„Nicht wirklich“ Lena & Wolfgang Reichel lassen sich nicht täuschen
Lena Reichel und ihr Vater Wolfgang bleiben trotz U14-Dominanz am Boden.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
04.02.2011, 10:49 Uhr

Im Jänner beherrschte die 13-jährige Wienerin Lena Reichel die österreichischen U14-Hallenmeisterschaften nach Belieben. Auch international ist sie in der erweiterten Weltspitze angekommen. Alles an der Seite ihres Trainers und Vaters Wolfgang (58), einem wie er selbst sagt "ewigen Kritiker". Im tennisnet.com-Interview spricht das Gespann über nationale Dominanz, Auszucker bei "Mensch ärger Dich nicht", ihr Verhältnis zueinander und warum sie mit dem ÖTV gar nicht so unzufrieden sind.
Lena, Gratulation zum tollen Start ins neue Jahr und zum überzeugenden Erfolg bei den Österreichischen U14-Hallenmeisterschaften. So richtig gezweifelt hat an deinem Sieg niemand. Wie froh bist du, die Erwartungen perfekt erfüllt zu haben?
Lena Reichel: Eigentlich ist mir gar nicht so ein Stein vom Herzen gefallen. Ich habe ja in der U12 auch immer locker gewonnen.
Auf dem Weg zum Turniersieg hast du in fünf Partien nur fünf Games abgegeben...
Stimmt, ich hatte auch das Gefühl, dass mir in keinem der Matches was passieren kann.
Sind deine Stärken schon so ausgeprägt, dass national Gleichaltrige mit dir nicht mehr mithalten können?
Ich spiele sehr schnell und druckvoll, damit kommen die meisten nicht zurecht. Diesmal sind meine Gegnerinnen kaum zu den Bällen hingekommen.
Wolfgang Reichel: Man muss fairerweise dazu sagen, dass 1997 mit Ausnahme von Lena ein schwächerer Jahrgang ist und sie in diesem Turnier auch sehr gut gespielt hat. Sie sollte so gewinnen, dass die anderen nicht den Funken einer Chance haben. Das hat sie spielerisch voll und ganz erfüllt.
Auch bei den U16-Staatsmeisterschaften ist es eigentlich gut gelaufen. Im Halbfinale hast du gegen die spätere Siegerin Karoline Kurz knapp in drei Sätzen verloren. War das eine gute Leistung, oder bist du im Nachhinein betrachtet unzufrieden?
Woah, bei den U16-Meisterschaften hab' ich's total hergeschenkt. In den wichtigen Momenten habe ich ganz schwach serviert. Das Match gegen Kurz hätte ich gewinnen müssen, das war echt ärgerlich.
Kurz ist ein Jahr älter und aufgrund ihrer Größe (knapp 180 cm) körperlich mit dir nicht zu vergleichen. Hat diese Überlegenheit diesmal den Ausschlag gegeben?
Das glaube ich eigentlich nicht, die Niederlage habe ich nur mir selbst zuzuschreiben.
Wolfgang Reichel: Naja, ich denke eigentlich schon, dass das ein Mitgrund war. Lena ist konditionell zwar sehr gut dabei, körperlich aber hinten nach. Da meine Frau und ich beide Spätentwickler waren, mache ich mir da trotz allem wenig Sorgen.
Im ETA-U14-Ranking liegst du, nachdem die 1996er-Jahrgänge altersbedingt aus der Rangliste gefallen sind, auf Platz 16 - so gut wie noch nie. Fallen heuer die Top Ten?
Auch wenn sie im Moment nur Nebensache ist, freue ich mich natürlich über meine Position im Ranking, Ich sag aber so: Wenn ich gut spiel, sind die Top Ten nicht unmöglich.
Wolfgang Reichel: In meinen Augen gibt es in etwa 20 Spielerinnen in Lenas Alter, mit denen sie nur schwer mithalten kann. Sie spielt zurzeit zwar sehr gut und auf einem hohen Level, die Spielstärke für ganz vorne ist aber noch nicht da.
Zwei Semifinali (1x ETA-U14, 1x ETA-U16) und eine Finalteilnahme (ETA-U14) hast du aus dem Vorjahr im Einzel zu Buche stehen. Im vorarlbergerischen Vandans bist du nur ganz knapp an deinem ersten internationalen U14-Titel vorbeigeschrammt, warst bei der Siegerehrung ein Häufchen Elend.Wie lange knabbert ein 13-jähriges Mädchen an so einer Niederlage?
