"Serena Open": Die leicht hysterische Verehrung des letzten US-Superstars
Serena Williams steht nach zwei entspannten Siegen in Runde drei der US Open. Dort wartet die Gegnerin, die sie schon ihr Leben lang kennt: Schwester Venus.
von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet:
30.08.2018, 13:53 Uhr
Von Jörg Allmeroth aus New York
Es ist eine anrührende Zeitreise, mit der einer der vielen Serena-Williams-Werbeclips in diesen US-Open-Tagen beginnt. Es geht 30 Jahre zurück in dem emotionalen Stück, zu den fernen Tagen auf den vorstädtischen Tennisplätzen von Compton bei Los Angeles. Tennis-Daddy Richard Williams ist authentisch zu sehen, wie er mit seiner jüngeren Tochter trainiert, dann hört man den Satz: "Stell Dir vor, das bist Du bei den US Open."
Dann schlägt das Tenniskind Serena den Ball - und im nächsten Moment ist, furioser Schnitt, die 23-malige Grand-Slam-Siegerin Serena in voller Action auf den Centre Courts zu sehen. Auch bei den US Open, auch und gerade hier, wo sie 1999 ihren ersten Major-Titel gewann. Und wo sie nun als alle und alles überstrahlenden Grande Dame ihres Sports figuriert, fast mit überlebensgroßer Statur, eine Legende ihrer selbst. "Serena ist schon jetzt eine historische Figur, eine der größten Sportlerinnen überhaupt in Amerika", sagt Billie Jean King, die Ikone, die einst das professionelle Frauentennis begründete und gerade auch den Weg für afroamerikanische Spielerinnen in den USA ebnete.
Serena vs Venus: Sister-Act in Runde drei
Und nun, in einem Moment der ebenso hymnischen wie leicht hysterischen Serena-Verehrung, kommt es nach dem 6:2, 6:2-Sieg gegen Carina Witthöft ausgerechnet schon in der dritten Runde dieser Offenen Amerikanischen Meisterschaften 2018 zum 30. Sister Act - zur vielleicht letzten New Yorker Verabredung der beiden Schwestern, die vor zwei Jahrzehnten aus Kalifornien auszogen, die Tenniswelt zu erobern. Venus war die erste, die in den Tourzirkus einstieg, aber Serena war die erste der beiden Schwestern, die 1999 in New York einen Major-Titel holte.
Als sie sich das erste Mal bei den US Open begegneten, 2001, gewann Venus - ein Jahr später dann Serena. 17 Mal insgesamt entschied die jüngere der beiden Schwestern die komplizierten, nicht immer herausragenden Duelle für sich, 12 Mal Venus. Patriarch Richard Williams wurde nicht selten unterstellt, es gebe ein abgekartetes Drehbuch für die Familienmatches.
Aber auch das ist Vergangenheit, im Hier und Jetzt rührt niemand an der Größe dieser Williams-Karrieren, an der Dominanz, die sie an berühmten Schauplätzen entwickelten: In New York, aber insbesondere in Wimbledon, wo sie zusammen dreizehn Titel seit Beginn dieses Jahrhunderts holten - die 36-jährige Serena sieben Pokale, die 38-jährige Venus sechs jener Trophäen mit dem sinnigen Namen "Venus Rosewater Dish". Serena ist der Schwester immer weiter enteilt, nicht nur, weil die Ältere seit einigen Jahren an einer Autoimmunkrankheit leidet und sich mühsam einen Platz in der Weltspitze zurückerkämpfen musste. Sondern auch, weil das eintrat, was Venus in der Anfangszeit dieses Tennismärchens immer wieder zur Verblüffung von Experten und Reportern sagte: "Meine Schwester ist noch viel besser als ich. Sie wird mal die beste Spielerin überhaupt."
Serena Williams ist überall
Und hier ist sie nun, im August 2018. 23-malige Grand Slam-Siegerin, Gewinnerin aller Pokale, die es im Tennis zu verteilen gibt, olympische Goldmedaillen-Heldin - und neuerdings auch stolze Mutter. Sie wirkt größer als ihr Sport, gerade daheim in Amerika, wo man ihr bei einem der vermutlich letzten großen Auftritte kaum entkommen kann. Serena ist überall zu finden, es ist nahe am Overkill. Riesige Werbebanner an den Highways, Häuserfassaden mit ihrem Profil in den Wolkenkratzer-Schluchten Manhattans, die mehr oder weniger eindrucksvollen Werbeclips.
Dazu schon vor den US Open eine fünfteilige Serie im Pay-TV über Mama Serena, eine Titelstory im "Time"-Magazin unter dem Zitat des Superstars: "Im Moment ist nichts perfekt bei mir. Aber das ist auf perfekte Weise Serena." Und tatsächlich kultiviert die Mittdreissigerin momentan dieses nahbare Image: Eine Frau, bei der rund um Schwangerschaft, Geburt und Mutter-Sein längst nicht alles ideal, geordnet und angenehm verläuft. So wie eben auch bei Millionen anderer Mütter.
Töchterchen Olympia immer im Gespräch
Die US Open - sie sind, jedenfalls bis jetzt, die Serena Open. Alle sprechen über Serena, über jede Regung, über jeden Kommentar. Oder über ihren extravaganten Dress, Netzstrümpfe und ein Tutu-Kleid, entworfen von Virgil Abloh, dem künstlerischen Leiter der Männermode von Louis Vuitton. Und Serena selbst? Sie, der einzige amerikanische Tennis-Superstar der Gegenwart, spricht am liebsten und am meisten über Olympia, das werte Töchterchen.
Und die Schwierigkeiten, Mutter zu sein während der Grand-Slam-Feierlichkeiten. "Eine Stunde raus zum Tennis, eine Stunde rein nach Manhattan. Da gehen mir jeden Tag zwei Stunden mit ihr verloren", sagt Serena. Aber sie würde trotzdem gerne weiter hier bleiben, schließlich winkt der 24. Grand-Slam-Titel, die Einstellung des Allzeitrekords der Australierin Margaret Court. Sollte ausgerechnet Schwester Venus nun die Spielverderberin sein? "Wir werden das, wie immer, professionell angehen. Und jede für sich das Beste geben", sagt Serena.