrfürchtig neben Federer auf der Bühne und dachte sich wohl: Wenn´s nur so einfach wäre. Doch rund 16 Stunden später war der Herausforderer hundertprozentig dem vorgezeigten Drehbuch des Maestros gefolgt und hatte im Stile eines Champions das Kunststück geschafft, Federer in seinem Wohlfühlrevier in Ostwestfalen eine verdiente Niederlage zuzufügen.
Borna Coric laut Roger Federer "nicht zurückgezuckt"
"Ich bin absolut überwältigt. Mir fehlen die Worte", sagte Coric nach seiner meisterlichen, weil couragierten und selbstbewußten Vorstellung beim 7:6 (8:6), 3:6, 6:2-Sieg auf dem Centre Court. Federer bot zwar die beste Vorstellung in einer zuvor oft holprigen, zähen Turnierwoche, aber für den dynamischen Burschen aus der Next Gen-Truppe war es nicht gut genug.
Für Federer ging mit dem Ausrutscher nicht nur eine 20 Spiele währende Siegesserie auf den geliebten Tennis-Grüns zu Ende, er verlor neben dem Gerry Weber Open-Titel auch wieder Platz eins in der Weltrangliste an Spaniens Matador Rafael Nadal.
"Coric war extrem konstant, er hat nicht zurückgezuckt, als es auf die Entscheidung zuging. Er hat das absolut verdient gewonnen", sagte Federer, "für mich war es trotzdem eine gute Woche." Als ZDF-Moderator Norbert Lehmann in einer Frage an Federer mit dem Begriff einer "Wachabslösung" stichelte, konterte Federer mit einem eisigen Lächeln: "Davon wird schon seit zehn Jahren gesprochen. Das ist sicher keine Beerdigung jetzt."
Er werde nun, nach neun Matches in rund anderthalb Wochen, erst einmal "ausspannen" und dann mit neuem Schwung nach Wimbledon fahren: "Ich fühle mich gut gerüstet für den Grand Slam dort." Der Maestro, der die Rasenfestspiele viele Jahre in eine Roger-Federer-Show verwandelt hatte, war mit Müh´ und Not in sein zwölftes Endspiel gelangt - mit der Aussicht, dort etwas Einmaliges in seiner Karriere schaffen zu können: Nämlich Titel Nummer zehn zu holen, eine zweistellige Zahl, in der Heimat auch "Stängeli" genannt.
Aber Coric war von der ersten Minute an noch einmal ein Gegner von weit größerem Kaliber als alle bisher anderen Widersacher des 36-jährigen Superstars. Coric war nicht gekommen, um einen guten Eindruck zu machen und sich nur irgendwie ordentlich zu verkaufen. Er spielte konsequent, konzentriert und mutig auf Sieg, setzte Federer höllisch unter Druck mit seinen gut platzierten Grundschlägen.
Roger Federer: Verlorenes Tiebreak Beginn vom Ende
Es war nichts weniger als ein Duell auf Augenhöhe, so wie auch schon vor etwa drei Monaten beim ATP Masters in Indian Wells - dort allerdings hatte Federer schließlich in der umkämpften Schlußphase die besseren Nerven gehabt.
Das war in Halle anders. Schon im ersten Durchgang, als Federer im Tiebreak zwei Satzbälle bei einer 6:4-Führung vergab und das Lotteriespiel mit 6:8 verlor. Es war das erste Mal in diesen beiden Comeback-Wochen in Stuttgart und Halle nach der langen, freiwilligen Tennisabstinenz, dass Federer nicht bei den Big Points zuschlug und seinen Gegner düpierte.
Sonderlich beeindrucken ließ sich der 20-malige Grand Slam-Champion indes zunächst nicht, mit 6:3 in Akt 2 stellte er den Satzausgleich her, manches deutete auf eine erfolgreiche Aufholjagd des Maestro hin. Doch Coric blieb eisern dran an Federer und zog wieder imposant an ihm vorbei, vorentscheidend mit dem Break zum 4:2 im dritten Satz.
Und alles entscheidend dann mit dem Break zum 6:2 nach gespielten 128 Minuten. "Das ist eine Riesennummer für mich. Ein Traum, der Wirklichkeit wird", sagte Coric hinterher, noch immer ein wenig ungläubig, was er in Federers zweitem Wohnzimmer fertiggebracht hatte.