"Spiel den Ball - nicht den Gegner"
Es war nicht die Vorhand von Roger Federer, die das historische Australian-Open-Endspiel gegen Rafael Nadal gewann. Auch nicht der Aufschlag. Es war seine Rückhand.
von Marco Kühn/tennis-insider.de
zuletzt bearbeitet:
04.03.2017, 21:02 Uhr
1:3. Fünfter Satz. Es schien wie immer zu laufen, wenn Roger Federer und Rafael Nadal ein episches Endspiel ausfochten. Die Zuschauer hielt es schon lange nicht mehr auf ihren Sitzen oder an ihren Smartphones. Die Atmosphäre war beinahe greifbar, so sehr verwickelten die beiden Protagonisten das Publikum in ihren Auftritt. Und dann, beim erwähnten 1:3 im entscheidenden Satz, passierte das, was keiner kommen sah.
Selbst mit einigen Wochen Abstand ist dieses Endspiel, dieser fünfte Satz, noch immer ein kleines Mysterium. Die Vorgeschichte dieses Duells war auf den Kopf gestellt. Es war urplötzlich Federer, der wie von Geisterhand die Rückhand-Winner schlug. Es war eben nicht Nadal mit seiner Vorhand. Der Spanier befand sich in der Defensive, aus der er nicht mehr herauskam - und nicht der Schweizer. Die Rahmenbälle von Federer hatten sich in den Katakomben des Center Court verlaufen. Weit weit entfernt vom Platz selbst.
Kopf aus - Rückhand an
Zu viele Rückhände musste Roger Federer in seiner Karriere über Schulterhöhe spielen, wenn es gegen den spanischen Matador ging. Zu oft konnte er die von Drall gefangene Vorhand Nadals nur noch an sich vorbeifliegen sehen. Zu oft musste er dem Spanier am Netz zu einem großen Triumph gratulieren. Zu oft hatte Federer den Gegner Nadal - und nicht einfach den Ball gespielt. Einfach machen. Ohne große taktische Überlegungen. Drauf auf den Ball - und frei sein. Die Taktik zum Erfolg war es, gar keine Taktik zu haben. Genau dies ist für Roger Federer vielleicht die beste Taktik überhaupt: einfach frei zu sein im Kopf. Ohne Druck, ohne Erwartungen.
Wie sich die Psyche durch die Rückhand äußert
Federer ging dem Ball entgegen, spielte ihn direkt im Aufsteigen. Ohne Furcht. Ohne nachzudenken. Er war voller Selbstvertrauen. Wie Severin Lüthi nach dem Match auch in einem Interview verlauten ließ, war Federer sich sicher, das Endspiel gewinnen zu können. Dieses Vertrauen in sich selbst zeigte sich in Form seiner Rückhand im fünften Satz. In vielen vergangenen Spielen gegen Nadal ratterte der Kopf. Vermutlich überlegte Federer hin und her, was er gegen die mächtigen Topspinbälle auf seine Rückhand tun sollte. Also ging er mal einen Schritt zurück. Ein andermal versuchte er es mit Slice. Dann wieder war er so verunsichert, dass er es aggressiv versuchte - und mit seinem Rahmen scheiterte.
Es war nicht die Vorhand des Schweizers, die dieses historische Endspiel gewann. Auch nicht der Aufschlag. Es war die Rückhand von Roger Federer. So kann Wimbledon 2017 kommen.