Bei so einer Niederlage ärger ich mich schon immer voll, das braucht eine Zeit, bis so etwas vergessen ist. Die Chance auf den Titel war da, leider habe ich auch Doppel gespielt und war im Finale schon sehr müde - das hat mich dann doppelt geärgert.
Deine Blicke bei der Siegerehrung waren stockfinster. Dein Trainer und Vater fand danach mahnende Worte. Bist du eine schlechte Verliererin?
Naja, verlieren tut mir schon sehr weh. Schlecht...ich weiß nicht...
Wolfgang Reichel ergänzt: (lacht) Sie ist extrem: Auch beim "Mensch ärger Dich nicht" sind früher schon oft die Figuren geflogen. Leider hemmt sie ihr enormer Ehrgeiz hin und wieder.
Inwiefern?
Wolfgang Reichel: Durch ihren unbändigen Siegeswillen wird sie manchmal dazu verleitet, wieder so wie früher zu schupfen zu beginnen. Das ist aber im Ganzen gesehen nicht zielführend. So wird sie nicht weiter kommen.
Darf man einem jungen Mädchen, das unbedingt Tennisprofi werden will, in so einem Moment überhaupt etwas vorwerfen?
Wolfgang Reichel: Nein, ich denke nicht. Ich war auch nicht böse auf sie. Wenn man müde und enttäuscht ist, fällt das Lächeln für die Kameras halt schwer.
Ist es möglich vom Vater-Tochter- zum Trainier-Schüler-Verhältnis umzuschalten? Gibt es oft Reibereien?
Wolfgang Reichel: Wir haben, als sie vier oder fünf Jahre alt war, begonnen zusammen zu arbeiten, da gab es kein Problem. Mit elf Jahren hat sie angefangen aufzumucken und begonnen zurückzureden. Das hat sich aber wieder gelegt.
Lena Reichel: Wir haben schon hin und wieder gestritten. So schlimm wie der Papa aber tut, war's nicht. Ich kann gut unterscheiden, wann er mein Vater und wann mein Trainer ist. Wir reden aber auch zu Hause über Tennis. Und auch da sagt er genau das, was er sich gerade denkt.
Sind harte Worte Teil Ihrer Trainerphilosophie?
Wolfgang Reichel: Das würde ich so nicht sagen. Ich finde aber, dass sie der Wahrheit ins Auge blicken muss. Es hat keinen Sinn ihr zu sagen: "Super, toll, du bist jetzt Österreichische Meisterin und über drüber". Wir müssen uns international orientieren, zum Beispiel Richtung Orange Bowl schauen. Dafür fehlt aber noch einiges.
Wie wird Lenas Karriere finanziert?
Wolfgang Reichel: Natürlich zum Großteil aus eigener Tasche. Außerdem haben wir mit Superfund ein Unternehmen gefunden, das uns finanziell unter die Arme greift.
Unterstützt auch der ÖTV?
Wolfgang Reichel: Ja, insgesamt bekommen wir heuer gar nicht so wenig. Die 4950 Euro, die wir durch Lenas Ranglistenposition bekommen hätten, wurden aufgrund internationaler Erfolge auf 7000 Euro aufgestockt.
Sie klingen zufrieden...
Wolfgang Reichel: Da ich meine Erwartungen gering gehalten habe, bin ich das. Im Moment spiegelt diese Unterstützung ihr Können und ihre Leistung wieder. Dass bei einem Dominic Thiem und einer Babsi Haas um jeden Euro gefeilscht wird, ist natürlich lächerlich. Ein Thiem hätte sich schon um die 50.000 Euro verdient.
Zurück zum Sportlichen: Machen die Reichels heuer erstmals die ITF-Tour unsicher?
Wolfgang Reichel: So genau haben wir die Saison noch nicht geplant. Es kommt darauf an, wie sie sich entwickelt. Meiner Meinung nach müsste sie für ITF's noch eine Klasse besser spielen. Von den 1996er- und 1997er-Jahrgängen in Österreich ist derzeit nur Babsi Haas dafür geeignet.
In wenigen Tagen beginnt der Tennis Europe Winter Teamcup. Letztes Jahr warst du nur bei Ausfällen von Babsi Haas, Julia Grabher oder Karoline Kurz in der U14-Nationalmannschaft. Heuer bist du Österreichs Team-Leaderin. Ist das für dich etwas Besonderes?
Lena Reichel: Für das Nationalteam zu spielen ist schon spannend, aber ich mach mir da keinen Druck. Wenn ich meine Leistung abrufen kann, werde ich mit Sicherheit die eine oder andere Partie gewinnen können. (Foto: GEPA pictures)
Das Interview führte Christoph Wagner
Lena Reichel 2007 und 2010 im Videovergleich: