Blick über den Tellerrand, Teil 1 – Kennt Ihr „Frontenis“?
In unserer Reihe „Blick über den Tellerrand“ stellen wir Randsportarten vor, die mit dem Tennissport verwandt sind.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
28.11.2015, 13:00 Uhr

Von Stefan Bergmann
Tennis ist eine Weltsportart. Sie wird auf allen Kontinenten der Welt professionell betrieben und hat eine Unzahl an treuen Anhängern und Fans. Nicht umsonst gibt es Seiten wietennisnet.com, die sich ausschließlich unserer liebsten aller Sportarten widmen. Andere Schlägersportarten, die man mehr oder weniger mit dem „weißen Sport“ assoziieren kann und auch zumindest in weiten Teilen der Erde ordentliche Verbreitung gefunden haben, sind etwa Badminton, Tischtennis oder Squash. Außer Letzterer sind all diese Körperertüchtigungen olympisch und genießen sogar in manchen Teilen Asiens ein höheres Ansehen, als es dort bislang der Tennissport tut. Abseits dieser „Big Player“ findet man aber auch noch eine Handvoll Randsportarten, die sich vom Tennis ableiten lassen. Ein bestimmtes Tennis-„Derivat“, das wir in der nächsten Woche beleuchten werden, diente der heutigen Weltsportart sogar als Vorbild. Aber genug der Vorworte – kennt Ihr eigentlich schon „Frontenis“?
Pelota mit Tennisausrüstung? – Nicht ganz
Unser erster Blick über den Tellerrand führt uns etwa in das Jahr 1900 nach Mexiko. Der baskische NationalsportPelotahat mittlerweile den Sprung über den großen Teich zum amerikanischen Kontinent geschafft. Im Anwesen des gutbürgerlich situierten Fernando Torreblanca, der später Privatsekretär des mexikanischen Präsidenten Álvaro Obregón werden sollte, befand sich der erste modern gebaute Pelota-Court, auf dem mexikanische Tennisgrößen ihrer Zeit mit klassischen Tennisschlägern und Filzbällen gegen die Wand donnerten, um zunächst mit verschiedenen Spielvariationen zu experimentierten. Der Name „Frontenis“ leitet sich aus den spanischen Worten „fronton“(deutsch: Pelota-Platz)und „tenis“ ab. Da sich der zugrundeliegende Pelota-Sport in der „neuen Welt“ rasch auch in den angrenzenden mittelamerikanischen Ländern ausbreiten konnte, gab es immer mehr professionell nutzbare Spielplätze.
Mexiko ist der klare Dominator des „Frontenis“
Um 1940 fand der Sport über die kanarischen Inseln auch seinen Weg zurück nach Europa. 1952 wurden die ersten „Frontenis“-Weltmeisterschaften selbstredend im spanischen Teil des Baskenlandes durchgeführt, genauer gesagt in der Hafenstadt San Sebastian, lediglich 20 Kilometer von der französischen Staatsgrenze entfernt gelegen. Bis zum heutigen Tag wurden 17 Weltmeisterschaften ausgetragen – 16-mal war Mexiko Goldmedaillen-Gewinner, lediglich im Jahr 1990 konnte sich Spanien am obersten Treppchen platzieren. Bis um 1960 herum wurde „Frontenis“ mit gewöhnlichem Tennis-Equipment gespielt. Da der Filz auf dem Ball die Geschwindigkeit des Spiels merkbar bremste und auch die Absprunghöhe reduzierte, entschloss man sich, Bälle aus anderem Material zu verwenden. Moderne „Frontenis“-Bälle bestehen aus einem bestimmten Gummigemisch und werden auch unter dem Namen „Olympic Ball“ vertrieben. Es sind die einzigen von derIFBP (International Federation of Basque Pelota)offiziell für „Frontenis“ zugelassenen Wettkampf-Bälle. Derzeit sind 18 Länder der Welt bei der IFBP für internationale Veranstaltungen im „Frontenis“ gemeldet.
Charme einer überdimensionalen Squash-Partie
Wie jeder andere Sport hat auch Frontenis seine eigenen Regeln. Der Charme einer überdimensionalen Squash-Partie, den das normale Pelota schon versprüht, wird durch die zum Einsatz kommenden Schläger noch intensiviert. Offizielle Wettkämpfe werden nur im Doppel ausgetragen, ein Einzelspiel ist aber ebenfalls möglich. Ein „Frontenis“-Court ist 30 Meter lang, zehn Meter breit und zehn Meter hoch. Auf der linken Seitenwand befinden sich im Abstand von jeweils dreieinhalb Meter Hilfslinien, um den Spieler bei seiner Positionsbestimmung auf dem Platz zu unterstützen. Der Ball muss auf die Vorderwand gespielt werden, darf aber nicht unterhalb einer 60 Zentimeter hohen Begrenzungslinie mit der Mauer kollidieren, denn dann ist der Punkt verloren. Ebenfalls darf der Ball lediglich einmal den Boden berühren. Da schriftliche Regeln aber niemals so gut sein können wie ein praktisches Beispiel, sind hier einige Ausschnitte einer professionellen „Frontenis“-Partie (Finale eines mexikanischen Tour-Events in Huamantla).
Und? Lust bekommen, „Frontenis“ mal selbst auszuprobieren? Das könnte in deutschsprachigen Gefilden leider äußerst problematisch werden. Trotz längerer Internet-Recherche war es uns nicht möglich, einen einzigen Pelota-Court in Deutschland, Österreich oder der Schweiz ausfindig zu machen. So ist wohl eine Reise ins Baskenland, Mittelamerika oder in den Süden der USA angezeigt, möchte man dem unkonventionellen Zeitvertreib frönen. Für alle, die nun enttäuscht sind, haben wir noch eine kleine Aufheiterung in petto. Die härteste und gefährlichste Pelota-Variante „Cesta Punta“, in den Vereinigten Staaten von Amerika auch „Jai Alai“ (deutsch: fröhliches Spiel) genannt, wird traditionell mit einem Handschuh gespielt, der mit einem länglichen Korb verbunden ist. Die Bälle werden mit diesem sowohl abgefeuert, als auch gefangen und erreichen ausgesprochen hohe Fluggeschwindigkeiten. Und auch Bud Spencer hat sich dereinst im Film „Zwei sind nicht zu bremsen“ dem harten Männersport gestellt. Auch wenn wohl für die Spielszenen ein Double zum Einsatz kam, sind die „grandiosen“ Filmszenen doch einen Blick wert.
Nächste Woche stürzen wir uns im zweiten Teil unserer Reihe auf das sagenumwobene „Real Tennis“, auch „Jeu de Paume" genannt. Und sollte uns doch etwas entgangen sein und jemand weiß von einem Pelota-Spielfeld in den Ländern Deutschland, Österreich oder Schweiz, gebt uns doch bitte ein Feedback an die E-Mail-Adresseredaktion@tennisnet.com. Wir reichen derartige Informationen mit Freude gerne nach.